Die Schauspielerin und Regisseurin setzte sich in der Männerdomäne Film durch und würdigte die Leistung von Frauen. Die feministische Pionierin Margarethe von Trotta wird nun 80 Jahre alt.
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Margarethe von Trotta sei eine "Meisterin der bewegten Bilder, eine der großen Filmemacherinnen unserer Zeit", ließ Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anlässlich des 80. Geburtstag der Regisseurin und Schauspielerin mitteilen. Ihre Filme hätten ihn persönlich sein ganzes Leben und vor allem in seiner Jugend begleitet und stark geprägt. Für ihr Gesamtwerk wurde sie unter anderem 2018 in der Frankfurter Paulskirche mit dem Adorno-Preis und 2019 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.
Im Zentrum ihrer Arbeiten stehen Frauen, die Geschichte mitgeschrieben haben, wie Rosa Luxemburg, Hildegard von Bingen oder auch Hannah Arendt.
Margarethe von Trotta: Leben vor und hinter der Kamera
Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder oder Barbara Sukowa. Als Regisseurin hat sie viel gewagt, aber auch auf Konstanz gesetzt. Die zentralen Stationen der außergewöhnlichen Regisseurin in Bildern.
Bild: picture-alliance/dpa
Die Welt im Film
Als sie in den 1970ern erstmals ein Drehbuch einreichte, war die Reaktion: "Ach, Frau Schlöndorff, warum denn? Sie haben das Drehbuch geschrieben, Ihr Mann macht Regie, und Sie kriegen die Hauptrolle. Das war doch immer so schön. Warum wollen Sie das ändern?" Margarethe von Trotta drehte ihren ersten Film, "Das zweite Erwachen der Christa Klages" (1978), trotzdem - mit einem anderen Produzenten.
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40 Jahre und 24 Filme später
"Tatsache war, dass man es Frauen eigentlich nicht zugetraut hat", kommentierte Margarethe von Trotta später. Heute habe sich vieles gewandelt. "Ich glaube, man muss heute keine Angst mehr davor haben, dass Frauen unterschätzt werden. Nur im Privaten wird es noch die alten Konflikte geben, die unwillkürliche Bevormundung seitens der Männer."
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Sie setzt auf starke Frauen
Ihre Darstellerinnen kommen aus dem Charakterfach, sei es Barbara Sukowa oder Hanna Schygulla (hier im Bild). Mit vielen verbinden die Regisseurin lebenslange Freundschaften. So trifft sie die Journalistin Christiane Ensslin, Schwester von RAF-Terroristin Gudrun Ensslin, die ihr damals die Verfilmung ihrer Lebensgeschichte für "Die bleierne Zeit" erlaubte, bis heute regelmäßig.
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Erfolgsteam: von Trotta und Brokemper
Neu dazu gekommen sind aber nicht nur Schauspielgrößen wie Katja Riemann und Maria Schrader. Für den 2013 erschienen Film "Hannah Arendt" arbeitete Margarethe von Trotta mit der Filmproduzentin Bettina Brokemper zusammen - und das ziemlich erfolgreich. "Hannah Arendt" erhielt zwei Deutsche Fernsehpreise sowie zahlreiche weitere Auszeichnungen.
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Eigenwillige Frauencharaktere
Margarethe von Trotta hat sich mit Gudrun Ensslin, Rosa Luxemburg, Hildegard von Bingen und Hannah Arendt einer ganzen Reihe eigensinniger, unbeugsamer Frauen filmisch angenommen. Dies sei aber kein Programm gewesen: "Bei Rosa Luxemburg sollte ursprünglich Fassbinder Regie führen. Die Figuren kommen zu mir, nicht ich zu ihnen", so von Trotta.
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Große Liebe Volker Schöndorff
In den 20 Jahren Ehe mit Volker Schlöndorff wirkte von Trotta als Schauspielerin, Co-Regisseurin und Drehbuchautorin immer wieder in seinen Filmen mit. Zusammen drehten sie "Strohfeuer" (1972), einen der ersten feministischen Filme. "Wir teilten die Leidenschaft für die französische Sprache, für Kino und Politik, wir waren füreinander bestimmt" beschreibt Schlöndorff die erste gemeinsame Zeit.
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Heute nur noch Freunde
Mit dem Ehe-Aus 1991 ging nicht alles in die Brüche. Die beiden Regiegrößen Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta bewahrten sich ein freundschaftliches Verhältnis, das bis heute andauert. Auf dem Bild begrüßen sich die beiden auf der Berlinale 2014 herzlich.
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Enge Bindung an langjährige Weggefährten
Es war Rainer Werner Fassbinder, der die Theaterschauspielerin Barbara Sukowa für "Berlin Alexanderplatz" (1980) zum Film holte. Mit ihr drehte von Trotta mehrere Filme. Für ihre Rolle als Marianne in "Die bleierne Zeit" (1981) erhielt Sukowa den Bundesfilmpreis als beste Darstellerin. Als Rosa Luxemburg im gleichnamigen Film gab es 1986 den Darstellerpreis der Filmfestspiele von Cannes.
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Sieben gemeinsame Filme bis heute
Beide Frauen haben Deutschland den Rücken gekehrt: Barbara Sukowa lebt seit 1992 in Amerika, Margarethe von Trotta wohnt in Paris. Trotzdem halten die beiden sich bis heute die Treue: Erst 2015 spielte Barbara Sukowa neben Katja Riemann die Hauptrolle in von Trottas neuestem und sehr persönlichen Film "Die abhandene Welt" (2015).
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Neue Projekte in der Mache
Gerade erst wurde bei den Filmfestspielen von Cannes ihr neuester Dokumentarfilm über den Drehbuchautor und Regisseur Ingmar Bergman vorgestellt: Seine Filme waren es, die die damals 18-Jährige so beeindruckten, dass sie sich für ein Leben hinter der Kamera entschied.
Bild: 2009 Concorde Filmverleih GmbH
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Filmemacherinnen sind damals eine Ausnahme
Dabei musste sich die junge Frau erst einmal in der von Männern dominierten Filmbranche behaupten. Das war in den noch sehr reaktionären 1960er-Jahren eine wahre Herausforderung. Die am 21. Februar 1942 geborene Margarethe von Trotta wächst als Tochter einer mittellosen Adligen und eines Malers in den Trümmern von Berlin auf, ehe die Familie nach Düsseldorf zieht. Sie absolviert die Mittlere Reife und besucht im Anschluss zwei Jahre die Höhere Handelsschule. Mit 18 Jahren geht sie nach Paris - und macht dort erste einschneidende Erfahrungen, die ihren Weg zum Film bereiten: Mit ihren französischen Freunden verbringt sie viele Tage im Kino. "Diese Filme haben mir die Augen geöffnet, was Kino sein kann", erinnert sie sich im Interview mit dem SZ-Magazin: "Natürlich ist da der Wunsch entstanden, so etwas selbst einmal zu machen. Aber das waren die frühen Sechzigerjahre, da war gar nicht daran zu denken, dass ich als Frau diesen Weg einschlagen könnte."
Von Trotta kommt über Umwege zum Film
Zurück in Düsseldorf holt sie ihr Abitur nach und studiert erst Kunst, später Romanistik und Germanistik in München und Paris. Beide Studiengänge bricht sie ab und besucht schließlich eine Schauspielschule in München. Dort lernt sie auch ihren Mann, Verlagslektor Jürgen Moeller, kennen. Auf die Heirat 1964 folgt 1965 die Geburt des einzigen Sohnes Felix. Parallel arbeitet von Trotta am Theater. Ab 1967 übernimmt sie erste Filmrollen.
Wichtig wird für sie die Arbeit mit Regisseur Rainer Werner Fassbinder: Sie dreht mit ihm "Götter der Pest" (1970) und "Warnung vor einer heiligen Nutte" (1971). Außerdem steht sie in der Verfilmung des Brecht-Stücks "Baal" (1970) mit ihm vor der Kamera. Regie führt Volker Schlöndorff, der ihr Leben nachhaltig beeinflusst: Von Trotta und der renommierte Regisseur verlieben sich und heiraten 1971. Zwanzig Jahre lang hält die Ehe. Mit ihm zusammen macht sie die ersten Schritte im Regiefach.
Schnell international erfolgreich
1975 führt Margarethe von Trotta das erste Mal Regie, gemeinsam mit Volker Schlöndorff bei "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Ab 1977 ist sie solo unterwegs. "Volker stand meiner Arbeit gespalten gegenüber: Er war einerseits stolz auf mich, andererseits war meine Regielaufbahn für ihn schwer zu ertragen, besonders nachdem ich anfing, Preise zu gewinnen", erzählt Margarethe von Trotta. Und die Preise kommen schnell: Bereits ihre erste, ganz eigene Regiearbeit, "Das zweite Erwachen der Christa Klages" (1978), wird unter anderem mit dem Bundesfilmpreis "Filmband in Silber" ausgezeichnet.
Mit ihrem dritten Film sichert sich Margarethe von Trotta schließlich den Platz am Ehrentisch deutscher Filmschaffender: Mit "Die Bleierne Zeit" (1981), einem Film über die Schwestern Gudrun und Christiane Ensslin, gewinnt sie 1981 als erste weibliche Filmemacherin in Venedig den Goldenen Löwen. Es ist der internationale Durchbruch für die 39-jährige von Trotta und eigentlich ein Grund, in der Bundesrepublik stolz auf sie zu sein. Aber bereits mit ihrem nächsten Film eckt die Regisseurin gewaltig an: "Heller Wahn" (1983) handelt von einer intensiven Frauenfreundschaft, die der Protagonistin die Kraft verleiht in ihrer unglücklichen Ehe aufzubegehren. "Die Frauenfreundschaft im Film war den Kritikern offenbar unheimlich", resümiert von Trotta 2012 in einem Interview: "Da sind Rezensionen erschienen, solche derben, sexistischen Sachen, das kann man heute gar nicht mehr glauben. Diese Freundschaft wird so stark, das hat die Männer verunsichert und wütend gemacht."
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Von Trottas Weggefährtinnen sind starke Frauen
Von Trotta eckt aber nicht nur durch die Filme, die sie macht, an, sondern geht auch ganz bewusst auf Konfrontation: 1978 verklagt sie gemeinsam mit der feministischen Zeitschrift "EMMA" das Magazin "Stern" wegen sexistischer und pornografischer Darstellung von Frauen. Die Klage wird abgewiesen, aber die Frauen erzielen maximalen Effekt für ihre Sache: Sie rücken den alltäglichen Sexismus ins öffentliche Bewusstsein. Die Anfeindungen nach dem Film "Heller Wahn" (1983) bestärken Margarethe von Trotta schließlich, Geschichten von starken Frauen zu erzählen und so verfilmt sie 1986 die Lebensgeschichte von Rosa Luxemburg. "Diese Frau wurde auch ständig angegriffen", erklärt von Trotta ihre Entscheidung für den Stoff.
Bei der Wahl ihrer Darsteller fällt auf: Margarethe von Trotta hat ihre Lieblinge. Barbara Sukowa spielt sowohl in "Die Bleierne Zeit" (1981) als auch in "Rosa Luxemburg" (1986) die Hauptrolle. Zuletzt arbeiten die beiden Frauen in "Die abhandene Welt" (2015) zusammen. 2012 besetzt von Trotta Sukowa zudem als "Hannah Arendt" im gleichnamigen Film.
Filmemachen ist etwas "Beglückendes"
Auch wenn Margarethe von Trottas spätere Filme gemischte Kritiken bekommen, schafft sie es immer wieder, starke Geschichten zu entdecken und umzusetzen: Der 2003 erschienene Film "Rosenstraße" erzählt beispielsweise die Geschichte von sogenannten Mischehen deutsch-jüdischer Paare und von ihrem Aufbegehren gegen die Bedrohung in Berlin 1943. Nach der Komödie über einen Zickenkrieg in New York, "Forget About Nick", (2017) drehte sie zuletzt den Dokumentarfilm "Auf der Suche nach Ingmar Bergman", den sie im Mai 2018 in Cannes präsentierte.
Anlässlich ihres 80. Geburtstag ist im deutschen Fernsehen der ARD nun auch ein Film über Margarethe von Trotta zu sehen. "Zeit der Frauen" zeichnet nach, wie bravourös die Filmemacherin sich in ihrer Domäne behaupten konnte - aber auch, wie schwierig es war, sich gegen die Ellenbogen der Männer durchzusetzen.
Frauenpower auf dem Regiestuhl
"Kino" zeigt sieben Frauenfilme von sieben Regisseurinnen - Filme für eine gerechtere Welt, gemacht von Regie-Stars und jungen, aufstrebenden Filmemacherinnen.
Eine Frau räumt auf. Die israelische Schauspielerin Gal Gadot wurde 2017 durch ihre Rolle im Blockbuster "Wonder Woman" zum internationalen Kinostar. "Wonder Woman" stellte erstmals eine Frau in einem Superhelden-Film ganz in den Vordergrund. Das zahlte sich aus. Der Film brach Kassenrekorde und Patty Jenkins wurde zu einer der erfolgreichsten Regisseurinnen der Film-Geschichte.
Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht in Deutschland eingeführt. Für das weltweite Recht der Frauen, ihre Stimme an den Urnen abzugeben, gingen vor allem in Großbritannien die Frauen auf die Straße. Es kam zu blutigen Auseinandersetzungen. Davon erzählt der Film "Suffragette" von Regisseurin Sarah Gavron (2015). In Großbritannien selbst mussten die Frauen bis 1928 auf ihr Wahlrecht warten.
Bild: Concorde Filmverleih GmbH
Platz 5: Mustang
Um die Unterdrückung von fünf Schwestern in einer Männerwelt geht es in der internationalen Co-Produktion "Mustang" der kurdisch-französischen Regisseurin Deniz Gamze Ergüven. Die fünf Frauen wehren sich gegen die patriarchalischen Strukturen in einem abgelegenen türkischen Dorf. Das Wildpferd Mustang wird zum Symbol für das Aufbegehren der jungen Frauen. Ein vielfach ausgezeichneter Film.
Bild: Weltkino
Platz 4: Kick It Like Beckham
Ein großer Überraschungserfolg war im Jahr 2002 der britische Film "Bend It Like Beckham" (dt. Verleihtitel: "Kick It Like Beckham"). Die in Kenia geborene Regisseurin Gurinder Chadha, deren Eltern indische Wurzeln haben, erzählte von einer jungen talentierten Fußballspielerin (Keira Knightley), die sich ausgerechnet im Männersport Fußball beweisen will: eine sehr sympathische Multikultikomödie!
Bild: picture-alliance/dpa
Platz 3: Hannah Arendt
Wie bringt man das Gedankengut einer Philosophin ins Kino? Der deutschen Filmregisseurin Margarethe von Trotta gelang dieses Kunststück 2012. Kongenial in der Rolle der Hannah Arendt: Barbara Sukowa. Von Trotta hatte zuvor schon andere wichtige historische Frauen auf der Leinwand zum Leuchten gebracht: Hildegard von Bingen und Rosa Luxemburg, aber auch viele unbekannte Heldinnen des Alltags.
Bild: picture-alliance/dpa/Heimatfilm/NFP
Platz 2: Rafiki
Die Liebe zwischen zwei Frauen ist Thema des Spielfilms "Rafiki" der kenianischen Regisseurin Wanuri Kahiu. Obwohl "Rafiki" zum Filmfestival nach Cannes eingeladen wurde, sorgte er in Kahius Heimatland für einen Skandal. Homosexualität ist in Kenia offiziell verboten, "Rafiki" durfte nur ein paar Tage in den Kinos laufen. Trotzdem schickt Kenia den Film der mutigen Regisseurin ins Oscarrennen.
Bild: Edition Salzgeber
Platz 1: Das Piano
"The Piano" ist ergreifend und in wunderschönen Bilder erzählt. Der Film verzauberte 1993 die Welt. Die Geschichte der stummen Klavierspielerin Ada McGrath (Holly Hunter) begeisterte die Jury beim Filmfest in Cannes. Als erste Frau überhaupt erhielt die neuseeländische Regisseurin die Goldene Palme, es folgten drei Oscars. Großes Kino - inszeniert von einer Frau, über das Schicksal einer Frau.
Bild: picture alliance/kpa
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Der Artikel ist die aktualisierte Fassung eines Porträts von 2018, als Margarethe von Trotta den Adorno-Preis erhielt.