Madagaskar: Militär verkündet Machtübernahme
14. Oktober 2025
Eine Eliteeinheit der Streitkräfte Madagaskars hat nach eigenen Angaben die Führung im Land übernommen. Oberst Michael Randrianirina, Kommandeur der Spezialeinheit CAPSAT, sagte vor dem Präsidentenpalast in der Hauptstadt Antananarivo: "Wir ergreifen die Macht." Die Verfassung sei ausgesetzt, ein Präsidentschaftsrat aus Angehörigen der Armee und Gendarmerie eingesetzt worden. Das Unterhaus des Parlaments arbeite weiter, so Randrianirina.
Nach Angaben des Militärs soll ein Oberster Gerichtshof für Reformen eingerichtet werden. Innerhalb von zwei Jahren solle ein Referendum abgehalten werden. "Wir werden einen Premierminister ernennen, der rasch eine Zivilregierung bilden wird", hieß es weiter.
Die CAPSAT-Einheit hatte sich bereits am Wochenende an die Seite der Protestierenden gestellt und erklärt, sie habe die Kontrolle über die Land-, Luft- und Seestreitkräfte des Inselstaates vor der Ostküste Afrikas übernommen. Viele Soldaten schlossen sich zuletzt den seit drei Wochen demonstrierenden jungen Menschen an. Auch die paramilitärische Gendarmerie und die Polizei sagten sich von Präsident Andry Nirina Rajoelina los.
Kurz vor der Ankündigung des Militärs zur Machtübernahme hatten die Abgeordneten der Nationalversammlung von Madagaskar für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rajoelina gestimmt. Dieser wiederum hatte wenige Stunden zuvor auf seinem Profil auf der Online-Plattform X die Auflösung des Parlaments per Dekret erklärt. Damit wolle er den Weg für Neuwahlen ebnen, die frühestens in 60 Tagen stattfinden könnten, so der 51-Jährige. "Die Menschen müssen wieder gehört werden. Es ist Zeit für die Jugend", erklärte Rajoelina.
Aufenthaltsort Rajoelinas weiter unbekannt
Wo sich der entmachtete Präsident aufhält, ist unbekannt. Er hatte am Montagabend in einer live übertragenen Videoansprache mitgeteilt, er habe sich an einen sicheren Ort begeben müssen, um sein Leben zu schützen. Einem Bericht des französischen Rundfunksenders RFI zufolge war er bereits am Sonntag an Bord einer französischen Militärmaschine ausgeflogen worden. Rajoelina hatte 2014 die französische Staatsbürgerschaft erhalten.
Das Präsidialamt verurteilte am Abend den "Putschversuch" der CAPSAT-Eliteeinheit. "Der Präsident der Republik bleibt voll im Amt und gewährleistet, dass die verfassungsgemäße Ordnung und die nationale Stabilität aufrechterhalten werden", hieß es in einer Stellungnahme.
Auslöser der Proteste in Madagaskar waren wiederholte lange Ausfälle der Strom- und Trinkwasserversorgung. Außerdem protestierten die Menschen gegen Missstände im Bildungssystem sowie gegen die hohe Arbeitslosigkeit und weit verbreitete Armut.
Protestierende bezeichnen Rajoelina als Marionette Frankreichs
Auch an diesem Dienstag versammelten sich in Antananarivo Tausende Menschen auf dem Platz des 13. Mai. Sie tanzten und schwenkten Spruchbänder, auf denen Rajoelina wegen seiner doppelten Staatsbürgerschaft und der Unterstützung durch die ehemalige Kolonialmacht Frankreich als deren Marionette bezeichnet wurde.
Die Sicherheitskräfte gingen immer wieder mit Gewalt gegen die Demonstranten in Madagaskar vor. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden allein bis zur ersten Oktoberwoche mindestens 22 Menschen getötet.
Madagaskar mit seinen 32 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Drei Viertel der Bevölkerung leben in Armut. Das Durchschnittsalter liegt bei unter 20 Jahren.
se/ehl (afp, dpa, rtr, epd)