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Eine Orgel verbindet die Städte Bonn und León

Cristina Burack ka
20. April 2019

Zu Ostern wird die Orgel der Kathedrale im spanischen León wieder Kirchgänger mit ihrem melodischen Brausen beeindrucken. Gebaut wurde sie in Bonn. Nicht nur für DW-Autorin Cristina Burack eine ganz besondere Verbindung.

Leon Cathedral Organ: Made in Germany, Heard in Spain - The pipes among stained-glass windows
Bild: DW/C. Burack

Etwa 1.600 km liegen zwischen Bonn am Rhein und León im Nordwesten Spaniens. Doch die Städte sind verbunden durch rund 4.130 Röhren aus Holz und Zinn: Orgelpfeifen. Und die werden an jedem Tag des Osterwochenendes die gotische Kathedrale von Leon wieder mit Klang erfüllen, der von ihrem Kalksteingewölbe widerhallt, während Kirchgänger aus der ganzen Welt die leuchtenden Buntglasfenster des Altarraumes bewundern.

Ich lebe jetzt in Bonn, aber ich kenne auch León sehr gut: Verwandte von mir leben dort, und die Stadt ist für mich wie eine zweite Heimat. Ich war schon viele Male in der Kathedrale, habe sogar schon zur Hochzeit einer Freundin darin gesungen. Aber ich habe erst kürzlich erfahren, dass die dortige Orgel eine Klais-Orgel ist: gebaut in Bonn, in der Werkstatt des weltbekannten Familienbetriebs Johannes Klais Orgelbau - nur wenige Straßen entfernt von meiner Wohnung!

Das bunte Licht der Glasfenster spiegelt sich in den OrgelpfeifenBild: DW/C. Burack

Diese in Bonn gebaute, in León ansässige Orgel schien mir wie eine unsichtbare Verbindung zwischen zwei Städten zu sein, die sich für mich wie zwei komplett getrennte Welten anfühlen. Ich weiß natürlich, dass die Bereitstellung eines Produktes - sei es ein Instrument oder etwas anderes - von einem Unternehmen für einen Kunden in einem anderen Land letztlich nur ein Geschäftsvorgang ist. Oder etwa nicht? Ich beschloss, es herauszufinden.

Für die Kathedrale nur das Beste

Zunächst ging ich in die Kathedrale, um die dortigen Verantwortlichen zu fragen, wie sie zu der Klais-Orgel kamen. Sie ist ein relativ junges Instrument, das erst vor sechs Jahren eine ältere Orgel ersetzte, die für das jährlich in der Kathedrale stattfindende internationale Orgelfestival nicht mehr geeignet war. Das Festival lockt seit 35 Jahren die besten Organisten der Welt in die Stadt.

Die vorherige Orgel "wurde als nicht ausreichend für das Festival angesehen, also brauchten wir eine neue", erklärt mir der Domverwalter und Priester Mario Gonzalez in seinem Büro. Die Orgel wird häufig bespielt: Zusätzlich zum Festival erklinge sie außer zu den Sonntagsmessen noch an besonderen liturgischen Tagen, wie zum Beispiel in der Karwoche, und für etwa 70 bis 80 Hochzeiten jedes Jahr, erzählt Gonzalez. 

Die gotische Kathedrale Santa María de Regla von León Bild: picture-alliance/prisma/R. J. Fuste

Für die Kathedrale sei nur das Beste gut genug. "Es war wichtig, dass die Orgel von einem erstklassigen Orgelbauer hergestellt wurde, dessen Orgeln an vielen wichtigen Orten stehen", sagt Gonzalez. Aber es gibt viele Orgelbauer auf der ganzen Welt, und obwohl Deutschland für sein Orgelbau-Handwerk berühmt ist, bleibt die Frage: Warum haben sich die Verantwortlichen für die Bonner Firma Klais entschieden?

Ein "großer Traum" geht in Erfüllung

Hier kommt Jean Guillou ins Spiel: Der 1930 geborene, kürzlich verstorbene französische Organist und Komponist revolutionierte die Orgelwelt mit seinen neuen Konstruktions- und Klangideen. "Ich halte ihn für einen der größten Orgel-Visionäre unserer Zeit", erzählt mir Philipp Klais.

Ich treffe ihn in der Werkstatt von Johannes Klais Orgelbau in Bonn, benannt nach seinem Urgroßvater. Es stellt sich heraus, dass die León-Bonn-Verbindung über Frankreich verläuft, da Guillou an der Planung der neuen Orgel entscheidend beteiligt war. Philipp Klais erzählt, wie eine Musikstiftung in Leon, die auf das neue Instrument drang, Guillou an Bord geholt habe; Gonzalez hatte mir vorher gesagt, er glaube, dass Guillou wiederum die Firma Klais dafür vorschlug, das Instrument zu bauen.

Die Firma Klais Orgelbau in Bonn - weithin zu erkennen an dem beeindruckenden FassadenbildBild: DW/C. Burack

Klais, Orgelbauer in vierter Generation, beschreibt, wie "traumhaft" es war, mit dem warmherzigen Guillou zusammenzuarbeiten. Mehrfach bezeichnet er auch das ganze Projekt als "großen Traum" - und als eines, das Jahrzehnte brauchte, bis es realisiert wurde. "Ich war das erste Mal im Jahr 1987 oder '88 zusammen mit meinem Vater in León", sagt Klais. Er beschreibt, wie zuerst sein Vater, dann er selbst über 20 Jahre den Kontakt zur Kathedrale pflegte, bevor er 2010 schließlich den Auftrag erhielt.

Rappelvolle Kathedrale

Noch heute spüre er eine "unendlich starke Verbindung nach León", sagt der Orgelbauer. Das liegt womöglich an der Art, wie die Orgel in León Menschen zusammenbringt. "Was mich begeistert: Wenn das Orgelfestival stattfindet, dann stehen Menschen vorher, zwei, zweieinhalb Stunden an", erklärt er. "Und das sind nicht fünf hochspezialisierte Orgelexperten, sondern da stehen 1.000, 1.500 Leóner an, die vielleicht, wenn man sie einzeln befragte, sagen würden, 'von Musik verstehe ich nichts, aber ich mag die Kathedrale. Ich mag, was an Musik hier von fantastischen Organisten zum Ohr gebracht wird. Und es ist für mich ein Stück meiner Heimat geworden.'"

Made in Germany: Die Klais-Orgel in León Bild: DW/C. Burack

Zu einer Art Heimat wurde auch León für das Team der Bonner Orgelbauer, als sie vor Ort an der Installation des Instruments arbeiteten. Sie nannten sogar eine der spanischen Frauen, Marta Martinez, die am Projekt mitarbeitete, "Mama", erzählt Klais: "Meine Mitarbeiter nennen sie "Mama Marta", weil sie sich um die Bedürfnisse jedes einzelnen gekümmert hat. Wenn jemand einen Schnupfen hatte oder wenn jemand hingefallen war, wenn irgendetwas passiert war, war immer Mama Marta da."

Jean Guillou weihte die neue Orgel im September 2013 ein. "Die Kathedrale war rappelvoll, überall standen Stühle", erinnert sich Domverwalter Mario Gonzalez. 

Großes Glücksgefühl

Philipp Klais ist bei Einweihungskonzerten grundsätzlich zu nervös, um sie zu genießen. Aber er erinnert sich daran, wie ein überwältigendes Glücksgefühl die gewaltige Kathedrale erfüllte, nachdem die letzte Note verklungen war. "Man spürte, wie viel menschliche Wärme der Musik von Jean Guillou, dem Interpreten selbst, aber auch dem Instrument entgegengebracht wurde", erzählt er.

DW-Autorin Cristina BurackBild: DW/P. Böll

Einer seiner Mitarbeiter kehrt einmal im Jahr nach León zurück, um Wartungsarbeiten an der Orgel durchzuführen. Und Philipp Klais selbst reiste 2018 nach León, um am Konzert zum 5-jährigen Jubiläum der Orgel teilzunehmen. "Da habe ich es von der ersten bis zur letzten Minute genossen", sagt er, flüsternd, wie man es macht, wenn man sich an einen besonderen Moment erinnert. Auch viele seiner Mitarbeiter nahmen privat teil. Einige verbringen sogar weiterhin ihren Urlaub in León. "Das finde ich sehr schön", fügt Klais hinzu.

Auch ich finde sie schön, diese dauerhafte Anziehungskraft. Die Orgel ist zu einem Stück Heimat geworden - für Menschen in Bonn und in León. Und für mich persönlich bedeutet es, dass ich auch ein Stück beider Städte, die ich mein Zuhause nenne, in der jeweils anderen finden kann.

Deutscher Orgelbau ist Weltkulturerbe

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