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Politik

Mafia-Pate bringt Innenminister in Bedrängnis

Daniel Derya Bellut
14. Juli 2021

Seit Wochen belastet Mafiapate Sedat Peker in seinen Videobotschaften die türkische Regierung. In seiner neuesten Botschaft wirft er Innenminister Soylu vor, Kalaschnikows an regierungsnahe Zivilisten verteilt zu haben.

Mafiaboss Sedat Peker (links) und der türkische Innenminister Süleyman Soylu (rechts)
Seit Wochen schießt Mafiaboss Sedat Peker gegen den türkischen Innenminister

Der Mafiapate Sedat Peker gibt einfach nicht nach: Seit Wochen bringt er die türkische Regierung mit immer neuen Enthüllungen in Bedrängnis - und versetzt damit ein ganzes Land in Aufregung. Zehn Videos gibt es von ihm bereits auf YouTube - jedes davon ging viral und bestimmt seither die Schlagzeilen in der Türkei. In seinen Ansprachen macht er namhaften Regierungspolitikern und regierungsnahen Personen ungeheuerliche Vorwürfe: Sie seien in Mord, Vergewaltigung, Drogenschmuggel, Machtmissbrauch und viele weitere kriminelle Machenschaften verwickelt.

Dieses Mal wich er auf den Nachrichtendienst Twitter aus, um mit neuen Enthüllungen ein politisches Erdbeben auszulösen: Nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 soll der türkische Innenminister Süleyman Soylu daran beteiligt gewesen sein, Zivilisten mit Maschinengewehren vom Typ AK-47, sogenannten Kalaschnikows, auszustatten. Auch Osman Tomakin, stellvertretender Leiter einer lokalen Jugendorganisation der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, soll an diesen Aktionen beteiligt gewesen sein.

Putschversuch vor fünf Jahren - Zivilisten widersetzten sich den PutschistenBild: Getty Images/AFP/A. Altan

Vor fünf Jahren putschten Teile des türkischen Militärs gegen die Regierung des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der Aufstand wurde mithilfe von regierungstreuen Sicherheitskräften, aber auch durch den Widerstand von - teils bewaffneten - Zivilisten niedergeschlagen. Viele von ihnen hielten auch in den Tagen nach dem Umsturzversuch in mehreren Städten "Mahnwachen für die Demokratie" ab. Sie folgten dem Aufruf des Präsidenten.

"Die Regierung muss Rechenschaft ablegen"

"Die Aussagen von Sedat Peker zeigen, dass die Regierung Waffen an ihre Unterstützer verteilt hat. Er sagt auch, dass die Waffen an Osman Tomakin, den damaligen stellvertretenden Leiter einer AKP-Jugendabteilung, geliefert wurden. Daher müsste die Regierung nun eigentlich Rechenschaft ablegen", urteilt Mehmet Tüm. Der ehemalige Abgeordnete der größten Oppositionspartei CHP hat sich als aktiver Politiker mit der Verbreitung von illegalen Schusswaffen befasst.

Viele Waffen sind seit dem Putschversuch verschwunden, meint Oppositionspolitiker Mehmet Tüm Bild: DW/H. Köylü

Die Enthüllungen Pekers sind Wasser auf die Mühlen der Opposition. Die CHP bemüht sich seit dem Putschversuch im Jahr 2016 darum aufzuklären, was mit den Waffen passiert ist, die nach dem Aufstand verschwunden sind. "Wir haben uns im Parlament nachdrücklich nach diesen Waffen erkundigt", so Tüm. "Ich selbst habe zwei Nachforschungsanträge und drei Fragen eingereicht. Leider erhielt ich trotz mehrerer Anfragen an das Innenministerium keine Antwort." Ob die Staatsanwaltschaft auf Grundlage der Behauptungen Pekers Ermittlungen wegen der Bewaffnung von Zivilisten eingeleitet hat, ist nicht bekannt - eine entsprechende Nachfrage der Deutschen Welle blieb unbeantwortet.

Innenminister Soylu wieder im Fadenkreuz

Bei den Enthüllungen des mittlerweile in Dubai lebenden Mafiapaten steht vor allem der ultranationalistische Innenminister Süleyman Soylu im Mittelpunkt - eigentlich ein alter Weggefährte Pekers. Der Minister habe ihn gewarnt, als Ermittlungen gegen ihn eingeleitet wurden; nur deshalb habe er 2020 aus der Türkei fliehen und sich nach Dubai absetzen können. Im Gegenzug habe der Mafioso die Karriere des Innenministers unterstützt, behauptet Peker unter anderem.

Durch den Dauerbeschuss auf YouTube wird die Luft für Süleyman Soylu immer dünner. Vehement fordert die Opposition den Rücktritt des Innenministers. Pekers Behauptungen seien reine Lügen und Teil einer großangelegten Verleumdungs-Kampagne gegen die Türkei, verteidigt sich der Innenminister.

Distanziert sich Erdogan von seinem Minister?

In der jüngsten Vergangenheit grassierten Gerüchte, dass sich nun auch Erdogan von seinem Innenminister distanziert habe - schon seit Langem galt das Verhältnis der beiden Regierungspolitiker als angespannt. Seit Peker begann, seine Videobotschaften zu veröffentlichen, war Soylu bei öffentlichen Anlässen im Präsidentenpalast nicht mehr zugegen. Zuletzt war er dort auch am 1. Juli nicht eingeladen, als es nach dem Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention um die Eindämmung der Gewalt gegen Frauen in der Türkei ging. Ein Thema, das eigentlich in den Kompetenzbereich des Innenministers fällt.

Erdogan und Soylu - Wie lange hält der Präsident an seinem Minister fest?Bild: picture-alliance/AA/K. Ozer

Peker will Soylu den Gnadenstoß versetzen

Nun veröffentlichte Soylu auf Twitter ein Bild, das ihn zusammen mit Erdogan bei einem Treffen mit Müttern aus der südöstlichen Stadt Diyarbakir zeigt - für viele Beobachter ein Zeichen dafür, dass Soylus Macht doch nicht wackelt. 

Er sollte sich aber nicht zu früh freuen, drohte Peker, denn nach dem 15. Juli, dem Jahrestag des gescheiterten Putschversuchs, werde er "die Party platzen lassen": "Ich werde dich an einer so empfindlichen Stelle treffen, dass du deinen Verstand verlierst". Auch wenn Pekers Aussagen nur metaphorisch gemeint sind, glaubt er womöglich, nach diesem Freitag zumindest politisch das Ende des Innenministers herbeiführen zu können.