1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Bregu: "Westbalkan muss zusammenarbeiten"

15. Juli 2021

Die Leiterin des Regionalen Kooperationsrates des Westbalkans erklärt im Interview mit der DW, warum die Beteiligten den Berliner Prozess auch nach Angela Merkels Kanzlerschaft fortsetzen sollen.

Majlinda Bregu
Majlinda Bregu ist Leiterin des Regionalen Kooperationsrates des Westbalkans (RCC) Bild: RCC

DW: Frau Bregu, auf dem Westbalkan ist nicht erst seit dem 8. Westbalkangipfel am 5. Juli 2021 in Berlin der Eindruck entstanden, dass der von Angela Merkel vor sieben Jahren begonnene Berliner Prozess nichts weiter ist als ein Fototermin für die Staats- und Regierungschefs der Region. Hat der Prozess in den vergangenen Jahren außer der Abschaffung der Roaminggebühren in der Region etwas Konkretes erreicht?

Majlinda Bregu: Nun, das klingt so, als ob die Abschaffung der Roaminggebühren eine einfache Aufgabe gewesen wäre. Aber das, wofür die EU fast zehn Jahre brauchte, hat der Westbalkan in zwei Jahren geschafft. Ich halte das für einen großen Erfolg. Abgesehen davon war das Projekt des roamingfreien Westbalkans nicht nur von praktischer Bedeutung. Es hatte auch eine symbolische Komponente, die uns zeigt, dass uns Dinge nur dann gelingen, wenn wir auf gemeinsame Ziele hinarbeiten, bei denen die Erwartungen der Bürger an erster Stelle stehen.

Das ist definitiv die einzige gewinnbringende Kombination und deshalb erwähnen wir es immer an erster Stelle. Und der Berliner Prozess ist bislang das einzige Forum, bei dem die Staats- und Regierungschefs der sechs Westbalkanländer die Gelegenheit haben, ihre gemeinsamen Prioritäten mit einigen der EU-Länder, der EU-Kommission, der Zivilgesellschaft und den internationalen Finanzinstitutionen zu diskutieren und zu gestalten.

Eine der Ideen für den Westbalkan, die derzeit kursieren, ist der gemeinsame regionale Markt, für den Sie als RCC-Chefin sehr intensiv gearbeitet haben. Bis 2024 sollen die vier EU-Freiheiten - freie Bewegung von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital - auch auf dem Westbalkan erreicht werden. Aber seit der Verabschiedung des entsprechenden Planes im November 2020 in Sofia sind kaum Fortschritte zu verzeichnen. Warum nicht?

Der gemeinsame Markt ist eine exzellente Möglichkeit, in der Westbalkan-Region etwas Ähnliches zu etablieren wie in der EU. Die Weltbank hat berechnet, dass allein dadurch das Bruttosozialprodukt der Westbalkan-Staaten um 6,4 Prozent steigen würde. Seit vergangenem Jahr haben wir intensiv daran gearbeitet, die Verhandlungen zum Abkommen über die Freizügigkeit mit Personalausweisen in der Region voranzutreiben.

Technisch gesehen gab es keine Hindernisse für die Zustimmung zu diesem Abkommen. Alle Länder haben die Bereitschaft gezeigt, es zu unterstützen. Das Abkommen könnte ein weiterer positiver Meilenstein sein, wenn es uns in den kommenden Monaten gelingt, die verbleibenden politischen Stolpersteine zu beseitigen. Laut unserem Barometer haben 42 Prozent der Bürger Kosovos bestätigt, dass sie häufiger innerhalb der Westbalkanstaaten reisen würden, wenn sie das mit einem Personalausweis tun könnten.

Angela Merkel bei der Pressekonferenz am Ende des Westbalkan-Gipfels am 5. Juli 2020 in BerlinBild: Nenad Kreizer/DW

Die Regierungschefs der Westbalkanstaaten haben am 5. Juli 2021 kein neues Format vorgegeben, in dem der Berliner Prozess nach diesem achten Treffen fortgeführt werden soll. Glauben Sie, dass Angela Merkels Westbalkan-Initiative die gleiche Aufmerksamkeit bekommen wird, wenn sie nicht mehr Bundeskanzlerin ist?

Nun, offiziell betonen alle Teilnehmer des Berliner Prozesses die Notwendigkeit seiner Fortsetzung, um das volle Potenzial einer verbesserten regionalen Zusammenarbeit auszuschöpfen, auch im Hinblick auf die Überwindung der sozioökonomischen Folgen der COVID-19-Pandemie. Nun bleibt abzuwarten, wie es in der Praxis weitergeht.

Der Beitrag und das persönliche Engagement von Angela Merkel zur EU-Integration des Westbalkans und zur Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit war von größter Bedeutung. Ihre Führungsrolle hat die Region geprägt und wird eine nachhaltige Wirkung haben. Wie die Bundeskanzlerin immer wieder betont: Europa ist nur erfolgreich, wenn wir zusammenarbeiten. Den Westbalkan-Ländern bleibt nichts anderes übrig, als auf diese weise Frau zu hören und zu kooperieren.

Majlinda Bregu, 47, ist seit 1. Januar 2019 RCC-Generalsekretärin. Die aus der albanischen Hauptstadt Tirana stammende Sozialwissenschaftlerin und Politikerin (Demokratische Partei, PD) war zwischen 2007 und 2013 Ministerin für Europäische Integration ihres Landes unter Premier Sali Berisha.