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GesellschaftDeutschland

Margot Friedländer - eine der größten Deutschen

10. Mai 2025

Politik, Kirchen und Gesellschaft trauern um eine Ikone. Die jetzt verstorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer hat stets offen über die Gräueltaten der Nazis gesprochen, doch nie verbittert.

Margot Friedländer (23.01.2025)
Margot Friedländer bei einer Gedenkveranstaltung 80 Jahre nach der Befreiung des KZs Auschwitz (im Januar)Bild: Annegret Hilse/REUTERS

Der Tod der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer (103) hat große Trauer ausgelöst. "Sie hat unserem Land Versöhnung geschenkt - trotz allem, was die Deutschen ihr als jungem Menschen angetan hatten. Für dieses Geschenk können wir nicht dankbar genug sein", erklärte Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

An diesem Freitagabend wollte er ihr eigentlich das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik verleihen. Der Termin war schon im Vorfeld abgesagt worden - auf Bitten von Friedländer, wie es hieß.

Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete Friedländer als eine "der stärksten Stimmen unserer Zeit". Sie sei für ein friedliches Miteinander, gegen Antisemitismus und Vergessen eingetreten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte der "Bild"-Zeitung: "Diese zierliche Person war eine der größten Deutschen der vergangenen 100 Jahre." Friedländer verkörpere für Deutschland "Schuld, Vergebung und Verpflichtung zugleich".

Sonderpreisträgerin Friedländer und Bundespräsident Steinmeier bei der Verleihung des "Preises des Westfälischen Friedens" (im April)Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner betonte, Friedländer habe ihre Erinnerungen als einen Auftrag für die Zukunft verstanden: "'Seid Menschen!' - mit dieser schlichten aber eindringlichen Botschaft verdichtete sich ihre Lebensweisheit, gewonnen im Angesicht von Unmenschlichkeit." 

Würdigungen von Holocaust-Überlebenden aus aller Welt

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, würdigte Friedländer als mutige und starke Frau. "Eine Gesellschaft ohne sie ist für mich kaum vorstellbar." Friedländer habe das Menschsein zu ihrem zentralen Anliegen gemacht. "Sie war nicht nur eine mahnende Stimme unserer Zeit, sondern besaß auch die Gabe, stets das Beste in ihrem Gegenüber zu sehen", betonte Schuster. "Margot Friedländers Tod zeigt uns die Vergänglichkeit der Erinnerung; er verweist auf die große Verantwortung, die wir gegenüber dieser mutigen und starken Frau und ihrer ganzen Generation haben."

Margot Friedländer am 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zusammen mit Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph HeubnerBild: Eva Oertwig/SCHROEWIG/picture alliance

Das Internationale Auschwitz Komitee führte Würdigungen von Holocaust-Überlebenden aus aller Welt zusammen. "Margot Friedländer war eine große Zeugin ihrer und unserer Zeit. Mit ihrer leisen und klaren Botschaft der Erinnerung und der Menschenliebe, ihrer Würde und ihrer Präsenz berührte sie viele Menschen und überstrahlte immer wieder die Dunkelheit und die Dummheit des rechtsextremen und antisemitischen Hasses", sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner.

Auch die Kirchen in Deutschland gedachten Friedländer. "Unsere Zeit braucht wieder Heldinnen wie sie, die gegen die Spaltung und die Unmenschlichkeiten das Wort erheben und sich für unbedingte Menschlichkeit einsetzen", sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Wir sind dankbar für dieses Zeugnis ihres Lebens." Der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein nannte sie "eine der eindrücklichsten Stimmen gegen das Vergessen - und eine für das Leben".

Ehrengrab in Berlin

Friedländer war am Freitag im Alter von 103 Jahren in Berlin gestorben. Sie versteckte sich während der nationalsozialistischen Judenvernichtung in Berlin im Untergrund, wurde aber verraten und in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt. Sie überlebte, ihre ganze Familie wurde jedoch im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Friedländer war nach Jahrzehnten als Emigrantin in New York im hohen Alter nach Deutschland zurückgekehrt.

Friedländer wird in Berlin ein Ehrengrab erhalten. Das ergibt sich aus ihrer Ehrenbürgerschaft. Ehrengrabstätten sind "Ausdruck der Ehrung Verstorbener, die zu Lebzeiten hervorragende Leistungen mit engem Bezug zu Berlin erbracht oder sich durch ihr überragendes Lebenswerk um die Stadt verdient gemacht haben".

pg/ack/AR (dpa, afp, kna)