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Madame Tussauds kommt nach Berlin

Ruth Rach26. Juni 2008

Angela Merkel friedlich vereint mit Saddam Hussein und Elvis Presley. Wenn das Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud am 9. Juli seine Filiale in Berlin eröffnet, wird es dort aussehen wie im Londoner Mutterhaus.

Wachsfigur von Marlene Dietrich mit Zylinder und Zigarette
Hat bald nicht nur einen Koffer, sondern auch eine Wachsfigur in Berlin: Marlene DietrichBild: picture-alliance/ dpa
Saddam Hussein zum AnfassenBild: AP

Die Londoner Straßenecke Baker Street/Marylebone ist ein Wallfahrtsort für all jene, die dem Kult der Berühmtheiten ergeben sind. Gleich vor der viktorianischen U-Bahnstation steht eine massive Bronzestatue von Sherlock Holmes. Die größte erfundene Berühmtheit. Die lange Schlange, die sich unter den starren Augen des Roman-Detektivs formiert, strebt zum Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds. Ein Muss für jeden London-Besucher – schon seit über hundert Jahren. Die Besucher freuen sich auf die Abbilder von Marylin Monroe und Elvis Presley.

Seit neuestem stehen die Wachsfiguren mitten im Publikum. Ohne Absperrung. Ein hautnahes Erlebnis. Besuchermassen rempeln, schieben, drängeln. Leonardo di Caprio und Tom Cruise starren glasig ins Gemenge. Victoria Beckham steckt ihr Stupsnäschen in die Luft, Ehemann David blickt ins Leere. Manchmal stoßen die Lebenden gegen eine ihrer Ikonen. Sie zucken zusammen, bitten bisweilen sogar um Entschuldigung. Die Figuren wirken lebensecht und sind doch aufs Gruseligste künstlich. Schauspielerin Nicole Kidman ist erst seit Dezember hier. Ihre Augen sind aus Akrylharz. Und die kleinen Äderchen neben den Pupillen haben wir mit roter Seide nachgestickt.

500 Vermessungen, 300 Fotos

Kein großer Unterschied zum Original: Die Wachsfigur von Paris HiltonBild: AP

Kieran Wright führt durch Madame Tussauds. Ein junger lebensfroher Australier. Jeder Raum hat ein Thema: Stardom, Kulturzone, Politik, und Bollywood. Nach welchen Kriterien die Stars und Politiker für Madame Tussauds ausgewählt werden, will Kieran Wright nicht verraten. Dafür sei eine Fokusgruppe verantwortlich. Vor kurzem gab’s Gerüchte, dass der britische Premierminister Gordon Brown als neuestes Exponat in Erwägung gezogen, dann aber wieder verworfen wurde. Doch dazu kann sich Kieran Wright erst recht nicht äußern. Und welche Figuren werden demnächst auch in der Berliner Ausstellung zu sehen sein? No comment.

Mit Informationen über den Herstellungsprozess ist der junge Mann hingegen großzügig. "Für eine neue Figur brauchen wir etwa 500 Vermessungen, und 300 Fotos", erklärt er. "Normalerweise besuchen wir die berühmte Person. Mitarbeiter seien eigens in die Karibik geflogen, um ein paar Tage mit Johnny Depp und Orlando Bloom zu verbringen, die dort gerade den Film "Fluch der Karibik" drehten.

Jeden Morgen frisch gestylt

Der Wachs-Beckham wird regelmäßig frisisertBild: AP

Viele Berühmtheiten spenden Kleidung und Accessoires, und wählen ihre eigenen Posen. Weniger Einfluss haben sie auf ihre Nachbarfiguren. Das führt zu surrealen Konstellationen, besonders im Raum der Politiker. Saddam Hussein steht direkt neben Andreas Papandreou und Fidel Castro. Hinter einem Rednerpult Angela Merkel, freundlich, einnehmend im feschen blauen Kostüm. Nur Adolf Hitler steht klein und verloren in einer eigenen Ecke.

In der Adelshalle findet man Königin Elisabeth. Links von ihr, in gebührendem Abstand : Prinzessin Diana, die Königin der Herzen. Schräg gegenüber, im trauten Quartett: Prinz Charles, Camilla, und die zwei Prinzen. Charles strahlt. Vielleicht, weil er ganz aus recyceltem Material besteht. Oder weil er ungewöhnlich viel Haar auf dem Kopf hat. "Wir waschen sein Haar, mit den besten Produkten" erklärt Kieran Wright. "Die Figuren werden jeden Morgen inspiziert: manchmal fehlt ein Stück Ohr, oder sie haben einen Kratzer. Dann werden sie im Atelier frisch durchgestylt."

Wachsabdrücke von Hingerichteten

Madame Tussauds hat auch ein Gruselkabinett. Hier stehen Folterräder, ein Schafott. Massenmörder in authentischer Kleidung. "Viele Serienmörder haben ihre Habseligkeiten Madame Tussauds vermacht, um ihre Anwaltskosten zu bezahlen", erläutert Kieran Wright. Zum Beispiel Denis Nielson, der Muswell Hill Mörder. Als Gegenleistung habe man sich verpflichtet, sein Haar jeden Morgen auf ganz bestimmte Weise zu kämmen.

Im letzten Raum, eine kleine Figur, ganz in Schwarz. Ihre Augen glänzen wie Vogelbeeren. Es ist Madame Tussaud, kurz vor ihrem Tod. Madame Tussaud wurde während der Französischen Revolution gezwungen, Wachsabdrücke von den Köpfen der Hingerichteten zu machen. In einem einfachen Glaskabinett liegen vier abgetrennte Köpfe aus Wachs, unter ihnen Marie Antoinette. Ihre Augen sind geschlossen, am Mund ein vertrocknetes Blutgerinnsel. Ihr Anblick rührt mehr ans Herz als die lauteste Schreckenskammer. Die Abdrücke der Hingerichteten - nach ihrem Tod gemacht - wirken lebendiger als alle anderen. Welch ein Paradox.

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