Oscars gleich im Dutzend, dazu Goldene und Silberne Löwen, Palmen und Bären - das Filmland Mexiko scheint derzeit keine Grenzen zu kennen. Wir stellen zehn Stars des aktuellen mexikanischen Filmwunders vor.
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"Made in Mexiko" - ein Land erobert die Kinowelt
"Made in Mexiko" heißt eine neue Netflix-Serie. Mit diesem Slogan könnte man auch das Erblühen der Filmkultur des mittelamerikanischen Landes umschreiben. Mexikanische Filmschaffende räumen derzeit weltweit Preise ab.
Bild: Reuters/M. Anzuoni
Oscars und mehr: Alejandro González Iñárritu
Seht her, ich hab den Oscar! Den 1963 geborenen Regisseur, Autor und Produzent Alejandro González Iñárritu darf man getrost als "Geburtsthelfer" des neuen mexikanischen Filmwunders bezeichnen. Iñárritus Filme, "Birdman" und "The Revenant", gewannen in den Jahren 2015 und 2016 mehrere Oscars und diverse andere Auszeichnungen. Doch berühmt wurde er schon früher...
Bild: Reuters/M. Anzuoni
Iñárritus Debüt "Amores Perros"
Es war das Jahr 2000, als Iñárritu bei den Filmfestspielen in Cannes sein Langfilmdebüt "Amores Perros" vorstellte. Der in drei Episoden verschachtelte und komplex erzählte Film blickt auf eine Handvoll Menschen in der Mega-Metropole Mexiko-Stadt. Ein visuell und erzählerisch ungeheuer eindrucksvolles Epos, das u.a. dem jungen Schauspieler Gael García Bernal eine große Bühne bot.
Bild: Imago/Entertainment Pictures
Preise für Alfonso Cuarón
Iñárritus zwei Jahre älterer Landsmann Alfonso Cuarón ist ebenfalls hochdekoriert. Für seinen Film "Roma" gewann er bei den Festspielen in Venedig den Goldenen Löwen und später mehrere Oscars. Sein Weltraum-Drama "Gravity" gewann 2014 ebenfalls sieben Trophäen in Los Angeles. 2001 hatte Cuarón mit "Y tu mamá también" seinen künstlerischen Durchbruch gefeiert.
Bild: Reuters/T. Gentile
Der Dritte im Bunde: Guillermo del Toro
Guillermo del Toro bekam für "Shape of Water" ebenfalls einige Oscars. Mit Iñárritu und Cuarón bildet der 1964 geborene Regisseur so etwas wie das Dreigestirn des neuen mexikanischen Filmwunders. Auch del Toro ist inzwischen in Hollywood fest etabliert, hat aber seine Wurzeln zu seinem Geburtsland nicht gekappt. Auch "Shape of Water" ist voller Magie - mit Verweisen auf mexikanische Kultur.
Nicht ganz so berühmt wie seine drei Landsmänner ist Carlos Reygadas. Sein letzter Film "Nuestro Tiempo" feierte in Venedig Premiere und kommt demnächst auch in die deutschen Kinos. Für drei andere Werke wurde er schon in Cannes ausgezeichnet: 2002 erhielt er die "Caméra d’Or" für "Japón", 2007 den Preis der Jury für "Stellet Licht" und 2012 für "Post tenebras lux" den Regie-Preis.
Bild: AP
Das schöne Gesicht Mexikos: Salma Hayek
Die Schauspielerin Salma Hayek war 2002 erste Wahl, als es darum ging die mexikanische Kunst-Ikone Frida Kahlo zu besetzten. Salma Hayek ist das schauspielerische Aushängeschild des mexikanischen Filmwunders - wobei die 1966 geborene Darstellerin eher in Hollywood verwurzelt ist als im Kino ihrer Heimat. Schon mit zwölf Jahren verließ sie Mexiko und ging im US-Bundesstaat Louisiana zur Schule.
Bild: Imago/United Archives
Männliches Pendant: Gael García Bernal
Das sympathische männliche Gesicht des neuen mexikanischen Kinos ist der Schauspieler Gael García Bernal. Der 1978 in Guadalajara geborene Bernal stand schon mit 14 vor TV-Kameras und wurde zum Kinostar: bei den Großen des mexikanischen Films, aber auch bei Regisseuren wie Jim Jarmush und Pedro Almodóvar. Auch als Serienstar ist er bekannt - als durchgeknallter Dirigent in "Mozart in the Jungle".
Bild: Getty Images/AFP/A. C. Poujoulat
Die zweite Reihe: Amat Escalante
Neben den Regie-Größen und den populären Schauspielern gibt es noch eine Reihe von Filmschaffenden, die einem größeren Publikum kaum bekannt sein dürften - die aber auch mitverantwortlich sind für das Aufblühen der Film-Nation Mexiko. Auch ein Regisseur wie Amat Escalante holte sich beim Festival in Cannes schon einen Preis, 2013 den für die beste Regie für "Heli".
Bild: Reuters
Ihm gehört die Zukunft: Michel Franco
Auch ein junger Filmemacher wie Michel Franco, 1979 geboren, dürfte dafür sorgen, dass das mexikanische Filmwunder noch andauert. Franco ist trotz seiner jungen Jahre schon dreifacher Sieger des wichtigsten Filmfestes der Welt. Seine Filme gewannen in Cannes zwei Auszeichnungen in der Reihe "Un Certain Regard" sowie 2015 die Palme für das beste Drehbuch.
Bild: Reuters/E. Gaillard
Die Autoren: Manuel Alcalá/Alonso Ruizpalacios
Das mexikanische Filmwunder beruht nicht nur auf den Leistungen von Regisseuren und Schauspielern. Zunächst einmal müssen Drehbücher entstehen: Zu den Meistern der schreibenden Zunft gehören Manuel Alcalá und Alonso Ruizpalacios, die sich hier über den Silbernen Bären der Berlinale 2018 freuen. Ihr Film "Museum" schildert einen waghalsigen Coup zweier Studenten, die das Nationalmuseum ausrauben.
Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz
Geburtshelfer II: Guillermo Arriaga
Auch wenn es um den Autor Guillermo Arriaga in jüngster Zeit etwas ruhiger geworden ist, so darf man ihn getrost als wichtigsten Mann der ersten Stunde bezeichnen - neben Alejandro González Iñárritu. Für ihn schrieb Arriaga die Drehbücher zu dessen frühen Filmen, darunter auch das zu "Babel" mit Brad Pitt und Cate Blanchett (unser Bild). Später debütierte Arriaga auch als Regisseur.
Bild: Imago/EntertainmentPictures
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Das vielleicht erstaunlichste Phänomen des aktuellen mexikanischen Filmwunders ist die scheinbar mühelose Verbindung zwischen Kunst und Kommerz. Filme wie "Roma", "Shape of Water", "Babel" oder "Pans Labyrinth" sind international an den Kinokassen erfolgreich, verzücken aber auch die Kritik. Seit knapp 20 Jahren haben sich Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler aus dem mittelamerikanischen Land an vorderster Front des Weltkinos etabliert. Sie werden regelmäßig zu den wichtigen Festivals eingeladen, räumen Preise ab, sind aber auch in vielen Ländern der Erde an den Kassen erfolgreich.
Durchbruch mit "Amores Perros"
Im Jahr 2000 begann die noch heute anhaltende filmische Blüte. "Amores Perros", das fulminante Debüt des damals 37-jährigen Regisseurs Alejandro Gonzáles Iñárritu beglückte die internationale Filmwelt. Der Filmhistoriker Roman Mauer schrieb in einem Band über das junge mexikanische Kino, der dem Phänomen vor zehn Jahren nachging, in einem Essay über Inárritus Debüt: "'Amores Perros' bündelt die stilistischen Entwicklungen im Autorenkino der 1990er Jahre zu einer kraftvollen Synergie: den neuen Realismus in den Milieustudien einerseits, das episodische Erzählen paralleler Lebenswelten andererseits - zwei Trends, welche die Künstlichkeit der Postmoderne und die linearen Heldenreisen zurückgedrängt haben."
Auch den heute ebenfalls weltberühmten und Oscar-gekrönten Regiekollegen Alfonso Cuarón und Guillermo del Toro gelang es, den mexikanischen Wurzeln treu zu bleiben und ihren kulturellen Hintergrund auch dann nicht zu verleugnen, wenn sie mit großem Budget in Hollywood drehten. Sie schafften es mit Stars wie Brad Pitt, Cate Blanchett oder George Clooney zu arbeiten, ohne sich damit einem seelenlosen, nur von kommerziellen Zielen geprägten Hollywood-Mittelmaß hinzugeben.
Goldener Löwe 2018 für Alfonso Cuarón
Cuarón, der seine Visitenkarte 2001 mit der wunderbaren Studie über das Erwachsenwerden "Y tu mamá también - Lust for Life" abgegeben hatte, glänzte in den USA mit den Großproduktionen "Children of Men" und "Gravity", konnte sogar für seinen Beitrag zur Harry Potter-Serie ("H.P. and the Prisoner of Azkaban", 2004) eigene Akzente setzen.
Beim Festival in Venedig gewann er dann für seinen sehr persönlichen Film "Roma" (unser Bild oben) den Goldenen Löwen - und später mehrere Oscars. An "Roma", den Cuarón nach Jahren der Arbeit in Hollywood wieder in seiner Heimat gedreht hatte, entzündete sich in der Folge ein Streit. Der Film wurde von "Netflix" aufgekauft, sollte zunächst ausschließlich dort zu sehen sein. Doch dann kam er doch - für kurze Zeit - in die Kinos und räumte bei den Oscars ab.
Guillermo del Toro, der sein mexikanisches Debüt 1993 mit dem phantastisch-mystischen "Cronos" abgeliefert hatte, etablierte sich in Hollywood zunächst mit Schockern wie "Hellboy" oder "Mimic". Wer da schon gedacht hatte, dieser Meister des schaurigen Effekts würde den Verlockungen der Kino-Maschinerie Hollywood erliegen, den überraschte del Toro 2006 mit "Pans Labyrinth". Die düster-surrealistische wie faszinierende Studie über die Nachwehen des spanischen Bürgerkriegs gewann drei Oscars.
Daran knüpfte del Toro vor zwei Jahren nahtlos an: "Shape of Water" verband ebenso geschickt Fantasy und Horror, Melodrama und Historie. Auch dafür gab's Preise in Hülle und Fülle.
Noch zu entdecken: Carlos Reygadas
Eine ganz andere Richtung schlug der Regisseur Carlos Reygadas ein. Wolfgang Martin Hamdorf charakterisiert Reygadas im Band "Die jungen Mexikaner" als "ungewöhnlichen Filmemacher, auch innerhalb eines so ungewöhnlichen Filmlandes wie Mexiko".
Reygadas hat sich mit inzwischen sechs Filmen (zuletzt der in Venedig präsentierte "Nuestro tiempo") den Ruf eines visuell außergewöhnlichen Vertreters seiner Zunft erworben: "Seine ganz eigene Synthese aus Transzendenz und Realismus entsteht in einer gekonnten Mischung aus Natürlichkeit der Laienschauspieler, einer fast metaphorischen Stilisierung und einer exzellenten Beobachtung der Details", so Hamdorf.
Vor 19 Jahren zur Jahrtausendwende war die Filmwelt kaum vorbereitet auf das "Nuevo Cine Mexicano". Zwar hatten einige Werke in den 1990er Jahren bei Festivals für Aufsehen gesorgt und waren landesweit auch an den Kassen erfolgreich, doch das, was dann vom Jahr 2000 an folgen sollte, ist filmhistorisch außerordentlich bemerkenswert. Man muss bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurückblicken, als der aus Spanien kommende Luis Buñuel im mexikanischen Exil mit seinen Filmen für Furore sorgte, um eine vergleichbare internationale Aufmerksamkeit für das Filmland Mexiko zu entdecken.
InLuis Buñuels Fußstapfen
An manches knüpfen Inárritu, Cuarón und del Toro nun an. Auch in ihren Filmen trifft das Publikum auf eine magische Verbindung von hartem Alltags-Realismus und surrealistischen Elementen. Es sind würdige, in ihrem künstlerischen Anspruch aber völlig eigenständige Nachfolger, die ein paar Jahrzehnte nach Buñuels Schaffen im mexikanischen Exil nun in die großen Fußstapfen des gebürtigen Spaniers getreten sind.