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Schock-Therapie für Tansania

Philipp Sandner12. Februar 2016

Tansanias neuer Präsident hat in nur 100 Tagen vieles angepackt. Er kämpft gegen Korruption und spart kräftig - auch am Luxus der eigenen Regierung. Doch nicht alle sind begeistert.

Tansanias Präsident John Pombe Magufuli packt am Unabhängigkeitstag mit an: Statt üppiger Feiern heißt es: Aufräumen und die Stadt sauber machen. (Foto: DANIEL HAYDUK/AFP/Getty Images)
Magufuli packt mit an: Statt Feiern zum Unabhängigkeitstag Ende 2015 gab es eine große Aufräum-Aktion in den StraßenBild: Getty Images/AFP/D. Hayduk

Eines hat John Pombe Magufuli in seinen ersten Monaten als tansanischer Präsident in jedem Fall erreicht: Jeder Tansanier scheint eine Meinung zu ihm zu haben. Für Gesprächsstoff sorgt, dass er hart gegen Korruption durchgreift und sich bemüht, den Staatshaushalt des ostafrikanischen Landes in Ordnung zu bringen.

Magufuli habe sein Land einer "Schock-Therapie" unterzogen, die dringend nötig gewesen sei, sagt der tansanische Journalist und Analyst Attilio Tagalile: "Die letzte Regierung schien abwesend zu sein. Die Menschen haben gemacht, was sie wollten, und waren nicht gewillt, Steuern zu zahlen." Magufuli habe es geschafft, diesen Trend umzudrehen und zu zeigen, dass Tansania tatsächlich eine Regierung habe.

"Schwer beeindruckt" vom Präsidenten

Am 5. November 2015 trat er sein Amt an - 100 Tage liegt das zurück. In dieser Zeit scheute sich der neue Präsident nicht davor, die politische Klasse zu verschrecken und seine eigenen Privilegien einzudämmen: Er strich Flugreisen und dampfte Regierungsdelegationen ein. Auf pompöse Selbstinszenierungen soll Tansania in Zukunft verzichten - so wurden die Unabhängigkeitsfeierlichkeiten am 9. Dezember kurzerhand gestrichen, auch die Feier zur Einführung des neuen Parlaments fiel weniger üppig aus als bisher üblich. Stattdessen gab Magufuli Geld für neue Krankenhausbetten aus.

Im Kampf gegen Korruption mussten bereits einige Funktionäre ihren Hut nehmen. "Schwer beeindruckt" zeigt sich DW-Hörer Adam Ihucha aus Arusha: "In Afrika ist es nicht einfach für einen Präsidenten, innerhalb von 100 Tagen die eigenen Wahlversprechen umzusetzen."

Anhänger von Magufuli feiern seinen Sieg bei der Präsidentenwahl im Oktober 2015Bild: Reuters/S. Said

Kritiker bemängeln Magufulis "One-Man-Show"

Seine ersten Reformen als Präsident zeigen: Magufuli wird dem Ruf gerecht, den er sich in den Jahren als Kabinettsmitglied der Regierungspartei CCM (Partei für den Wandel) geschaffen hatte. Als "Bulldozer" - jemand, der Sachen beherzt anpackt - bezeichnen ihn Tansanier scherzhaft, seit er als Minister für Bauvorhaben den Straßenbau vorantrieb. Doch bei allem Respekt für seine Erfolge geht der Aktionismus des Präsidenten manchen zu weit.

"Politik ist keine One-Man-Show", sagt etwa Muhammad Yussuf vom Sansibarischen Institut für Forschung und öffentliche Strategien. "Er muss sicherstellen, dass alle Regierungsinstitutionen ihre Funktion so wahrnehmen, wie es ihnen Verfassung und Gesetze vorschreiben." Dazu müsse er fähige Führungskräfte benennen, sagt Yussuf. Magufuli könne die Arbeit seiner Minister überwachen, aber er dürfe sich nicht in deren Kompetenzen einmischen.

Karikatur aus Tansania: "Ihr seid meine Minister! Feiern verboten, hier wird gearbeitet", sagt Magufuli aus dem Fernseher seinem Kabinett. "Meine Güte! Wie können wir mit ihm bloß mithalten?", fragen sich die Minister.Bild: Said Michael

Medienwissenschaftler Mlagiri Kopoka hört ebenfalls Kritik an Tansanias neuem Präsidenten: "Manche finden, dass er in dem Wunsch, Veränderungen zu erreichen, die demokratischen Rechte einschränkt", sagt Kopoka mit Verweis auf Magufulis Medienpolitik. Seine Regierung plant, die Parlamentsübertragung im Staatsfernsehen auszusetzen, um Kosten zu sparen.

#WhatWouldMagufuliDo

Doch auch für einen radikalen Reformer sind 100 Tage, knapp drei Monate, ein begrenzter Zeitraum. Immerhin habe er die längst begrabene Hoffnung auf Veränderung neu geweckt, finden viele in Tansania - einem Land, das seit seiner Unabhängigkeit nur CCM-Regierungen kennt. Dieses Gefühl beherrscht die Debatte in den sozialen Netzwerken - allen voran auf Twitter, wo sie unter dem Hashtag #WhatWouldMagufuliDo seit Monaten auch mit einem Augenzwinkern geführt wird. "Sie besteht auf Schmuck zum Valentinstag - was würde Magufuli tun?" fragt dort ein Nutzer - und sendet ein Bild mit gebastelten Armreifen aus Gabel und Löffel.

Magufulis hartes Durchgreifen hat längst auch in anderen afrikanischen Ländern die Sehnsucht nach mehr Vernunft geweckt - wie im Nachbarland Kenia, wo große Staatsbanketts unter Präsident Uhuru Kenyatta noch immer hoch im Kurs stehen. So empörte sich Rasna Warah, Kolumnistin der kenianischen Zeitung Daily Nation, über "den widerlich demonstrativen und gefräßigen Konsum auf Kosten der Steuerzahler" in ihrem Land. Der lasse Magufuli "wie einen Heiligen" dastehen. In Ghana scheint das tansanische Modell prompt Nachahmer gefunden zu haben: Dort erklärte jüngst die Regierung, sie wolle ebenfalls sparen. Ein Mittel: Keine First-Class-Flüge mehr für Minister.

"Keine voreiligen Schlüsse"

Magufulis Tansania als Trendsetter? Nein, sagt Vera Songwe. Die Ökonomin aus Kamerun ist Leiterin für West- und Zentralafrika bei der International Finance Corporation, die zur Weltbankgruppe gehört. "Was in Tansania passiert, startet keinen neuen Trend." In vielen Ländern gebe es bereits Bemühungen, den Haushalt zu regulieren, sagt sie, und verweist etwa auf die Reformen von Nigerias Präsident Muhammadu Buhari. Jedes Land müsse letztlich seinen eigenen Weg finden. Doch mehr Transparenz zu schaffen, sei in den aktuellen Zeiten schlechter Wirtschaftslage dringend notwendig. Denn nur gute Regierungsführung ermögliche Investitionen. Der Hashtag #WhatWouldMagufuliDo und die Debatte um Magufulis Durchgreifen bringe das Thema aber wieder auf die Agenda, sagt Songwe.

Doch von ein oder zwei Erfolgen dürfe man sich nicht trügen lassen, gibt Songwe zu bedenken. "Das Entscheidende ist, dass diese Maßnahmen konsequent und transparent über einen längeren Zeitraum eingehalten werden. Es sollte keine Eintagsfliege bleiben."

Mitarbeit: Yusra Buwayhid, Maxwell Suuk