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Politik

Weber führt Europas Konservative an

Barbara Wesel
8. November 2018

Manfred Weber will EU-Kommissionschef werden. Mit großer Mehrheit wählte die konservative EVP in Helsinki den CSU-Abgeordneten zu ihrem Spitzenkandidaten bei der nächsten Europawahl. Aus Helsinki Barbara Wesel.

Finnland Helsinki EVP Kongress
Bild: DW/B. Wesel

T-Shirts mit einem lächelnden Manfred Weber, Lebkuchen-Herzen mit "Manfred"-Porträt, Einkaufstaschen mit "Manfred"-Aufschrift - die PR-Experten der Europäischen Volksparteien gaben alles, um die Wahl ihres Spitzenkandidaten in Helsinki groß zu inszenieren. Und am Ende siegte der Deutsche aus Niederbayern wie erwartet mit rund 80 Prozent der Stimmen über seinen einzigen Mitbewerber, den Finnen Alexander Stubb.

Weber: Dynamisch und heimatverbunden

Der früher etwas farblos wirkende Weber, langjähriger Fraktionsvorsitzender der EVP im Europaparlament, hatte erkennbar daran gearbeitet, mehr jung-dynamisch und weniger wie ein Sparkassendirektor aus der Provinz zu wirken. Da legte er für die Diskussion mit seinem einzigen Kontrahenten, dem früheren finnischen Ministerpräsidenten Alexander Stubb, auch schon mal den Schlips ab. Aber richtig gestritten haben die beiden nicht, trotz realer Meinungsverschiedenheiten - es sollte keine Misstöne geben.

Weniger wie ein Sparkassendirektor? Manfred Weber beim EVP-KongressBild: picture-alliance/Lehtikuva/M. Ulander

Nach einer gerade veröffentlichten Umfrage denkt die Mehrheit der Europäer nostalgisch an die Vergangenheit - Manfred Weber bediente genau diese Gefühle. Er betonte seine Herkunft aus einem kleinen Dorf in Niederbayern und inszenierte sich mit seinem unperfekten Englisch als bodenständiger Typ: "Die EU ist zum Projekt der Eliten geworden", so empfänden die Leute, betonte Weber.

Dagegen will der Bayer den Bürgern ein Gefühl von Sicherheit geben, die Außengrenzen der EU hermetisch abschließen und für die Bürger "eine Heimat schaffen, auf die sie stolz sein können". Außerdem will er die "europäische Identität" verteidigen, mit einer Kirche in jedem Dorf. Weber kritisierte aber auch die fortgesetzte Ungleichheit der Lebensbedingungen in Europa: In seinem Heimatdorf würden die Rollstühle der Senioren von Frauen aus Osteuropa geschoben, die ihr Geld fern der eigenen Heimat in der Pflege verdienen müssten.

Der Beifall am Ende klang ziemlich begeistert. Manfred Webers Rede hätte auf jedem CSU-Parteitag die Delegierten mitgerissen. Ob das auch beim Europawahlkampf funktioniert, vor allem in den Nachbarländern, muss sich zeigen.

Stubb: Nur ein Zählkandidat

Erst spät war Alexander Stubb als Gegenkandidat aus der Deckung gekommen, hatte mit einem Social-Media-Feuerwerk und Interviews quer durch Europa versucht, sich bekannt zu machen. Der frühere finnische Ministerpräsident konnte immerhin Regierungserfahrung aufweisen, was ihn vor dem Deutschen auszeichnete, und präsentierte sich als das liberalere Gegenmodell zu dem CSU-Mann.

Misstöne vermieden: Manfred Weber (l) und Alexander Stubb (r)Bild: picture-alliance/Lehtikuva/M. Ulander

"Die europäischen Werte werden angegriffen, von außerhalb und von innerhalb Europas", sagte Stubb in seiner Bewerbungsrede. Und er forderte die EVP-Delegierten im Saal auf, für die liberale Demokratie auf die Barrikaden zu gehen. Doch die dachten nicht daran, auch wenn alle wussten, gegen wen es dabei ging: Gemeint waren Viktor Orban und seine Fidesz-Partei, die Ungarn in den vergangenen Jahren zu einer korrupten Klein-Diktatur mitten in Europa umgebaut haben.

Hätte Stubb das Rennen gemacht, wäre Orbans Zeit in der EVP zu Ende gewesen. Manfred Weber dagegen hält seit Jahren schützend die Hand über den Ungarn und seine zunehmend rechtsradikale Fidesz. Man müsse mit ihnen im Gespräch bleiben, betonte der Bayer. Das hat Orban allerdings bisher nicht davon abgehalten, die Demokratie in seinem Land Schritt für Schritt zu demontieren.

Erst im September hatte sich Weber dazu durchgerungen, mit der Mehrheit des Europaparlaments für die Eröffnung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn zu stimmen - zu schädlich schien inzwischen seine Weigerung für ihn geworden.

EVP: Flügelkampf geht weiter

Als in Helsinki auch noch Viktor Orban selbst aufstand und sich beim "lieben Manfred" dafür bedankte, dass er ihn während des Wahlkampfes zu Hause tatkräftig unterstützt habe, kam dieser Auftritt des Schmuddelkindes der EVP weniger gut an. Weber betrachte die europäische Parteiengruppe eben als "Familie, in der man sich streiten kann, aber immer zusammensteht", erklärte der Ungar ungerührt.

Doch der Kultur- und Flügelkampf in der EVP ist nicht ausgestanden: "Wer nicht die Rechtstaatlichkeit wahrt, wer die Freiheit der Medien und der NGOs nicht schätzt, der ist kein Christdemokrat" donnerte der Pole Donald Tusk, Präsident des Rates der EU-Regierungen. "Wir können das Argument nicht akzeptieren, dass der Schutz der Grenzen und unserer Identität die Regeln der liberalen Demokratie aushebeln muss."

Der derzeitige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (r) - und sein Möchtegern-Nachfolger Manfred Weber (l)Bild: DW/M. Luy

Und sogar Angela Merkel, die mit stehendem Beifall gefeiert wurde, erinnerte an den Kampf um Frieden und Freiheit in Europa und daran, dass es bei der kommenden Wahl auch um "Einstellungen und Haltungen" gehe. Damit mahnte sie den in der CSU als gemäßigt geltenden Manfred Weber, der auf EU-Ebene allerdings eher für eine Rechts-Wende steht.

EU-Kommission: Wer Chef wird, ist nicht ausgemacht

Die Regierungschefs der EU hatten sich nur widerstrebend auf den sogenannten Spitzenkandidaten-Prozess eingelassen, wonach die stärkste Parlamentsfraktion bei der Europawahl auch den EU-Kommissionspräsidenten stellen darf. Das ist der Schlüsselposten der EU, die politische Schaltzentrale, in der die Regeln Europas überwacht und teilweise auch gemacht werden. Es ist also noch nicht sicher, dass der nächste Präsident im Brüsseler Kommissionsgebäude wirklich Manfred Weber heißen wird.

Zwar ist zu erwarten, dass die EVP wieder die stärkste politische Gruppe wird, aber es ist nicht klar, wie überzeugend der Sieg ausfallen wird. Weber hat zwar Sozialdemokraten und Grüne scharf angegriffen, aber er braucht am Ende ihre Stimmen für seine Wahl. Und er braucht die Zustimmung der Regierungschefs, von denen viele Vorbehalte haben, den Posten einem Deutschen ohne Regierungserfahrung zu überlassen. Gut vorstellbar, dass Franzose Emmanuel auch noch ganz eigenen Ideen präsentieren wird, wen er in dem Amt sehen will.

Interview mit Manfred Weber, CSU

03:30

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