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Politik

Maduro und das Militär

Evan Romero-Castillo
7. April 2017

In Venezuela spitzt sich die Lage immer weiter zu. Wie werden die Streitkräfte darauf reagieren? Angesichts des drohenden Zusammenbruchs von Regierung und Wirtschaft wird diese Frage immer dringender.

Venezuela Präsident Nicolas Maduro
Bild: picture-alliance/Miraflores Press/

Straßenschlachten, ein Toter und viele Verletzte: Bei den Massendemos in Venezuelas Hauptstadt Caracas am Donnerstag lieferten sich Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei. Die Proteste gegen die Regierung von Präsident Nicolas Maduro eskalieren.

"Ihr lasst uns vor Hunger sterben!", skandidierten die Demonstranten. Viele luden Videos bei Twitter hoch, um das Ausmaß der Konfrontation zu dokumentieren. "Wir haben die Diktatur satt, wir haben keine Angst", wird eine Studentin zitiert.

Die Regierung von Präsident Nicolas Maduro ließ unterdessen in dem Fernsehsender "tele Sur TV" verkünden, dass sie "den Plan der Rechten, extreme  Gewalt zu verbreiten, neutralisiert habe".

 

Für den Leitartikler der spanischen Tageszeitung "El País" gibt es nur eine Lösung, um die politische und wirtschaftliche Krise Venezuela zu beenden: "Es müssen sofort alle politischen Gefangenen freigelassen und Neuwahlen unter Aufsicht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) abgehalten werden", fordert er.

Loyale Streitkräfte?

Doch sind diese Forderungen realistisch? Wie lange hält Maduro noch durch? Ist das von Ex-Präsident Hugo Chávez (1999-2013) Modell vom "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" wirklich am Ende? 

Angesichts der politischenZerreißprobe in Caracas richtet sich hinter den Kulissen die Aufmerksamkeit auf das venezolanische Militär. Denn nach Einschätzung von Experten sind in dem südamerikanischen Land nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Streitkräfte gespalten.

"Die Streitkräfte sind kein monolithischer Block und waren es auch noch nie", sagt der Politologe Daniel León, der zu dem Thema "Politische Ökonomie und Gewalt" an der Universität Leipzig forscht. Doch in der aktuellen Krise sei von ihnen "nicht viel zu erwarten", so León: "Sie sind Teil des politischen Establishments."

Revolutionäre in Uniform

Der Politologe erinnert daran, dass der Putschversuch, den Ex-Präsident Hugo Chávez am 4. Februar 1992 anführte, nicht von der ganzen Armee, unterstützt wurde, sondern nur von einer kleinen Gruppe. Die von Chavez in den 80er Jahren gegründete Bewegung "Ejército Revolucionario Bolivariano" (ERB-200) sei eine regierungskritische Gruppe innerhalb der Armee gewesen.

Schon beim Jahrestag 2002 des Putschversuchs von Ex-Präsident Chávez demonstrierten in Caracas Gegner des Chavismus Bild: picture-alliance/dpa

Auch heute sind die Streitkräfte nach Ansicht des Experten in unterschiedliche Fraktionen gespalten. Diese unterteilten sich in Regierungskritiker, in Anhänger von Präsident Maduro, in Anhänger von Ex-Präsident Chavez, die seinen Nachfolger Maduro ablehnten und schließlich in Unterstützer des ehemaligen Parlamentspräsidenten Diosdado Cabello, einem politischen Rivalen von Präsident Maduro.

Verfassung wirft Fragen auf

Die venezolanische Verfassung schreibt nicht genau vor, wie sich die Streitkräfte bei einem Putsch der Exekutive gegenüber dem Parlament zu positionieren hätten. Festgeschrieben in Artikel 350 ist, dass "das Volk in Treue zu seiner republikanischen Tradition und seines Strebens nach Unabhängigkeit, Frieden und Freiheit kein Regime, keine Gesetzgebung und keine Autorität anerkennt, das demokratischen Werten, Prinzipien und Garantien widerspricht und Menschenrechte missachtet".

Eine Rechtfertigung für einen Militärputsch lässt sich daraus laut Experten keinesfalls ableiten. "Es ist nicht notwendig, dass die Militärs Kanonen abfeuern, noch dass sie die Zügel an sich reißen und das Land regieren", sagt der venezolanische Politikwissenschaftler Ivo Hernández von der Universität Münster. "Es würde ausreichen, wenn sie sich klar zur aktuellen Lage positionieren."

Doch auch Hernández ist sich nicht ganz sicher, was angesichts der Krise in den Kasernen vor sich geht: "Wenn sich die Lage im Land weiter so rasant verschlechtert, wird sowohl die Regierung von Maduro als auch die vom "Chavismus" gekaperte Elite die Kontrolle verlieren, auch wenn die sich gesamte öffentliche Gewalt in ihren Händen befindet."

Erinnerung an Pinochets Putsch

Proteste in Venezuela

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Der chilenische Lateinamerika-Experte Fernando Mires, der bis vor kurzem an der Universität Oldenburg lehrte, zieht sogar Parallelen zum Militärputsch 1973 in Chile. "Militärs sind in erster Linie daran interessiert, ihre eigene Institution zu erhalten", meint er. "Beim Staatsstreich in Chile hat nicht das oberste Militärkommando den Putsch angestrebt. Es hat die Bewegung erst unterstützt, als klar wurde, dass eine Spaltung der Streitkräfte drohte."

Laut Mires steht für die Militärs in Venezuela heute mehr auf dem Spiel als damals in Chile. "Während der Diktatur von Augusto Pinochet waren 40 Prozent aller öffentlichen Ämter von Militärs besetzt. In Maduros Venezuela sind es 60 Prozent", erklärt er.

Noch nicht einmal Ex-Präsident Chávez, der Oberstleutnant war, habe einen solchen Grad an Militarisierung erreicht. Mires Schlussfolgerung: "Die Hoffnungen, dass sich Venezuelas Streitkräfte erheben, um den Rechtsstaat zu verteidigen, entstammen fiebrigen Gedanken einiger oppositioneller Anti-Chavisten."

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