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Marc-André ter Stegen: die neue Nummer eins für Deutschland

Mathias Brück
27. August 2024

In der Fußball-Nationalmannschaft kämpft Marc-André ter Stegen jahrelang vergeblich mit Manuel Neuer um den Stammplatz im Tor. Nach Neuers Rücktritt dürfte er jetzt erste Wahl sein - und kann seine Karriere veredeln.

Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen beim Training
Nach langer Wartezeit: Marc-André ter Stegen (r.) wird Manuel Neuer (l.) wohl als deutscher Nationaltorhüter beerbenBild: ActionPictures/IMAGO

Auf die Rücktrittserklärung von Manuel Neuer reagierte Marc-André ter Stegen wie gewohnt - gentlemanlike und voller Respekt. "Für immer ein Weltmeister und eine Legende im deutschen Fußball", schrieb der 32-Jährige auf Instagram. Dazu passend postete er ein Bild von Neuer, der im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro den WM-Pokal in die Höhe reckt. Neben der unzweifelhaften Wertschätzung dürfte bei ter Stegen jedoch auch eine große Portion Erleichterung vorhanden gewesen sein.

Jahrelang hatte der Stammkeeper des FC Barcelona die Rolle als Nummer zwei im deutschen Tor klaglos ertragen. Auch als sich Bundestrainer Julian Nagelsmann zuletzt für Neuer als Nummer eins bei der Heim-EM in Deutschland entschied, begehrte ter Stegen nicht auf. Nun dürfte die ewige Nummer zwei endlich zum Stammtorwart aufsteigen und darf hoffen, in der Nationalmannschaft eine ähnliche Karriere wie im Klubfußball hinzulegen.

Anfänge in Mönchengladbach

Dort erlebte ter Stegen einen rasanten Aufstieg: Nach 13 Jahren in der Jugendabteilung von Borussia Mönchengladbach unterschieb der gebürtige Gladbacher 2009 als 17-Jähriger seinen ersten Profivertrag. Zwei Jahre machte ihn der damalige Trainer Lucien Favre zur Nummer eins der ersten Mannschaft.

Diese Position sollte er bis zu seinem Abschied im Sommer 2014 nicht mehr hergeben. Favre attestierte ter Stegen ein paar Jahre später gar Weltklasse und führte aus: "Er ist ein hervorragender Torhüter, das konnte man bereits im ersten Training von ihm erkennen. Wenn du das nicht gesehen hast, dann bist du blind."

"Willkommen bei Barça" - Barcelonas Torhüterlegende Andoni Zubizarreta (r.) bei Marc-André ter Stegens (l.) Vorstellung in BarcelonaBild: Gruppo/S. Lau/picture alliance

Einem tränenreichen Abschied von "seiner Borussia" folgte der Schritt zum großen FC Barcelona. Maßgeblich beteiligt war Barcelonas Torhüterlegende und damaliger Sportdirektor Andoni Zubizarreta. "Er erklärte er mir, was es bedeutet, Torhüter von Barça zu sein, die Geschichte des Klubs und was sie von mir erwarten würden", sagte ter Stegen. "Er hat mich überzeugt - mit Worten und Gefühl."

Der Ex-Gladbacher sollte bei Barça eigentlich den abgewanderten Stammtorhüter Victor Valdes ersetzen, es kam jedoch zunächst anders: Parallel zum deutschen Nationalspieler hatten die Katalanen auch den Chilenen Claudio Bravo auf der Torwart-Position verpflichtet. Während Bravo in allen Ligaspielen gesetzt war, durfte ter Stegen nur in der Champions League und im Pokal ran. Das Engagement bei Barça stand damit schon wieder kurz vorm Scheitern.

Ter Stegen: "Ich habe über einen Wechsel nachgedacht"

"Ich werde nicht leugnen, dass es Momente gab, in denen ich über einen Wechsel nachgedacht und nach Lösungen gesucht habe", sagte ter Stegen gegenüber der Zeitschrift "Club del Deportista". Das tat er jedoch nicht und wurde für seine Geduld belohnt: Nach zwei Jahren bekam der damals 24-Jährige das Vertrauen des Klubs und wurde neue Nummer eins, Bravo wurde zu Manchester City transferiert.

Marc-André ter Stegen ist seit Jahren eine feste Größe und neuerdings sogar Kapitän beim FC BarcelonaBild: Irina R. Hipolito/ZUMA Wire/IMAGO

Mittlerweile hat ter Stegen mit Barcelona fünf spanische Meisterschaften, fünf spanische Pokalsiege, die Klubweltmeisterschaft und den Champions League-Titel gewonnen. Im Mai hat er zudem sein 411. Spiel für Barcelona gemacht und ist damit an Zubizarreta (410 Spiele) vorbeigezogen. Einzig Victor Valdes (535) liegt aktuell noch vor dem Deutschen in Barcelonas Torware-Historie. Zudem wurde er in der Saison 2022/23 zum Spieler des Jahres in Spanien gewählt und bekleidet seit einigen Tagen offiziell das Kapitänsamt beim FC Barcelona.

Die ewige Nummer zwei der Nationalmannschaft

Bei der Nationalmannschaft lief es hingegen von Anfang an eher holprig. Vor der Europameisterschaft 2012 gab der Mönchengladbacher sein Debüt im DFB-Team, kurz nach seinem 20. Geburtstag. Der damalige Bundestrainer Joachim Löw hatte ihn für den vorläufigen Kader der deutschen A-Nationalmannschaft für die EM in Polen und der Ukraine nominiert. Ter Stegens Startelfdebüt lief jedoch alles andere als nach Plan. Am 26. Mai 2012 setze es in Basel eine krachende 3:5-Niederlage gegen die Schweiz.

Es folgten ein 1:3 gegen Argentinien und ein 3:4 gegen die USA inklusive Slapstick-Eigentor. Nach drei Länderspielen stand die Schreckensbilanz von zwölf Gegentreffern und mehreren Patzern. Die Folge: Ter Stegen schaffte es nicht in den EM-Kader von 2012.

Auch bei der WM 2014 blieb er außen vor, stattdessen wurden neben Manuel Neuer Ron-Robert Zieler und Robert Weidenfeller Weltmeister. Anschließend erkämpfte sich ter Stegen zwar einen Kaderplatz und war mit Ausnahme der EM 2021 (Knieverletzung) bei allen großen Turnieren dabei. Doch an Neuer war kein Vorbeikommen. EM 2016, WM 2018, WM 2022, EM 2024: Es bot sich stets das gleiche Bild. Obwohl er zuvor manches Mal lange verletzt gewesen war, hütetet Neuer das deutsche Tor. Ter Stegen musste sich mit einem Platz auf der Bank zufriedengeben.

Marc-André ter Stegen (l.) blieb auch bei der EM 2024 nur der Bankplatz hinter Manuel Neuer (r.)Bild: Peter Schatz/dpa/picture alliance

Ter Stegens Zeit schien gekommen, als Deutschland bei der WM 2022 in Katar desaströs in der Vorrunde ausschied und sich Stammkeeper Manuel Neuer im folgenden Urlaub beim Skifahren einen Schien- und Wadenbeinbruch zuzog. Ter Stegen stieg somit zur Nummer eins auf und war fast anderthalb Jahre in der Startelf gesetzt. Seine Ambitionen im DFB-Team artikulierte er daraufhin auch öffentlich: "Im Moment bin ich die Nummer eins, und es ist mein Anspruch, das auch zu bleiben", sagte er im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".

Leistungsprinzip außer Kraft gesetzt?

Doch es wieder kam es anders: Nagelsmann entschied sich für die Heim-EM 2024 erneut für einen zuvor nicht fehlerfreien und keineswegs unumstrittenen Neuer als Stammtorwart. Ein weiterer Schlag ins Gesicht für ter Stegen, der jedoch auch auch in diesem Moment Größe zeigte. Einige Fans und Experten sahen jedoch das Leistungsprinzip außer Kraft gesetzt. 

"Seine Ansprüche sind nicht unberechtigt", sagte auch der ehemalige Welttorhüter Oliver Kahn über ter Stegen gegenüber der "Bild". "Er bringt konstante Leistungen, und weder waren die letzten Turniere der Nationalmannschaft erfolgreich, noch wirkt Manuel Neuer aktuell stabil."

Bahn frei für den "Weltklasse-Torwart"

Nun macht der Rücktritt Neuers den Weg für Marc-André ter Stegen als neue Nummer eins im deutschen Tor frei, daran bestehen wohl kaum Zweifel. Die spanische Zeitung "Sport" titelte beispielsweise bereits: "Endlich wird ter Stegen Deutschlands Stammtorwart." Auch Nagelsmann und DFB-Sportdirektor Rudi Völler sind voll des Lobes für den mittlerweile 32-Jährigen und bezeichneten ihn unisono als "Weltklasse-Torwart".

Am Donnerstag wird Nagelsmann seinen Kader für die Nations-League-Spiele gegen Ungarn (7. September, 20:45 Uhr MESZ) und die Niederlande (10. September, 20:45 Uhr MESZ) bekanntgeben und ter Stegen wohl erstmals als "echte" Nummer eins dabei sein.

Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus sieht ter Stegen ebenso ab sofort als klare Stammkraft der Nationalmannschaft. "Er hat es aufgrund seiner Leistungen verdient, jetzt die Nachfolge von Manuel Neuer anzutreten", sagte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Marc-André ter Stegen hat lange genug gewartet."