Mali, Niger, Burkina Faso: Sahel-Allianz nur Fassade?
20. September 2025
Die Allianz wurde am 16. September 2023 von den drei von Militärregierungen geführten Staaten Mali, Burkina Faso und Niger ins Leben gerufen. Ursprünglich als militärisches Verteidigungsbündnis zur Bekämpfung dschihadistischer Gruppen und zur Wahrung der staatlichen Souveränität gegründet, verfolgt die AES (Alliance des États du Sahel) mittlerweile auch politische und wirtschaftliche Integrationsziele.
Doch zwei Jahre nach ihrer Gründung klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander: Die Zahl der Terroranschläge steigt weiter, die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt – und für viele Menschen hat sich der Alltag kaum verbessert.
Niger: Ist das Land in der AES "der Dumme"?
In Niger ist die Skepsis gegenüber dem Bündnis besonders spürbar. Kritiker wie Siraji Issa, Vorsitzender der Bewegung der Jugend für das Aufblühen Nigers (Mouvement des jeunes pour l'émergence du Niger, MOJEN), werfen der Regierung vor, mehr in die AES zu investieren als zurückzubekommen.
"Seit der Gründung dieser sogenannten AES ist Niger der Dumme", sagt Issa. "Wir verkaufen unser Öl an Mali und Burkina Faso zum halben Inlandspreis - und wenn wir unsere diplomatischen Beziehungen zu anderen Ländern abbrechen oder NGOs ausweisen, arbeiten unsere Partner munter weiter mit ihnen zusammen."
Auch im militärischen Bereich sieht Issa ein Ungleichgewicht: "Immer wieder haben nigrische Soldaten malisches oder burkinisches Territorium verteidigt. Doch von diesen Ländern kam nichts zurück!"
Andere wiederum betonen die strategischen Vorteile der Allianz. Aktivist Moussa Adamou sieht in der AES einen Zugewinn für Nigers geopolitische Position: "Niger hat durch die AES zwei entschlossene Partner im Kampf gegen den Terrorismus gewonnen", sagt er der DW und verweist auf die Solidarität während der ECOWAS-Krise sowie logistische Unterstützung durch Burkina Faso, als die Grenze zu Benin geschlossen war.
Mali: Wirtschaftliche Integration bleibt vage
In Mali richtet sich die Kritik weniger gegen die sicherheitspolitische Zusammenarbeit als gegen die bislang ausgebliebenen wirtschaftlichen Fortschritte.
Auf dem zentralen Markt von Bamako klagen Händler wie Modibo Boiré über sinkende Umsätze. Die Debatte über eine eigene Währung gewinnt wieder an Fahrt. Viele fordern eine stärkere wirtschaftliche Integration - mit einem gemeinsamen Markt und der Abkehr vom CFA-Franc, einer Währung aus der Kolonialzeit, die an den Euro gekoppelt ist.
Aktivisten wie Ibou Sy sehen in einer eigenen Währung ein Symbol nationaler Souveränität. Doch Ökonomen wie Modibo Mao Macalou mahnen zur Vorsicht: "Wenn wir unsere Wirtschaften nicht grundlegend umbauen, bleibt eine eigene Währung schwach", erklärt Macalou der DW.
Burkina Faso: Anhaltende Gewalt und Kritik an AES
In Burkina Faso machen sich die Menschen vor allem Sorgen über die angespannte Sicherheitslage. Höhepunkt der Gewalt war ein dschihadistischer Anschlag im Mai 2025, bei dem die mit al-Qaida verbundene Gruppe JNIM über 100 Menschen - darunter Soldaten und Zivilisten - in der belagerten Stadt Djibo im Norden des Landes tötete.
Beobachter kritisieren die Militärregierung unter Ibrahim Traoré, die vermehrt auf schlecht ausgebildete lokale Milizen und militärische Eskalation setzt. Von Fortschritten durch die AES sei entgegen anderslautender Rhetorik bisher wenig zu sehen. Ein zentrales Versprechen der AES war die Schaffung einer gemeinsamen Streitkraft. Zwei Jahre später existiere diese jedoch nur auf dem Papier.
Sicherheit: Die gemeinsame Streitkraft bleibt Theorie
Der nigrische Menschenrechtsaktivist Alhadji Baba Almakiyya spricht von einem schwerwiegenden Versäumnis: "Wäre die gemeinsame Truppe der AES einsatzbereit, sähe die Sicherheitslage heute ganz anders aus. Stattdessen hören wir nur von zu vielen Offizieren hinter Schreibtischen - und zu wenigen an der Front."
Er fordert entschlossenes Handeln: "Die Regierungen müssen die Truppe endlich aufstellen und effektiv im Kampf gegen den Terrorismus einsetzen."
Ein fragiles Jubiläum inmitten wachsender Gewalt
Das zweijährige Bestehen der Allianz fällt in eine Phase wachsender Unsicherheit - insbesondere in Mali und Burkina Faso, wo große Landesteile außerhalb staatlicher Kontrolle liegen. Auch in Niger bleibt die Lage trotz anderslautender Regierungsrhetorik angespannt.
Die AES steht damit an einem Scheideweg: Zwischen dem Wunsch nach Unabhängigkeit und den strukturellen Realitäten einer Region, die weiterhin von Armut, Gewalt und institutioneller Schwäche geprägt ist. Ob das Bündnis künftig mehr sein kann als ein symbolischer Zusammenschluss, wird von politischem Willen, dem Vertrauen der Bevölkerung und konkretem Handeln abhängen.