Made in Germany - Wie Künstler in Deutschland produzieren
2. Juni 2017
"Produktion. Made in Germany Drei" - noch vor der documenta will eine museumsübergreifende Ausstellung das Kunstpublikum nach Hannover locken. Dabei lenkt sie den Blick auf die Kunstherstellung in Deutschland.
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Die Kunst der Produktion in Deutschland
Wie Künstler in Deutschland heute arbeiten, zeigt eine Gemeinschaftsausstellung dreier Museen in Hannover. Die Schau ist ein Nachdenken über Faktoren zeitgenössischer Kunstproduktion.
Bild: DW/S. Dege
Wenn die Kunst vom Wind erzählt
Fünf Orgelpfeifen hat das Künstlerkollektiv "Das Numen" für seine Installation "Meatus" (lateinisch: Der Pfad) in den Raum des Sprengel Museums gehängt. Über das Internet sind diese mit 20 Wetterstationen rund um den Globus verbunden und machen Windrichtung und -stärke in Echtzeit hörbar. Wie Numen arbeiten heute viele global vernetzte Künstler projektweise zusammen.
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Kunst und nichts als die Wahrheit
Er lebt in Berlin und zieht gerade nach New York: Für das Ausstellungsprojekt "Produktion. Made in Germany Drei" hat der Künstler Timur Si-Qin eine nachdenklich stimmende Installation erdacht. Sie zeigt Symbole einer neuartigen Religion, mit der sich die Welt retten lässt. Titel: "Is it true there is no such thing as truth" ("Stimmt es, dass es nichts als Wahrheit gibt?")
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Dialog der Skulpturen
Auch der griechische Künstler Yorgos Sapountzis lebt und arbeitet in Berlin. "Nacktes Erbe: Wir brauchen Euch Alle" hat er seine Körper-Installation genannt. Aus dem Fundus des Sprengel Museums wählte er seine Lieblings-Skulpturen aus und stellte sie, umgeben von bunten Stoffbahnen, auf eine selbstgezimmerte Bühne. Vor seinem Publikum lässt er Kunstgeschichte lebendig werden.
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Im Schlepptau ins Uterusland
Mit Schmerz, Leid und Hoffnung hatte sich Raphaela Vogel nach einer Krebserkrankung auseinanderzusetzen. Rund um Versorgung und Geburt kreist nun die Installation "Uterusland" der jungen Künstlerin im Kunstverein Hannover. Der Torso eines Pferdes - das Wappentier Niedersachsens - zieht im Schlepptau das anatomische Modell einer riesigen geöffneten Brust.
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Spiel mit dem Raum
Wie ein Teppich legt sich der blaue Pigmentpuder auf den Steinfußboden des Kunstvereins. Schirin Kretschmann hat Glasplatten aus den Oberlichtern ausbauen lassen. Jetzt strömt besonders viel Licht in den Raum und zeichnet wechselnde Muster auf die weißgetünchten Wände. Die Künstlerin treibt so ihr Spiel mit der Wirkung des Raumes, für den sie ihre Arbeit ausgedacht hat.
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Kunst aus dem 3-D-Drucker
Ein Besucher bestaunt die marmorhafte Skulptur eines antiken Römers. Was er nicht sieht: Wie lässt sich Kunst am Computer reproduzieren? Und was macht das mit der Autorenschaft des Künstlers? Solche Fragen treiben immer mehr Kreative um, auch den in Berlin lebenden Österreicher Oliver Laric. Mit seiner Plastik aus dem 3-D-Drucker gibt er ein nachdenkliches Statement.
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Kunstwerk aus dem Blumenladen
Wie eine florale Skulptur wirkt dieser prachtvolle Blumenstrauß im historischen Treppenhaus des hannoverschen Kunstvereins. "Bouquet IX" heißt das Kunstwerk des Niederländers Willem de Rooij, das ein Florist permanent frisch hält und so jegliche Verfallserscheinung verhindert. Der in Berlin lebende Niederländer de Roooij experimentiert mit Begriffen wie Individualität und Gemeinschaft.
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Konsum und Öko-Katastrophe
Architektur, Design und Natur ironisiert Veit Laurent Kurz in seiner raumfüllenden Installation "RElife". Das Interieur aus selbstgebauten, zum Teil pflanzenüberwuchterten Möbeln ist bevölkert mit hexenartigen Gestalten, die mal auf dem Boden, mal auf stilisierten Sesseln sitzen. Ungebremster Konsum und drohende Öko-Katastrophe sind für den Künstler zwei Seiten einer Medaille.
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Fremde Lebenswelten
Bildschirme, Projektionen, Bilder: Das Künstlerduo Amy Lien und Enzo Camacho inszeniert nicht die eigene Kunstproduktion. Ihre Arbeit namens "oder" gibt vielmehr Einblicke in Lebenswelten rund um den Globus. Monitore und eine Videoleinwand zeigen mal buntes Treiben in Sizilien, graue Werktätige in China, Banker in Singapur oder auch Callcenter-Arbeiter in Manila.
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Ein Schneemann aus Beton
Einen Beton-Schneemann hat Daniel Knorr in Sichtweite der Kestner-Gesellschaft aufgebaut. "Bonhomme" will er als Metapher der Vergänglichkeit, aber auch als Mahnmal des Klimawandels verstanden wissen. Die Ausstellung "Produktion. Made in Germany Drei" ist vom 3. Juni bis 3. September 2017 in der Kestnergesellschaft, dem Kunstverein und dem Sprengel Museum Hannover geöffnet.
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Bis Kassel ist es nur eine Autostunde. Alle fünf Jahre erwacht die nordhessische Stadt aus dem Dornröschenschlaf und mausert sich zum Hotspot der globalen Kunstszene. In diesem Super-Kunstsommer - mit Biennaleund documenta, mit Skulpturenprojekten Münster und Art Basel - hält Hannover nun dagegen und präsentiert Teil drei seiner Ausstellungsreihe "Made in Germany". Wieder haben sich das Sprengel Museum,der Kunstvereinund die ehrwürdige Kestner-Gesellschaft zusammengetan. In ihrer Gemeinschaftsschau zeigen sie Arbeiten von 41 Künstlern und Künstlerkollektiven. "Wir wollen ein Schlaglicht auf die Kunstproduktion in Deutschland werfen", sagt Kuratorin Gabriela Sand, eine von sechs Machern der eine Million Euro teuren Ausstellung.
Keine Definition "deutscher Kunst"
Wie arbeiten Künstler heute in Deutschland? Welcher, gerade auch digitalen Mittel bedienen sie sich? Welche Rolle spielt die besonders hohe Dichte an Akademien, Kunst- und Kulturinstitutionen in Deutschland? Um solche Fragen kreist die Ausstellung. Das Ergebnis ist eine Bestandsaufnahme und Zustandsbeschreibung der neueren Kunst. "Kunst entsteht heute stärker in kollektiven Prozessen", sagt Carina Plath, die Vizecheffin des Sprengel Museums, "Die Künstler setzen sich mit den Bedingungen ihrer eigenen Produktion ebenso wie mit ihren Herstellungs- und Präsentationsorten auseinander." Was die Schau ausdrücklich nicht will, ist eine Definition nationaler deutscher Kunst.
So hat etwa der in Berlin lebende Grieche Yorgos Sapountzis Skulpturen aus der Sammlung des Sprengel Museums zu einer Art Bühnenhow drappiert. "Ich bringe Kunstwerke verschiedener Zeiten in einen Dialog", sagt er gut gelaunt. Der Titel seiner auf Zeit angelegten Arbeit: "Nacktes Erbe: Wir brauchen Euch Alle". Die Künstlerin Schirin Kretschmann bestreute für ihre Arbeit "Physical" den Steinfußboden des Kunstvereins mit blauen Pigmenten, entfernte die Zwischendecke, um zusätzliches Licht einfallen zu lassen, und nahm so Einfluss auf die Wirkung des Ausstellungsraumes. Das Berliner Künstlerkollektiv "Das Numen" baute aus Orgelpfeifen eine raumgreifende Installation, die den Wind an 20 Wetterstationen weltweit in Klänge verwandelt. Der Deutsch-Amerikaner Timur Si Quin wirbt in einer Plakat-Installation für eine neue Weltreligion, deren Mythen helfen sollen, die umwälzenden Veränderungen des Globus zu bewältigen.
Ein Qualitätsversprechen
Unter den beteiligten Künstlern finden sich auch bekanntere Namen wie Julius von Bismarck, Amy Lien & Enzo Camacho, Hito Steyerl, der niederländische Konzeptkünstler Willem de Rooij oder auch der Fotograf Thomas Ruff. Ein Qualitätsversprechen ist "Made in Germany" allemal: Auch wenn die meisten der ausgewählten Künstler in Deutschland arbeiten, sind sie doch weltweit vernetzt. Viele kooperieren in Netzwerken und Kollektiven. Immer häufiger überschreiten Künstler die Gattungsgrenzen zu Theater, Schauspiel und Musik. Und nicht anders als in der zunehmend globalen und digitalisierten Welt der Warenströme wandelt sich auch hier das Produkt: die Kunst.