Maja T.: Hungerstreik, Haftkrankenhaus – und dann?
Veröffentlicht 20. Februar 2025Zuletzt aktualisiert 30. Juni 2025
Seit dem 5. Juni befindet sich Maja T. im Hungerstreik, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren und die Rückkehr nach Deutschland zu erreichen. Nach 25 Tage hat sich der Gesundheitszustand offenbar so stark verschlechtert, dass die seit einem Jahr inhaftierte Deutsche am Dienstag (01. Juli) in ein Haftkrankenhaus an der rumänischen Grenze transportiert werden soll.
Nach Angaben des Vaters Wolfram Jarosch, der zu jedem Prozesstag nach Budapest reist, ist das Gefängnis 200 Kilometer von Budapest entfernt. Die gesundheitlichen Folgen sind nach seiner Einschätzung gravierend: starker Gewichtsverlust, zunehmende Müdigkeit, eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit.
Vater Wolfram Jarosch: "Ich mache mir große Sorgen"
"Jeder Tag in Haft ist ein Risiko für das Leben meines Kindes. Ich mache mir große Sorgen", schreibt Jarosch in einer Pressemitteilung, die der Deutschen Welle vorliegt. "Diese Haftbedingungen sind nicht nur unmenschlich, sie sind lebensgefährlich. Dass Maja erst zu solch drastischen Mitteln greifen muss, ist ein Skandal."
Der Vater fordert von der Bundesregierung mehr Druck auf Ungarn, "damit Maja sofort in den Hausarrest kommt und ein faires Verfahren in Deutschland erhält". Unterstützung erhält die Deutsche seit ihrer unrechtmäßigen Auslieferung an Ungarn vor allem von der Linken. Am Montag (30. Juni) war die Bundestagsabgeordnete Anne Zerr zu Besuch im Gefängnis.
"Maja ist in einem besorgniserregenden Zustand. Die körperlichen und psychischen Belastungen des Hungerstreiks sind mittlerweile deutlich wahrnehmbar." Die Haftbedingungen blieben weit von einem akzeptablen europäischen Standard entfernt, kritisierte Zerr. Am Wochenende war die Grünen-Abgeordnete Karin Göring-Eckardt vor Ort gewesen und verlangte auf der Plattform "X" ebenfalls die Rücküberstellung der Deutschen in ihre Heimat.
Immerhin hat der Hungerstreik inzwischen zu Hafterleichterungen geführt: Maja T. durfte vor der jetzt geplanten Verlegung in ein Haftkrankenhaus eine Stunde täglich mit vier anderen Gefangenen zum Hofgang die Zelle verlassen.
Über die Zustände im Gefängnis hat sich Maja T. schon oft beklagt, so auch zu Beginn des Hungerstreiks: "Ich kann die Haftbedingungen in Ungarn nicht weiter ertragen. Meine Zelle war über drei Monate rund um die Uhr videoüberwacht. Ich musste über sieben Monate außerhalb meiner Zelle immer Handschellen tragen."
Maja T. ist non-binär
Die Schikanen erklärt sich Maja T. auch damit, dass sie non-binär ist. So werden Menschen bezeichnet, die sich weder als ausschließlich weiblich noch männlich identifizieren.
Sie haben es in Ungarn, einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU), grundsätzlich schwer. Anfang 2025 wurde in dem von Viktor Orbán autoritär regierten Land ein Gesetz beschlossen, mit dem Veranstaltungen wie der Christopher Street Day (CSD) verboten werden können.
Keine Hoffnung auf einen rechtsstaatlichen Prozess
Maja T. hat schon längst die Hoffnung auf ein faires Strafverfahren aufgegeben. Im Juni 2024 war T. von Deutschland an Ungarn ausgeliefert worden. Der Prozess hat am 21. Februar begonnen.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem aus Jena (Thüringen) stammenden Häftling vor, im Februar 2023 in Budapest mehrere Menschen überfallen und schwer verletzt zu haben. Die Opfer hatten sich mutmaßlich am sogenannten "Tag der Ehre" beteiligt, einem jährlich stattfindenden Aufmarsch von Neonazis aus ganz Europa.
Die Angeklagte lehnt ein Schuldgeständnis ab
Zum Auftakt des Strafverfahrens wurde T. in Handschellen und mit Fußfesseln von Sicherheitspersonal an einer Leine in den Gerichtssaal geführt. Die Staatsanwaltschaft machte das Angebot, ein Schuldgeständnis abzulegen und dafür ohne weitere Verhandlung 14 Jahre Haft zu akzeptieren.
Darauf ließ sich T. aber nicht ein und gab stattdessen eine sechsseitige Erklärung mit deutlicher Kritik an Ungarn ab: "Es ist ein Staat, der ganz offen Menschen wegen ihrer Sexualität oder ihrem Geschlecht ausgrenzt und separiert. Ich bin angeklagt von einem europäischen Staat, weil ich Antifaschist*in bin."
Zum Inhalt der Anklage - mehrfache schwere Körperverletzung - äußerte sich T. nicht. Auseinandersetzungen zwischen militanten Antifaschisten und Neonazis gibt es immer wieder, auch in Deutschland.
Eine Gruppe um die Linksextremistin Lina E. wurde dafür 2023 vom Oberlandesgericht Dresden (Sachsen) zu Haftstrafen von maximal fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Für Maja T. könnte es wesentlich schlimmer kommen: Bis zu 24 Jahre sind nach ungarischem Recht möglich.
Auslieferung nach Ungarn war rechtswidrig
Vor einem deutschen Gericht wäre die Aussicht auf ein deutlich milderes Urteil garantiert. Was den Fall besonders brisant macht: T.s Auslieferung von Deutschland nach Ungarn war rechtswidrig.
So hat das Bundesverfassungsgericht Ende Januar entschieden. Dabei wurde ausdrücklich auf die Grundrechtecharta der Europäischen Union (EU) verwiesen und das damit verbundene Verbot unmenschlicher Behandlung.
Verantwortlich für die unrechtmäßige Auslieferung ist das Berliner Kammergericht, dem das Bundesverfassungsgericht schwere Versäumnisse vorwirft: So seien unter anderem aktuelle Informationen zu Überbelegung und Haftbedingungen in ungarischen Gefängnissen nicht ausreichend geprüft worden.
Was T. in einem ungarischen Gefängnis befürchtete, ist in der Verfassungsbeschwerde aufgelistet: unzureichende hygienische Bedingungen, mangelnder Zugang zu warmem Wasser, Bettwanzen, schlechtes und wenig Essen, extreme Temperaturen im Winter und im Sommer, schlechte Belichtung und Belüftung der Zellen, Gewalt gegen Häftlinge durch Mithäftlinge und Gefängnis-Personal, rechtsstaatliche Defizite.
Die Europa-Parlamentarierin Carola Rackete war schon dreimal zu Besuch und hatte bei ihrer ersten Begegnung mit Maja T. auch Kontakt zum Sicherheitspersonal. Dabei habe man ihr gesagt, die Isolationshaft sei "von oben" angeordnet worden, berichtet sie im DW-Gespräch.
Entwürdigende Sicherungsmaßnahmen im Gefängnis
Während die anderen Inhaftierten in Mehrbett-Zellen untergebracht sind und gemeinsam Hofgang haben, ist Maja T. auf sich allein gestellt. Angeblich wegen der non-binären Identität. Von einer Verlegung in eine Zelle mit anderen Personen sei noch nie die Rede gewesen. Dass sich daran etwas ändern könne, hält Rackete für unwahrscheinlich.
Die Europa-Abgeordnete fordert Bundeskanzler Friedrich Merz und die deutsche Regierung auf, Druck auf Ungarn auszuüben: Wenn man sich ernsthaft von Rechtsextremen abgrenze und für demokratische Werte einsetzen wolle, dürfe man nicht untätig zusehen, wie Orbans Regime in ungarischen Gerichten Menschenleben zerstöre.
Keine weitere Auslieferung mutmaßlicher Linksextremisten
Mehr Glück als Maja T. hatten sechs lange untergetauchte mutmaßliche Linksextremisten, die sich 2023 ebenfalls an den Überfällen auf vermeintliche Neonazis in Budapest beteiligt haben sollen. Die Gruppe hat sich im Januar freiwillig den deutschen Behörden gestellt. Eine Auslieferung nach Ungarn müssen sie offenbar nicht befürchten, wie die Bundesanwaltschaft der DW auf Anfrage bestätigte.
Demnach wurde den für Auslieferungsverfahren zuständigen Generalstaatsanwaltschaften schriftlich mitgeteilt, dass die Ermittlungen in Deutschland vorrangig seien. Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden Anklage gegen sie erhoben.
Dieser Artikel basiert teilweise auf einem Text, der am 21.02.2025 veröffentlicht und seitdem mehrmals aktualisiert wurde, zuletzt am 30.06.2025.