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Mann mit großen Aufgaben

Nicolas Martin1. Januar 2016

Der Italiener Filippo Grandi ist das neue Gesicht des UN-Flüchtlingshilfswerks. Trotz der größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg kämpft seine Organisation mit chronischem Geldmangel.

Filippo Grandi
Bild: picture-alliance/AA/C. Ozdel

Einen schwereren Job kann man derzeit kaum übernehmen: Der Italiener Filippo Grandi ist der neue Chef von etwas mehr als 9300 Mitarbeitern in rund 123 Ländern. Doch viel größer als die Personalverantwortung wiegt der Auftrag. Als Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) muss sich Grandi um die Sicherheit und das Überleben von Flüchtlingen weltweit kümmern. Nach vorläufigen Berechnungen hat die Zahl der Entwurzelten im Jahr 2015 einen neuen Höchststand von mehr als 60 Millionen erreicht.

Grandis Vorgänger, der Portugiese Antonio Guterres, hatte zuletzt bereits die möglichen Schwerpunkte für Grandi skizziert. Vor dem UN-Sicherheitsrat forderte Guterres noch Mitte Dezember ein Art "New Deal" für die Nachbarstaaten Syriens. In Anlehnung an das Wirtschaftsprogramm der 1930er-Jahre in den USA sollen diejenigen Länder finanziell unterstützt werden, in denen besonders viele Flüchtlinge aus Syrien Zuflucht gefunden haben.

Mehrmals mahnte Guterrez zuletzt auch Europa, sich stärker für Flüchtlinge einzusetzen, und warnte vor zunehmender Fremdenfeindlichkeit. Die größte Massenmigration seit dem Zweiten Weltkrieg und ein Europa ohne klare, gemeinsame Haltung bei der Flüchtlingspolitik werden von Januar an ganz oben auf Grandis Agenda stehen. "Es ist ein schwieriges Amt, das er nun antritt", ist sich Karl Kopp, Europareferent der Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl, sicher. "Wir hoffen, dass er in die Fußstapfen seines Vorgängers passt und dass er ähnliche Akzente wie Guterres setzt."

Lange Erfahrung

Zehn Jahre war der ehemalige portugiesische Premierminister als Flüchtlingskommissar tätig. Anders als Guterres hat sich Grandi innerhalb der Vereinten Nationen hochgearbeitet. Seine Vita liest sich wie die Chronologie der Kriege und Konflikte der vergangenen 20 Jahre: Sudan, Irak, Afghanistan, Liberia, Ruanda, Burundi - jeweils im Einsatz für das Flüchtlingshilfswerk.

In den vergangenen zehn Jahren setzte sich der heute 58-Jährige für palästinensische Flüchtlinge ein, die ersten fünf davon als stellvertretender Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNWRA. Von 2010 bis 2014 leitet er dieselbe Institution dann als Generalkommissar. "Wir müssen zu den Menschen, bevor sie zu uns kommen", so kommentierte er den Besuch eines völlig zerbombten palästinensischen Flüchtlingslagers nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus im Februar 2014. Längere Zeit hatten die Bewohner keinen Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt. Für viele war die Flucht die einzige Überlebenschance.

Solidarität als Waffe

Dass Grandi nicht nur ein Technokrat ist, sondern auch mit Menschlichkeit Akzente setzt, zeigte er bei einer Veranstaltung der Universität Mailand. Grandi hat dort selbst moderne Geschichte und Philosophie studiert. Den Studenten erzählte er von seinem Berufseinstieg. Bei einem Auslandsaufenthalt in Thailand sollte er sich um kambodschanische Flüchtlinge kümmern. Ein kleines Mädchen sei in seinen Armen an Malaria gestorben, dies habe ihn eines gelehrt: "Im Angesicht des Leidens gibt es nur eine Antwort - pure Solidarität", so Grandi zu den Studenten.

Eines von vielen UNHCR- Flüchtlingslager für Syrer im jordanischen AzraqBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Zu Solidarität muss Grandi vor allem die internationalen Geldgeber ermahnen. Denn eine Aufgabe des Hohen Flüchtlingskommissars ist es, jedes Jahr die Gelder einzutreiben. Zwar gibt es einen UN-Notfonds - der UNHCR hängt aber stark von freiwilligen Spenden von Staaten, zwischenstaatlichen Organisationen und Privatleuten ab. Häufig übersteigen die Zusagen am Ende die endgültigen Zahlungen. So ist der UNHCR seit Jahren in einer finanziellen Krise. Anderen UN-Organisationen geht es ähnlich. Das Welternährungsprogramm musste bereits syrischen Flüchtlingen in Jordanien die Essenrationen kürzen.

Im Jahr 2015 hatte der UNHCR rund sieben Milliarden Dollar zur Verfügung. Wird das Geld angesichts der Flüchtlingskrise nicht aufgestockt, so ist es wahrscheinlich, dass deutlich mehr Flüchtlinge nach Europa kommen. "Es ist die dramatische Situation der Flüchtlingskrise auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite gibt es kaum noch verantwortungsvolle Partner, die bereit sind, für den Schutz von Flüchtenden einzutreten", bilanziert Karl Kopp von Pro Asyl.

Harte Konkurrenz

Auf dem Weg zum Hohen Kommissar hat sich Grandi gegen hochkarätige Bewerber durchgesetzt. Im Gespräch waren auch der deutsche Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Achim Steiner, und die frühere Ministerpräsidentin Dänemarks, Helle Thorning-Schmidt. Dennoch entschied sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Mitte November für Grandi. Der Italiener ist somit auf einem der wichtigsten Posten innerhalb der UN-Hierarchie angekommen. Sein Vorgänger, der Portugiese Guterres, gilt nun als aussichtsreicher Bewerber für den Posten des Generalsekretärs.

Antonio Guterres - Vorgänger von Filippo GrandiBild: picture-alliance/dpa/J.-Ch. Bott
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