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"Hacker tragen große Verantwortung"

Felix Schlagwein
29. Dezember 2016

Im Interview mit der DW erklärt die Autorin und Netzaktivistin, warum Hacker die Mächtigen der Zukunft sind. Und warum Kanzlerin Angela Merkel Recht hatte, als sie das Internet als "Neuland" bezeichnete.

Manuela Reizel
Bild: M. Lößl

Manuela Reizel wurde 1966 in Stuttgart geboren. Sie studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Saarbrücken. Zwischen 2012 und 2015 veröffentlichte die Schriftstellerin ihre "Kranich-Trilogie", in der sie literarisch in die Welt der Hacker eintaucht. Reizel ist Netzaktivistin und verfolgt seit Jahren die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalen Revolution aus der Perspektive der "Insider". Heute lebt und arbeitet die Schriftstellerin in Frankfurt am Main.

DW: Was hat Sie dazu bewegt, das Thema Hacking zum Hauptmotiv ihrer Trilogie zu machen?

Reizel: Es war definitiv eine Entwicklung. Mitte der Nullerjahre fing ich an, mich mit dem Internet und was damit zusammenhängt, zu beschäftigen und mir wurde schnell klar, dass dieser ganze Bereich ein super spannendes Thema ist. Ich hatte zuvor zwei Romane zu ganz anderen Themen geschrieben, habe dann aber gemerkt, dass das ein Bereich ist, der mich sehr interessiert und für den ich brenne.

Was genau hat Sie an Hackern interessiert?

Ich bin erst sehr spät in diesem Internet aufgeschlagen. Da war das alles schon sehr weit entwickelt. Ich hatte mich vorher mit ganz anderen Dingen beschäftigt, bin dann aber wie mit einem Kopfsprung in diese Materie eingetaucht. Und ich habe da gesehen, was für eine wahnsinnige Welt sich hinter diesem Monitor auftut.

Virtuelle Welten: Treffen des Chaos Computer Clubs 2014 in HamburgBild: Lux/Getty Images

Ich hatte das Gefühl, ganz viel nachholen zu müssen, und habe das auch getan. Für mich waren vor allem die Leute interessant, die das alles mitgestalten und nicht nur nutzen. Diese Leute gehen mit Computern kreativ um – für mich sind es Künstler, die einfach nur in einem anderen Bereich arbeiten.

Wie haben Sie in der Szene recherchiert? War es schwierig, an Informationen zu gelangen?

Zuerst ist es natürlich schwer, als Frau und Nicht-Informatikerin in diesem Bereich Fuß zu fassen. Ich habe über einen langen Zeitraum hinweg versucht, mich alleine in das Thema einzuarbeiten. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem ich persönliche Kontakte herstellen musste und auch wollte. Da war der Chaos Computer Club (CCC) natürlich die richtige Adresse. Das war auf ganzer Linie eine positive Erfahrung.

Ich habe dort sehr großes Interesse an meiner Arbeit, Offenheit und eine enorme Hilfsbereitschaft erfahren. Und ich habe viele nette Menschen getroffen, die mir großzügig ihre Expertise und vor allem ihre Zeit zur Verfügung gestellt haben. Ohne die Beratung durch das Umfeld des CCC hätte ich zumindest die technischen Passagen meiner Bücher gar nicht schreiben können.

Buchcover des 1. Teils der "Kranich-Trilogie"Bild: braumüller Verlag

In Ihren Büchern geraten Hacker oft in Konflikt mit mächtigen Politikern und Organisationen. Sind Hacker die Mächtigen der Zukunft?

Ich glaube, dass Menschen, die mit der Technik umgehen können, zu den Eliten gehören werden. Aber eigentlich haben wir diesen Zustand schon. Politiker und etablierte Medien merken, dass ohne diese Experten nichts mehr geht. Innerhalb der Szene ist deshalb auch eine neue Identitätsfindung im Gange, weil man sich seiner neuen gesellschaftlichen Verantwortung und Bedeutung bewusst ist. Ich denke, diese Leute sind heute schon wichtige gesellschaftliche Funktionsträger und werden es in der Zukunft natürlich umso mehr sein.

Werden Hacker unsere Retter oder unsere Feinde in einer immer stärker digitalisierten Welt sein?

Die Frage ist, wie man den Begriff "Hacker" definiert. Nach der ursprünglichen Bedeutung des Wortes "Hacker" sind sie natürlich unsere Retter. Ein Hacker ist jemand, der neue Wege geht, der unkonventionell denkt, der kreativ und innovativ mit Dingen umgeht. Er ist jemand, der auf der guten Seite steht, auf der Seite des positiven gesellschaftlichen Wandels und des Fortschritts, auf Seiten der Utopie, nicht der Dystopie.

Aber natürlich gibt es auch Hacker, die sich auf die andere Seite stellen und ihre Fähigkeiten beispielsweise kriminellen Organisationen oder autoritären Regimen zur Verfügung stellen. In der Szene nennt man diese Leute "Black Hats". Sie setzen die Technik gegen Menschen ein, was dem eigentlichen Ideal des Hackers vollkommen widerspricht.

Hacker sind oft in geheimen digitalen Welten unterwegsBild: Lux/Getty Images

Im Sommer 2013 bezeichnete Kanzlerin Angela Merkel Merkel das Internet als "Neuland". Dafür erntete sie viel Spott und Häme. Zu Recht?   

Ich denke, seit der Trump-Wahl lacht niemand mehr über diesen Satz. Angela Merkel ist dafür sehr auf die Schippe genommen worden - zu Unrecht, wie ich finde. Wir merken erst jetzt, was dieser Satz auf seiner tieferen Ebene tatsächlich für eine Bedeutung hatte. Jetzt nach der Wahl von Donald Trump haben wir eine sehr ernste Debatte über das Thema Medienkompetenz und Fake-News, auch weil hier in Europa nächstes Jahr zwei wichtige Wahlen stattfinden.

Aber das Thema ist in dem Ausmaß für uns alle wirklich Neuland. Merkel hat damals Weitblick bewiesen und es war sehr voreilig, ihre Aussage damals so scherzhaft abzutun. Das Thema wird uns alle noch sehr lange beschäftigen. Die technische und intellektuelle Elite muss im Diskurs mit der Gesellschaft Antworten finden, damit wir das bewahren können, was wir alle bewahren wollen. 

Zur Information: Der Chaos Computer Congress (33C3) ist eines der weltweit größten Hackertreffen und findet in diesem Jahr vom 27.- 30.12.2016 unter dem Motto: "Works For Me" wieder in Hamburg statt.

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