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Politik

Macrons Kabinett: Ein Kessel Buntes in Paris

Barbara Wesel
17. Mai 2017

Emmanuel Macron hat in Paris sein Kabinett vorgestellt - eine Mischung aus Rechten und Linken, Politikprofis und Experten, Jungen und Älteren. Aber kann aus dem bunten Haufen ein Team werden?

Frankreich Paris Amtseinführung Emmanuel Macron
Bild: Reuters/F. Mori

Auf den ersten Blick ist diese Regierung ein ziemlich bunter Haufen - Leute mit Regierungserfahrung, Rechte und Linke, Experten, Aktivisten, Junge und Ältere haben der neue Präsident und sein Premierminister da zusammengewürfelt - genauso, wie Emmanuel Macron es versprochen hat. Diese Regierung ist jedenfalls etwas Neues, total heterogen und lagerübergreifend. Aber kann er dieses Kabinett zu einem Team schmieden, das effektiv und loyal zusammenarbeitet? Der neu gebildeten Regierung in Paris steht eine interessante Erfahrung bevor.

Die Republikaner

Einen der wichtigsten Posten hat Macron einem in der Wolle gefärbten Republikaner anvertraut. Bruno Le Maire wird sein neuer Wirtschafts- und Finanzminister, zuständig unter anderem für die Verhandlungen über die Neugestaltung der Eurozone. Er ist war schon Minister unter Präsident Sarkozy, er war selbst Präsidentschaftskandidat und kennt den Regierungsapparat. Seine Ernennung ist ein Signal dafür, dass Macron auf Solidität bei den Finanzen setzt. Ein weiterer konservativer Parteifreund wird zuständig für die Überwachung des Haushaltes und der Sozialversicherung sowie für Staatsreformen.

Bruno Le Maire: Schlüsselposten als FinanzministerBild: Getty Images/AFP/M. Bureau

Vom rechten Flügel der Republikaner kam sofort die Kritik, dass zwei Konservative wohl nicht ausreichten, um das Lager einzubinden. Man sehe dieses Kabinett als Übergangslösung, das nach einem Sieg der Republikaner bei der Parlamentswahl im Juni wieder abgelöst werde. Allerdings ist nach den Umfragen ein Durchmarsch der Konservativen nicht sicher. Und den wichtigsten Posten haben die Unzufriedenen unterschlagen: Schließlich ist Premierminister Edouard Philippe selbst ein - wenn auch gemäßigter - Konservativer und Juppé-Anhänger und hat den wichtigsten Job in der neuen Regierung.  

Die Sozialisten

Jean-Yves Le Drian: der Einzige aus der Hollande-ZeitBild: Getty Images/AFP/D. Meyer

Nur ein einziger Minister wurde aus der Regierung Hollande recycelt: Jean-Yves le Drian wird vom Verteidigungs- zum Europa- und Außenminister, in dieser Reihenfolge. Man hatte erwartet, dass Macron den besonders beliebten und erfolgreichen Bretonen mit Regierungserfahrung behalten würde. Auch er steht in seinem neuen Ministerium für Kontinuität der bisherigen außenpolitischen Linie Frankreichs und ist ein Pro-Europäer - wie überhaupt das gesamte Kabinett mit Europafreunden besetzt ist. Das scheint durchweg eines der Auswahlkriterien gewesen zu sein. 

Die Getreuen

Gerard Collomb: Tränen der BegeisterungBild: Getty Images/AFP/B. Guay

Der neue Innenminister brach bei der Amtsübergabe an den neuen Präsidenten Emmanuel Macron am Sonntag in Tränen aus, so gerührt war er vom Erfolg seines Idols. Gerard Collomb ist Bürgermeister von Lyon, Ex-Sozialist und einer der frühesten Unterstützer der En-Marche Bewegung und ihres Anführers. Wie kaum ein anderer hat dieser Vertraute an die politischen Fähigkeiten von Emmanuel Macron geglaubt und ihn unterstützt. Jetzt muss Collomb den Kampf gegen den Terrorismus fortsetzen und die unzufriedene Polizei beruhigen. Mit seinem Erfolg steht und fällt auch die Regierung Macron.

Francois Bayrou von der Zentrumspartei muss als neuer Justizminister mit einer Gerichtsbarkeit in der Krise umgehen, die im Wahlkampf unter anderem durch die Ermittlungen gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Francois Fillon und gegen FN-Chefin Marine Le Pen stark in die Kritik geraten war. Auch hier handelt Macron aus politischer Notwendigkeit, denn er braucht die Zentrumsleute weiter zur Mehrheitsbildung. 

Die Frauen

Sylvie Goulard: von Europa ins VerteidigungsministeriumBild: Getty ImagesAFP/C. Triballeau

Zum ersten Mal hatte ein französischer Präsident versprochen, die Hälfte der Kabinettsposten mit Frauen zu besetzen. Das hat Emmanuel Macron geschafft, wenn man die Staatssekretäre im Ministerrang mitrechnet –  dann sind 11 Frauen unter den 22 Ernannten. Den prominentesten Job hat die Europaabgeordnete Sylvie Goulard als neue Verteidigungsministerin, von der erwartet wird, dass sie die europäische Zusammenarbeit kräftig voran treibt. Ansonsten sind Gesundheit, Soziales, Kultur und unter anderem die Gleichstellung mit Frauen besetzt; auf den echten Machtpositionen finden sich weiterhin Männer.  

Der Coup

Nicolas Hulot: Frankreichs bekanntester UmweltaktivistBild: /AFP/Getty Images/F. Guillot

Mit seinem Umweltminister ist Macron ein Coup gelungen: Nicolas Hulot ist ein langjähriger Umweltaktivist, der Ur-Grüne von Frankreich und ein ausgewiesener Querkopf. Er hat es immer abgelehnt, irgendeiner Regierung beizutreten. Allerdings werden auch schon Wetten abgeschlossen, wie lange er es im Kabinett von Macron aushält. Spätestens wenn eines seiner Hassprojekte, etwa der Flughafen in Notre-Dame-des-Landes auf den Tisch kommt, könnte er Türen schlagend den Saal verlassen. Hulot wird auch für Energie und damit die Nuklearwirtschaft in Frankreich zuständig sein - ein starkes Signal, das wohl auf einen schrittweisen Atomausstieg deutet. .

Ein Experiment

Das neue französische Kabinett ist ein Experiment, der Versuch, es einmal ganz anders zu machen. Macron hat nicht nur die politischen Lager und Generationen gemischt, sondern auch Experten ernannt, etwa eine Ärztin zur Gesundheitsministerin gemacht und ein paar Leute direkt aus der Wirtschaft berufen. Und er hat ein interessantes neues Amt erschaffen: einen Minister für Kohäsion, den Zusammenhalt zwischen Land und Stadt. Denn Emmauel Macron muss sich nur seinen eigenen Wahlerfolg ansehen um zu wissen, wie stark gespalten Frankreich ist: Er hatte Mehrheiten in allen Großstädten und im Westen Frankreichs. Im Norden und Süden und bei der Landbevölkerung lag der rechtsextreme Front National vorn.

Das Spannende ist jetzt, ob dieses bunt zusammengesetzte Kabinett miteinander arbeiten kann, ob Rechte und Linke Kompromisse schließen können, denn Frankreich hat bisher keine Tradition der Koalitionsbildung. Ob die Jungen von den Erfahrenen lernen und die Fachleute mit den Beamten in den Ministerien klar kommen. Und vor allem: Ob diese Regierung gemeinsame Ziele verfolgen kann und loyal gegenüber ihrem Präsidenten sein wird. Interessante Zeiten in Paris.