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Politik

Macrons Europa-Marsch

7. April 2018

Die Partei von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron hat offiziell ihren Europawahlkampf gestartet. Doch ob sie Franzosen und andere Europäer von ihren Ideen überzeugen kann, bleibt abzuwarten.

Frankreich Macron Europa-Marsch LREM Anhänger
Rund 50 Teilnehmer leiteten im 5. Arrondissement den Wahlkampf der Regierungspartei LREM einBild: DW/L. Louis

Die Sorbonne-Universität in Paris ist ein Ort mit Symbolkraft. Sie war oft zentraler Schauplatz von Frankreichs Studentenbewegungen - zum Beispiel während der 68er-Bewegung. Auch für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron soll dies ein Ort des Aufbruchs sein. Hier rief er vergangenen September in einer Rede dazu auf, Europa grundlegend zu reformieren.

An diesem Samstag treffen sich auf dem Platz vor der Universität rund 50 Menschen, um genau das konkret anzugehen. Sie starten den sogenannten "Marsch für Europa". Er soll die Menschen davon überzeugen, dass Europa etwas für sie tun kann. Und natürlich der Regierungspartei La République en Marche (LREM) helfen, die Europawahlen im Mai nächsten Jahres zu gewinnen. Aber ganz so einfach dürfte der Marsch nach Brüssel wohl kaum werden.

Der LREM-Abgeordnete Gilles Le Gendre beim Auftakt für den Europa-WahlkampfBild: DW/L. Louis

Gilles Le Gendres Augen glänzen förmlich vor Begeisterung. Er ist LREM-Abgeordneter des 5. Arrondissements und überzeugter Europäer. "Als wir vor zwei Jahren die Bewegung 'En Marche' initiiert haben, haben uns alle für verrückt erklärt", sagt er der DW. "Wir waren die einzige Partei, die in Europa eine Chance gesehen hat. Es war so, als wären wir das kleine gallische Dorf, in dem Asterix und Obelix Widerstand leisten. Aber wir haben diese verrückte Wette und den Präsidentschaftswahlkampf gewonnen!" Der eigentliche Kampf fange aber erst an. "Wir sind an einem kritischen Scheideweg: Wir können unseren Traum von einem besseren, reformierten Europa nur umsetzen, wenn wir es schaffen, die Franzosen und viele der 450 Millionen Europäer mitzureißen."

Erst Frankreich, dann Europa

Das will die Partei fertig bringen, indem sie zunächst die Franzosen fragt, was sie an Europa gut und schlecht finden. Die kleine Gruppe hier im schicken fünften Arrondissement in Paris ist nur eine von 1000, die landesweit von Tür zu Tür gehen und Fragebögen über eine Smartphone-App ausfüllen lassen. "Was funktioniert nicht an Europa?" oder auch "Hat Europa Einfluss auf Ihren Alltag?" steht dort. Fünf Wochen lang soll dieser Marsch dauern. Außerdem will die Partei Informationsveranstaltungen organisieren. Ab Mai und bis Oktober will man die Initiative dann ausweiten, mit Gesprächsrunden in ganz Europa. "Alle 27 Mitgliedsstaaten haben ihre Beteiligung zugesagt - selbst das europakritische Ungarn," sagt Le Gendre.

Macron hat für den Auftakt hochkarätige Verstärkung geschickt: Zehn seiner Minister laufen an diesem ersten Tag an verschiedenen Orten in Frankreich mit. Unserer Gruppe hat sich Marlène Schiappa angeschlossen, die Staatssekretärin für die Gleichstellung der Geschlechter. "Es ist wichtig, sich anzuhören, was die Menschen bewegt, und ihre Wünsche bei den Reformen einzubeziehen - dann werden sie sich auch mehr mit Europa identifizieren können," sagt sie im DW-Interview.

Marléne Schiappa (Mitte) marschiert mitBild: DW/L. Louis

Der Traum von einem besseren Europa sei erreichbar. Auf die Frage, ob denn nicht vielleicht Kanzlerin Angela Merkel die Europareformen blockieren könnte, will sie nicht antworten. "Jetzt fragen wir erst einmal die Franzosen nach ihrer Meinung," sagt sie.

Gegen Rechtspopulismus und Europa-Bashing

"Natürlich wird Macron nicht alles erreichen, was er in seiner Sorbonne-Rede angekündigt hat", sagt Nicolas Tenzer, der die Politik-Denkschmiede CERAP in Paris 13 leitet. Der Präsident hatte in der Sorbonne unter anderem dafür plädiert, der Eurozone ein eigenes Budget mit Finanzminister und eigener Regierung zu geben. "Aber wir werden sicher einen guten Kompromiss finden, zum Beispiel eine Mini-Regierung für die Eurozone." Der Marsch sei dabei durchaus wichtig. "Wenn wir die positiven Werte Europas vermitteln, werden sich die Europäer mehr für das Projekt begeistern. Damit können wir auch gegen Rechtspopulismus vorgehen. Und wir können diesem Europa-Bashing endlich ein Ende setzen."

In einem Hausflur treffen wir den 34-jährigen Pierre-Antoine Colombani. Er ist Vermögensverwalter in Paris und beantwortet bereitwillig die Fragen, die ihm Staatssekretärin Schiappa stellt. Sie ist mehr als anderthalb Stunden bei dem Marsch dabei - in der Regierungswelt eine schiere Ewigkeit.

Pierre-Antoine Colomban stellt sich den Fragen zur InformationskampagneBild: DW/L. Louis

Colombani ist klar für Europa. "Wir brauchen es, damit es unsere Interessen vertritt, zum Beispiel in Handelsangelegenheiten gegenüber China", sagt er. Dennoch werde der Marsch nicht reichen, um die Menschen zu überzeugen. "Wir bräuchten eine viel weiterreichende Informationskampagne, um wirklich etwas zu bewegen."

Enthusiasmus hat sich gelegt

Skeptisch ist auch Rémi Bourgeot, Ökonom und Europaexperte am Pariser Thinktank IRIS. Für ihn leben die Franzosen in einer Parallelwelt. "Hier herrscht diese Phantasievorstellung, dass Deutschland und Frankreich auf einer Linie in Sachen Europa liegen. Dabei ist doch völlig klar, dass Merkel dem Großteil der Vorschläge niemals zustimmen wird", sagt er. Diese Einsicht sei inzwischen auch bei internationalen Experten angekommen. "Nach der Wahl Macrons haben viele an ihn so sehr geglaubt. Ich war der Einzige, der in den Gesprächsrunden den Europareformen wenig Chancen eingeräumt hat. Inzwischen glauben selbst die sonst so optimistischen Italiener nicht mehr an die große Reform."

Bryan Vigie gehört zur Bewegung "Les Jeunes avec Macron" - "Die Jugend mit Macron" und glaubt an eine Europareform. Er macht bei der Informationskampagne mitBild: DW/L. Louis

Die Gruppe der Europabegeisterten will davon nichts hören. "Natürlich sind viele, mit denen wir heute reden, sehr kritisch", meint Bryan Vigie. "Aber dadurch, dass wir ihnen zuhören, gehen wir ja gerade auf ihre Sorgen ein. Ich glaube, dass wir sie langfristig schon werden überzeugen können."