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Madame Le Pen lässt bitten

Andreas Noll, Brüssel29. Mai 2014

Welche langfristigen Folgen hat der Erfolg der Rechtspopulisten bei der Europawahl für die EU? Marine Le Pen und ihre Verbündeten haben in Brüssel darauf erste Antworten gegeben. Und heftigen Widerstand geerntet.

Marine Le Pen in Brüssel (Foto: DW/A. Noll)
Bild: DW/A. Noll

Sie müsste diesen Auftritt eigentlich ablehnen. Marine Le Pen möchte die Europäische Union verlassen, macht aus ihrer Verachtung des Europäischen Parlaments keinen Hehl und will mit Brüssel so wenig wie möglich zu tun haben. Aber drei Tage nach dem fulminanten Wahlsieg ihres "Front National" in Frankreich genießt die Parteichefin ganz offensichtlich die europäische Bühne, spricht von einem "historischen Wahlergebnis". In den größten Pressesaal des Parlaments hat sie geladen - und ihn problemlos gefüllt. Bodyguards postieren sich um das Podium, auf dem auch noch ihre zukünftigen politischen Partner Platz genommen haben. Marine Le Pen sitzt in der Mitte und beherrscht die Runde von der ersten Minute an.

Sogar der weit über die Niederlande bekannte und einflussreiche Geert Wilders von der "Partei für die Freiheit" (PVV) wirkt neben der vor Selbstbewusstsein strotzenden Le Pen wie ein kleiner Schuljunge. Die Vertreter von der "Freiheitlich Partei Österreichs" (FPÖ), der italienischen "Lega Nord" und dem belgischen "Vlaams Belang" werden beinahe zu Statisten degradiert.

Sehen sich als Sieger der Europawahlen: FN-Chefin Le Pen und Geert Wilders von der PVVBild: DW/A. Noll

Natürlich ist es auch Le Pen, die die Botschaft des Tages verkündet: Die EU-Kritiker hätten nicht nur die Wahlen gewonnen, sondern auch beste Aussichten, die Arbeit des Parlamentes zu beeinflussen wie nie zuvor in der Geschichte. Von 38 Abgeordneten ist die Rede, die sich unter ihrer Führung in einer neuen Fraktion zusammenschließen würden - aus insgesamt fünf Ländern. Weil das aber nicht reicht, um im Europaparlament eine Fraktion zu bilden, kündigt sie weitere Zugänge an. Die notwendigen Abgeordneten aus zwei weiteren EU-Staaten werde man in wenigen Wochen präsentieren. An der Bildung einer eigenen Fraktion, die Le Pen dann mehr Einfluss im Parlament sichern würde, lässt sie keine Zweifel.

Marine Le Pen als "Königin Europas"

Dabei ist bislang völlig unklar, wer noch zu den Rechtspopulisten stoßen könnte. Der britische Wahlsieger Nigel Farage von der "United Kingdom Independent Party" (UKIP) kämpft zwar ebenfalls für einen Austritt aus der EU, lehnt aber eine Zusammenarbeit mit Le Pen genauso ab wie die EU-kritische "Alternative für Deutschland" (AfD). Auch die als mögliche Partner gehandelten Schwedendemokraten halten sich derzeit zurück. Die rechtsextremistische "Jobbik"-Partei aus Ungarn und die neonazistische "Goldene Morgenröte" aus Griechenland möchte wiederum Le Pen nicht in der Fraktion haben, wie sie in Brüssel klarstellt. Doch Zweifel an ihrem Projekt wischt sie mit einem Federstrich beiseite: "Wir haben überhaupt keine Zweifel, dass sich diese Fraktion bilden wird."

Hier im EU-Parlament präsentiert sich Le Pen als "Königin Europas", die mit ihrer Bewegung den etablierten Parteien überlegen ist. "Wir sind die einzige Partei, die eine kohärente Politik verfolgt", erklärt die FN-Chefin. Dabei wird an diesem Nachmittag schnell deutlich, dass die fünf Partner mindestens genauso viel trennt wie verbindet. Das gemeinsame Ziel des "Bündnisses der Souveränisten" ist die Stärkung der Nationalstaaten und der Kampf gegen Immigration in Europa.

Aber wie sie mit der nun einmal real existierenden Europäischen Union und dem Euro umgehen sollen, das sehen alle irgendwie anders. Während Le Pen den Euro abschaffen und einen neuen Franc drastisch abwerten möchte, um so die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie zu verbessern, verlangt ihr Partner von der FPÖ derart radikale Lösungen nicht. Im Gegenteil: Den aus Sicht Le Pens viel zu starken Euro möchte der FPÖ-Generalsekretär konsolidieren: "Wenn ein stabilisierter Euro eine Erfolgswährung wird, dann glaube ich auch, dass der Rückhalt in der Bevölkerung da ist."

Fünf Parteien aus fünf Ländern haben sich auf eine Zusammenarbeit geeinigtBild: DW/A. Noll

Unterschiedliche Konzepte in der Fraktion

Nicht nur radikalen Euro-Lösungen erteilt der FPÖ-Vertreter eine Absage. Auch die EU muss aus seiner Perspektive reformiert, aber nicht abgeschafft werden. Und sogar bei der Suche nach Verbündeten arbeiten die Parteien offensichtlich nicht eng zusammen. Auf die Frage nach einer möglichen Kooperation mit der Partei des ehemaligen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus verzieht Le Pen verachtend die Miene, muss sich dann aber von ihrem Nachbarn Wilders korrigieren lassen. Ja, er habe im vergangenen Jahr Vaclav Klaus getroffen, um eine Zusammenarbeit auszuloten - aber das habe man schließlich nicht weiterverfolgt.

Doch viele solcher Momente, in denen die Unterschiede zwischen den Partnern deutlich werden können, gibt es nicht. Es ist Marine Le Pen, die den Großteil der Pressekonferenz im Alleingang bestreitet. Auch weil sich die meisten Fragen an sie richten. Doch das hier ein Bündnis unter Gleichen geschlossen wird, ist schwer vorstellbar.

Mit Le Pen gibt es Konfrontation statt Dialog

Marine Le Pen, die das politische Establishment in ihrem Land der permanenten Lüge bezichtigt, ist offensichtlich nicht für einen Dialog nach Brüssel gekommen. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs am Vortag nennt sie einen eilig einberufenen Krisengipfel, den das Abschneiden ihrer Partei nötig gemacht habe. Als ein Journalist einwirft, dass der Termin Monate im voraus feststand, blafft sie ungehalten zurück. Die PVV erklärt Le Pen - im Widerspruch zum Wahlergebnis – zur zweiten Kraft in den Niederlanden. Auch das korrigiert sie auf Nachfrage nicht. Auf die Frage eines Journalisten nach ihrer parlamentarischen Arbeit in Brüssel und Straßburg, die in den vergangenen fünf Jahren keinen sichtbaren Niederschlag gehabt habe, reagiert sie mit einer Beleidigung des Fragestellers.

Marine Le Pen setzt auf Konfrontation statt Dialog. Und könnte damit paradoxerweise sogar den "Pro-Europäern" Auftrieb verleihen. Experten gehen davon aus, dass das Erstarken der Rechtspopulisten die EU-freundlichen Parteien im Parlament noch enger zusammenschweißen wird. Womöglich sorgt der Erfolg von Le Pen und Co. aber auch für einen Politisierungsschub in der EU-Hauptstadt. Gegen die kurzfristig einberufene Pressekonferenz der Rechtspopulisten protestierten vor dem Brüsseler Parlament rund 2000 Demonstranten lautstark.

Proteste gegen die Rechtspopulisten: Rund 2000 Demonstranten zogen vor das ParlamentBild: DW/A. Noll
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