Am 10. April beginnt in Frankreich die Präsidentschaftswahl. Amtsinhaber Macron lässt sich bei seinem einzigen großen Wahlkampfauftritt wie ein Popstar feiern. Ein fulminanter Auftritt, Liebeserklärung inklusive.
Anzeige
Gut eine Woche vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat Staatschef Emmanuel Macron mehr soziale Gerechtigkeit und Kaufkrafthilfen in der aktuellen Krise in Aussicht gestellt. "Unser Projekt für 2022, das ist Solidarität und sozialer Fortschrit", sagte Macron vor zehntausenden Anhängern in Nanterre bei Paris bei seinem einzigen großen Auftritt vor der ersten Runde der Wahl.
"Franzosen, die arbeiten, sollen nicht ihr ganzes Gehalt in Tankfüllungen und Einkäufe stecken, das ist ungerecht." Ab dem Sommer sollten Beschäftigte eine steuerfreie Kaufkraftprämie von bis zu 6000 Euro erhalten können, sagte der 44-jährige Mitte-Politiker, der für eine zweite Amtszeit kandidiert. Auch Selbstständigen stellte er mehr Geld in Aussicht. Weitere Investitionen und Verbesserungen kündigte Macron für das Gesundheits- und Bildungswesen an. Die Mindestrente solle künftig nach einer vollständigen Berufstätigkeit bei 1100 Euro liegen. Die Hilfen für alleinerziehende Eltern sollten erhöht werden.
Franzosen sollen länger arbeiten
Um die angekündigte Stärkung des Sozialstaates sowie weitere Steuersenkungen zu finanzieren, schwor Macron die Franzosen bei seinem Wahlkampfauftritt auf eine Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 65 Jahre ein. Ein Sozial- und Wohlfahrtsstaat sei nicht möglich, wenn der Staat nicht produziere und Reichtum schaffe. "Wir müssen mehr arbeiten." Erstmals seit den 1970er Jahren sei es in Frankreich wieder möglich, die Vollbeschäftigung zu erreichen.
Präsidentschaftswahl und Ukraine-Krieg
04:31
Macron legte außerdem ein flammendes Bekenntnis für Europa ab. Europa sei bestens dafür gerüstet, die mit dem Ukraine-Krieg drohende Ernährungskrise zu bekämpfen und die Klimakrise zu meistern. "Wir sind stolz, Europäer zu sein und die Europa-Flagge neben unserer Nationalfahne wehen zu lassen." Zugleich setze Frankreich auf eine unabhängige Politik, den Austausch mit anderen Staaten und die Bildung neuer Allianzen.
Anzeige
Warnung vor dem Brexit-Effekt
Wegen seiner diplomatischen Bemühungen im Ukraine-Krieg war Macron spät in den Wahlkampf eingestiegen. In den Umfragen liegt er klar vorne, seine Hauptherausforderin, die Rechtspopulistin Marine Le Pen, hat zuletzt aber kräftig aufgeholt. Eine Umfrage für die Zeitung "Le Journal du Dimanche" sah Macron am Samstag bei 27 Prozent und Le Pen bei 22 Prozent.
Macron warnte vor einem Brexit-Effekt bei den Wahlen. "Wir sollten genau hinschauen, was bei der Brexitabstimmung in Großbritannien passierte - und auch bei vielen anderen Wahlen. Was unmöglich erschien, wurde wahr." Macron rief seinen fahnenschwingenden Anhängern zu: "Nichts ist unmöglich".
Liebeserklärung vor zehntausend Zeugen
Der wohl emotionalste Moment des Auftritts Macrons galt aber seiner wohl treuesten Anhängerin. Während der Rede in der vollbesetzten Sportarena hatte Macron zunächst seinen Eltern gedankt, die mit im Saal saßen.
Danach würdigte er "die Anwesenheit von derjenigen, die mir am wichtigsten ist, die mir am meisten bringt in diesem einzigartigen Abenteuer des Lebens – Brigitte". Die Anhänger - einschließlich des Regierungskabinetts und Macrons Frau - reagierten mit viel Applaus. Danach hauchte Brigitte ihrem Mann unter tosendem Jubel einen Handkuss zu.
Wer wird Frankreichs nächster Präsident?
Jetzt hat auch der Amtsinhaber seinen Hut in den Ring geworfen. Staatspräsident Emmanuel Macron bewirbt sich für eine zweite Amtszeit. Von den Herausforderern können ihm vor allem Frauen gefährlich werden. Ein Überblick.
Bild: Geoffroy vander Hasselt//AFP/Getty Images
Viele Hürden vor dem Einzug in den Élysée
Mehr als ein Dutzend Kandidaten wollen Emmanuel Macron im Frühjahr im Elysée-Palast ablösen. Ob sie alle tatsächlich zur ersten Runde am 10. April antreten dürfen, entscheidet sich aber erst Anfang März. Bis dahin muss jeder Kandidat 500 Unterstützer-Unterschriften von Mandatsträgern (Abgeordneten, Bürgermeistern etc.) vorweisen.
Bild: LUDOVIC MARIN/AFP/Getty Images
Große Hürde für kleine Kandidaten
Vor allem für Kandidaten von Splitterparteien oder Politiker, die keiner Partei angehören, können die Unterstützer-Unterschriften zur unüberwindbaren Hürde werden. Bei jeder Präsidentenwahl lichtet sich das Feld zu dem Zeitpunkt, wenn die Unterschriften eingereicht werden müssen. Wer ab Mai der neue Chef im Elysée-Palast wird, entscheidet sich aber ohnehin erst in der Stichwahl am 24. April.
Bild: Lionel Bonaventure/AFP
Amtsinhaber Emmanuel Macron: der Favorit
Emmanuel Macron führt in den Umfragen seit Monaten mit einem Abstand von bis zu zehn Prozentpunkten. Ihm dürfte der Einzug in die Stichwahl kaum zu nehmen sein. Im Vergleich zu seinen Vorgängern genießt der 44-Jährige zum Ende seiner Amtszeit gute Sympathiewerte. Dass Macron erst wenige Wochen vor der Wahl seine Kandidatur verkündete, hatte taktische Gründe…
Bild: Bertrand Guay/AFP/Getty Images
Staatsmann bis zum Wahlkampf
…bis zur Kandidatur konnte Macron noch als Präsident wirken – ohne auf die Regeln für die Medienpräsenz der Kandidaten in Frankreich Rücksicht nehmen zu müssen. Macrons Reformbilanz gilt als durchwachsen. Nach den Gelbwesten-Protesten erlahmte sein Reformeifer. Bei den Wählern punkten will der Präsident unter anderem mit der zuletzt positiven wirtschaftlichen Entwicklung.
Bild: Martin Bureau/AFP/dpa/picture alliance
Marine Le Pen: dritter (und letzter) Anlauf?
Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National stand Macron schon vor fünf Jahren in der Stichwahl gegenüber. Die Rechtspopulistin, die sich um ein gemäßigteres Auftreten bemüht, war nach einem verpatzten TV-Duell Macron deutlich unterlegen. Nur 34 Prozent der Wähler stimmten 2017 für sie. Der dritte Anlauf für den Elysée könnte für Le Pen die letzte Chance sein, Präsidentin zu werden.
Bild: Stephane de Sakutin/AFP/Getty Images
Valérie Pécresse: die unbequeme Gegnerin
In den Umfragen kämpft Valérie Pécresse mit Marine Le Pen um den zweiten Platz hinter Macron. Die 54-Jährige gewann im Dezember die parteiinterne Vorwahl der Sarkozy-Partei Les Républicains. Pécresse amtiert seit 2015 als Präsidentin des Regionalrats der Hauptstadtregion und diente dem Land auch schon als Ministerin. In einer Stichwahl gegen Macron hätte die Bürgerliche bessere Chancen als Le Pen.
Bild: Thierry Chesnot/Getty Images
Eric Zemmour: der Polemiker
Mit dem rechtsextremen Publizisten Eric Zemmour kommt neben Marine Le Pen ein weiterer Bewerber vom rechten Rand auf zweistellige Umfragewerte. Zemmour zeichnet ein düsteren Bild der Lage Frankreichs und ist vor allem bekannt für seine islamfeindlichen Thesen. Im Januar wurde der 63-Jährige zum wiederholten Male von einem Gericht wegen Volksverhetzung verurteilt.
Bild: Bertrand Guay/AFP/Getty Images
Jean-Luc Mélenchon: der Wortgewaltige
Wie Marine Le Pen unternimmt auch Jean-Luc Mélenchon bereits den dritten Anlauf für den Elysée. Vor fünf Jahren hatte der 70-Jährige mit Platz vier einen Achtungserfolg erzielt. Der wortgewaltige Politiker sieht sich als eigentlicher Oppositionsführer im Parlament. Ursprünglich stammt Mélenchon aus der Sozialistischen Partei, doch mit La France Insoumise führt er heute seine eigene Bewegung.
Bild: Thomas Samson/AFP/Getty Images
Yannick Jadot: der Pragmatische
Bei Kommunalwahlen konnten die Grünen zuletzt in Frankreich mehrere Rathäuser in großen Städten erobern. Doch auf nationaler Ebene hat die Partei aktuell keinen bestimmenden Einfluss. Mit Yannick Jadot schicken die Grünen nach einer Urwahl einen Pragmatiker ins Rennen. Der 54-Jahre alte Europaabgeordnete genießt auch bei sozialdemokratischen Wählern Unterstützung.
Bild: Joel Saget/AFP/Getty Images
Christiane Taubira: die linke Ikone
Die frühere sozialistische Justizministerin erweiterte unlängst das ohnehin schon breite Feld an linken Bewerbern. Schon 2002 kandidierte die heute 69-Jährige für den Elysée-Palast. Die Politikerin ist den Franzosen vor allem dadurch bekannt, dass sie die Ehe für Homosexuelle öffnete. Trotz ihres Status als "linke Ikone" liegt sie in Umfragen aktuell unter fünf Prozent.
Bild: Jean-Philippe Ksiazek/AFP/Getty Images
Anne Hidalgo: Kandidatin in der Krise
Was der Konservative Jacques Chirac 1995 geschafft hat, soll auch Anne Hidalgo gelingen: Die sozialistische Bürgermeisterin von Paris will vom Rathaus der Hauptstadt direkt in den Elysée-Palast wechseln. Noch 2021 galt die in Spanien geborene Politikerin als aussichtsreichste Bewerberin des Parti Socialiste, doch mit Umfragewerten von unter fünf Prozent ist sie im Bewerberfeld weit abgeschlagen.
Bild: Franck Fife/AFP/Getty Images
Fabien Roussel: Tradition verpflichtet
Wie bei fast allen Präsidentenwahlen der V. Republik schicken die Kommunisten auch 2022 wieder einen eigenen Kandidaten ins Rennen. Die Pläne des 52-jährigen Abgeordneten gleichen denen seiner Vorgänger: Er will die Vermögenssteuer erhöhen und die Kaufkraft der Franzosen mit staatlicher Unterstützung steigern. Der französische KP-Chef dürfte am 10. April am unteren Ende des Bewerberfelds landen.