Manosphere: Wie Misogynie Klicks bringt
28. Juni 2025
Frauenhass ist längst kein Randphänomen mehr, sondern wird auf Social Media massenhaft verbreitet. In der sogenannten "Manosphere" inszenieren sich Männer als Opfer des Feminismus und rufen zur "Rückeroberung" ihrer Macht auf. Junge Nutzer stoßen oft zufällig auf diese Inhalte - und bleiben hängen. Eine digitale Parallelwelt voller Wut, Frust und Ideologie.
Wofür steht die Manosphere?
Die Manosphere ist ein Sammelbecken für antifeministische Narrative, die sich rasant über soziale Medien verbreiten. Die Inhalte reichen von manipulativen Dating-Ratschlägen, über politische Forderungen, die gezielt die gesellschaftliche Stellung von Frauen schwächen sollen, bis hin zu offenem Frauenhass. Gemeinsam ist ihnen die grundsätzliche Ablehnung von Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.
Ihre Inhalte wirken oft professionell produziert: "Es sind Männer mit Mikrofonen, meist sind es Podcast-Situationen, in denen sie darüber schwadronieren, dass Frauen zum Beispiel keinen hohen "Bodycount" - also nicht mit vielen Männern geschlafen - haben dürfen. Diese Manosphere beruft sich laut eigener Aussage auf natürliche und traditionelle Werte, meint aber damit eigentlich Unterdrückung", sagt Tara-Louise Wittwer, die sich als Autorin (akt. Buch "Nemesis' Töchter") und Videoproduzentin (@wastarasagt) mit diesem Thema seit vielen Jahren beschäftigt.
"Nach diesem traditionellen Weltbild wird die Frau vom Mann aktiv gewählt. Das ist eins der Wunschmotive der Alpha-Männer. Doch die Realität hier ist eine andere: Inzwischen kann die Frau meist selber entscheiden, wen sie wählt oder ob sie auch gar keinen wählt oder eine Frau wählt oder alleine bleibt und vielleicht ganz glücklich ist mit 30 Jahren und drei Katzen. Das macht diese Art von Männern wütend, sie sehen, dass sie die Macht über die Frauen verlieren", sagt Tara-Louise Wittwer.
Nach einigen Stunden scrollen in der Welt der Alpha-Männer entsteht der Eindruck, dass sie alle eine identische Wahrnehmung kultivieren: die moderne Gesellschaft sei gegen Männer eingestellt und Männer würden in ihr benachteiligt. Der Wunsch nach alten gesellschaftlichen Strukturen und Stereotypen dominiert auf diesen Social-Media-Kanälen.
Das Aufkommen der Christfluencer
Das Gleiche propagieren auch sogenannte Christfluencer, die sich auf die Religion berufen, um Frauenrechte einzuschränken. "Es ist ein Versuch, die Verantwortung abzugeben. Nach dem Motto: Wir können ja nichts dafür, dass wir Frauen unterdrücken, weil Gott oder Jesus das gesagt hat, oder die Biologie halt so ist, dass die Frau weniger wert ist, nur wenige Männer haben darf, nur dies und das machen darf", sagt Wittwer.
Auch zunehmend mehr Frauen teilen diesen Trend. "Make him a sandwich" ist ein Hashtag, den Frauen verwenden, die die Einstellung der Manosphere und die Ideologie von der "natürlichen Ordnung" teilen. "Diese Frauen betonen oft, dass es ihre Entscheidung ist, so abhängig zu leben. Und das ist erstmal gar nicht zu verurteilen. Wenn eine Frau sagt, ich will eine traditionelle Hausfrau sein, mich erfüllt es, zuhause zu sein, zu kochen und Kinder zu kriegen, dann ist das natürlich in Ordnung. Dafür haben Feministinnen so lange gekämpft, dass man eben diese Wahl hat", sagt Wittwer. Das Problem aber ist: Wenn Frauen vorwiegend im Haushalt tätig sind, verschwinden sie aus dem öffentlichen Leben und können Entscheidungen und Prozesse nicht mitgestalten.
Viele dieser Frauen, die die Ideen der Manosphere teilen, erstellen ebenfalls Accounts und propagieren ihren Lebensstil als den einzig wahren. "Wer das nicht macht, wird als psychisch krank abgestempelt und ihr wird eine Therapie empfohlen. Wie so oft, wird der Feminismus als eine Krankheit dargestellt."
Vergifteter Diskurs auf Social Media
Tara-Louise Wittwer ist auch im Internet aktiv und produziert regelmäßig Videos zum Thema Gleichberechtigung und Solidarität unter Frauen. Sie analysiert kritisch, wie patriarchale Strukturen und Influencer auf den sozialen Medien misogyne Inhalte verbreiten - kurz, pointiert und mit feinem Humor. Doch nicht jedem gefällt das. Kommentare wie: "Aber ihr habt doch alles in Deutschland" in Bezug auf Frauenrechte sind keine Seltenheit. "Die Statistiken zeigen allerdings, dass jeden zweiten Tag Frauen von ihrem Partner oder ehemaligen Partnern umgebracht werden."
Nicht nur von Männern wird Tara Wittwer kritisiert. Auch aus dem feministischen Lager bekommt sie Kritik. "Für einige bin ich nicht radikal genug. Zum Beispiel sympathisiere ich nicht mit der 4B-Bewegung (Anm.d.Red.: Diese radikalfeministische Bewegung kommt aus Südkorea und lehnt die Ehe mit Männern ab, die Frau soll keine Kinder, keine romantischen Beziehungen und keinen Sex mit Männern haben) - u.a. weil ich selbst einen Ehemann habe, den ich auch nicht missen will. Es geht ja nicht um Ehe oder Nicht-Ehe. Es geht darum, dass Frauen die Wahl haben sollen und entscheiden können. Frauen und Männer sind nicht gleich, aber gleichwertig. Und das scheinen ganz viele nicht begreifen zu wollen. Es geht um Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit."
Also genau das Gegenteil von dem, was die Anhänger der Manosphere, egal ob Männer oder Frauen, wollen. Die größte Gefahr ist die zunehmende Popularität dieser Bewegung. Plattformen wie TikTok und YouTube bieten dafür den perfekten Nährboden. Influencer verkaufen toxische Männlichkeitsbilder als Lifestyle-Tipps und tarnen Hass als "Wahrheit". Besonders junge Männer sind anfällig für diese Inhalte. Social Media formt eine neue Welle von frauenfeindlichen Narrativen, die für gesellschaftlichen Sprengstoff sorgen können.