Malawi erlaubt Abtreibung für Opfer sexualisierter Gewalt
9. November 2025
In Malawi hat das Oberste Gericht bestätigt: Frauen, die infolge sexualisierter Gewalt schwanger werden, haben Anspruch auf eine Abtreibung. Bis vor kurzem war Abtreibung in dem ostafrikanischen Land nur erlaubt, wenn das Leben der Frau in Gefahr war.
Gemäß dem Gesetz zur Gleichstellung der Geschlechter in Malawi hat jede Person das Recht auf angemessene sexuelle und reproduktive Gesundheit. Auch - vorbehaltlich der gesetzlichen Bestimmungen - das Entscheidungsrecht, ob sie ein Kind bekommen möchte oder nicht.
Seit mehr als 15 Jahren setzen sich Frauenrechtsorganisationen für ein Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch ein. Obwohl ein Gesetzentwurf vorliegt, wurde dieser noch nicht im Parlament eingebracht.
"Dieses Urteil ist eine Bestätigung für uns alle, die wir uns für angemessene Leistungen für diejenigen einsetzen, die Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch erlebt haben", sagte Emma Kaliya, Vorsitzende der Koalition zur Prävention unsicherer Abtreibungen (COPUA), gegenüber der DW.
Teenagerin erstritt ihr Recht auf Abtreibung
Das Urteil folgt auf eine Klage einer 14-Jährigen, der nach einer Vergewaltigung eine sichere Abtreibung in einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung verweigert wurde. Sie verklagte den Gesundheitsdienstleister, die medizinische Einrichtung und das Gesundheitsministerium wegen Verletzung ihrer sexuellen und reproduktiven Gesundheitsrechte.
Der Richter am Obersten Gerichtshof, Michael Tembo, entschied in ihrem Sinne: "Es ist hart und unmenschlich, von einem solchen Mädchen zu verlangen, die Schwangerschaft auszutragen", erklärte Tembo in seiner Urteilsbegründung. "Es ist daher nur logisch und steht im Einklang mit den Rechten auf sexuelle und reproduktive Gesundheit, dass solche Mädchen ohne Hindernisse eine Abtreibung verlangen dürfen, wenn sie dies aus freiem Willen wünschen", begründete Tembo die Gerichtsentscheidung.
Das Gericht wies das Gesundheitsministerium außerdem an, seine Standards und Richtlinien für die Nachsorge nach Abtreibungen innerhalb von 180 Tagen zu ändern. Auch sollen Bestimmungen sicherstellen, dass Überlebende sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen haben.
Unsichere Abtreibungen weit verbreitet
Unsichere Abtreibungen gehören zu den häufigsten Ursachen für Müttersterblichkeit in Malawi. Schätzungen zufolge unterziehen sich jedes Jahr mehr als 141.000 Frauen und Mädchen in Malawi einer Abtreibung, viele davon durch unsichere, heimliche Verfahren.
Offizielle Statistiken zeigen, dass jährlich mehr als 70.000 Frauen illegale Abtreibungen vornehmen lassen, wobei fast 30.000 Komplikationen erleiden, von denen einige Fälle tödlich sind. Die Nachsorge nach Abtreibungen in öffentlichen Krankenhäusern kostet die Regierung jährlich fast 1 Million Dollar (860.000 Euro).
"Viele Menschen wissen, dass das Gesetz restriktiv ist, deshalb lassen sie abtreiben und suchen erst dann eine Nachsorge auf, wenn Komplikationen auftreten", sagte Kaliya. "Die Einrichtungen geben am Ende enorme Summen für die Behandlung vermeidbarer Fälle aus", sagte sie, "und die Zahlen sind enorm."
Religiöse Führer gegen das Urteil
Viele religiöse Organisationen haben sich entschieden gegen eine Lockerung der Abtreibungsgesetze in Malawi ausgesprochen und argumentieren, das Leben beginne mit der Empfängnis.
Die Bischofskonferenz von Malawi und die Evangelische Vereinigung von Malawi vertreten mehr als 120 christliche Konfessionen und haben die Gesetzgeber davor gewarnt, die vorgeschlagenen Reformen zu unterstützen. Sie könnten damit die Unterstützung der Öffentlichkeit verlieren. Die DW bat die Bischofskonferenz von Malawi um eine Stellungnahme, die sich jedoch erst nach vollständiger Prüfung des Urteils äußern möchte.
Andere übten bereits Kritik: Einige Kinderrechtsaktivisten behaupten, das Urteil des Gerichts gehe die Ursachen sexuellen Missbrauchs nicht an. "Die Entscheidung ist unklug und weit entfernt von der Lösung, die wir als Land brauchen", sagte Memory Ngosi, eine Kinderrechtsaktivistin, zur DW. "Unser Justizsystem versagt. Wir haben unser Strafgesetzbuch geändert, um Tätern sexuellen Missbrauchs lebenslange Haftstrafen zu ermöglichen, doch die Gerichte verhängen selten harte Strafen. Stattdessen sagen wir unseren Mädchen, sie sollen abtreiben." Ngosi forderte die Behörden auf, die kulturelle, psychologische und rechtliche Unterstützung für Überlebende zu verstärken, anstatt sich auf den Zugang zu Abtreibungen zu konzentrieren.
An dieser Prioritätensetzung stört sich wiederum die Koalition zur Prävention unsicherer Abtreibungen. "Die meisten Abtreibungsgegner praktizieren Doppelmoral", sagte COPUA-Vorsitzende Emma Kaliya. "Diese Dinge passieren in ihrem eigenen Umfeld – sogar ihre Verwandten haben Abtreibungen vornehmen lassen. Aber in der Öffentlichkeit tun sie so, als wäre das nicht der Fall."
Mitarbeit: Chimwemwe Padatha
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.