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Margot Honecker in Chile verstorben

7. Mai 2016

Die frühere DDR-Volksbildungsministerin Margot Honecker ist tot. Die Witwe des langjährigen DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker starb Medienberichten zufolge im Alter von 89 Jahren in Santiago de Chile.

Margot Honecker ehamalige Ministerin für Volksbildung DDR
Bild: Getty Images/AFP/C. Bouroncle

Wer Margot Honecker nur als frühere DDR-Ministerin bezeichnet, wird ihrem Wirken nicht gerecht. Menschen, die sie in der Deutschen Demokratischen Republik leibhaftig erlebt haben, werden einwenden, dass man dem Wirken der Margot Honecker überhaupt nicht gerecht werden kann. Weil es in Wahrheit ein fatales Treiben war.

Mehr als ein Vierteljahrhundert hatte die Ex-Funktionärin mit eiserner Hand sozialistische Ideologie an Schulen und in Kindergärten der DDR durchgesetzt. Die Frau mit dem Blaustich im Haar galt als heimliche, aber wahre Machthaberin im Arbeiter- und Bauern-Staat, die ihrem Mann dessen Entscheidungen einflüsterte. Die einstige First Lady der DDR lebte seit Anfang der 90er Jahre mit deutscher Rente in der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile. Vor dem Bundessozialgericht hatte sie Zahlungen von mehreren tausend Mark erstritten.

Mit deutscher Rente in Chile: Margot HoneckerBild: Getty Images/AFP/M. Alvarez

Urne im Wohnzimmer

Auch ihr Mann Erich Honecker reiste Anfang 1993 nach Chile aus, nachdem in Deutschland der Prozess gegen ihn wegen Totschlags von DDR-Flüchtlingen wegen seiner Krebserkrankung eingestellt worden war. Ihr 15 Jahre älterer Mann lebte noch kurz bei Margot Honecker, bevor er im Alter von 81 Jahren am 29. Mai 1994 starb. Die Urne mit seiner Asche bewahrte die Witwe lange in ihrem Wohnzimmer auf. Inzwischen wurde der einstige Politfunktionär nach Berichten von Enkel Roberto in der chilenischen Hauptstadt beigesetzt.

"Erziehungsrichtlinie"

Von 1963 bis zum Herbst 1989 war Margot Honecker Ministerin für Volksbildung in der DDR. Gegen den Widerstand der Kirchen führte sie 1978 an den Schulen Wehrunterricht ein. Christlich engagierte Schüler wurden benachteiligt und bekamen häufig keinen Studienplatz. Noch 1989 hielt Honecker eine "Erziehungsrichtlinie" hoch, dass der Sozialismus, wenn nötig, mit der Waffe verteidigt werden müsse.

Weit über die DDR-Grenzen hinaus sorgte die Hardlinerin 1988 für Aufsehen, als auf ihre Weisung vier aufmüpfige Schüler von einer Oberschule in Berlin-Pankow verwiesen wurden. Sie hatten sich gegen Militärparaden gewandt.

In ihrer Eigenschaft als Volksbildungsministerin beim Parteitag der SED 1986Bild: Imago

Beginn einer Parteikarriere

Die am 17. April 1927 in Halle geborene Margot Feist hatte nach dem Krieg als SED-Mitglied Karriere in der Jugendorganisation FDJ gemacht. Schnell stieg die Telefonistin zur Vorsitzenden der Kinderorganisation "Junge Pioniere" auf. Mit 22 Jahren war sie die jüngste Abgeordnete in der Volkskammer - dem DDR-Parlament. Die Arbeit brachte sie mit dem späteren Partei- und Staatschef Erich Honecker zusammen, 1953 heiratete das Paar. Schon 1951 wurde die gemeinsame Tochter geboren.

Die DDR wurde 40 - und Margot Honecker (vorne links) stand in der ersten ReiheBild: imago/s. spiegl

Nach dem Mauerfall ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Margot Honecker wegen ihrer Verantwortung für Zwangsadoptionen von Kindern, deren Eltern wegen "Republikflucht" oder "Spionage" verhaftet worden waren. Ein entsprechender Prozess wurde 1994 aber eingestellt.

Spaziergänge in Russland

Nachdem Erich Honecker am 18. Oktober 1989 als DDR-Staats- und Parteichef zurücktreten musste, legte seine Frau zwei Tage später "aus persönlichen Gründen" ihr Amt nieder. 1991 wurden die Honeckers aus dem sowjetischen Militärhospital Beelitz bei Potsdam nach Moskau gebracht. Die Bilder von Spaziergängen an der Seite ihres kranken Mannes im russischen Exil gingen um die Welt. Als Erich Honecker Ende Juli 1992 nach Deutschland ausgeliefert wurde und in Untersuchungshaft kam, begleitete die damals 65-Jährige ihren Mann nicht nach Berlin. Margot Honecker flog nach Santiago de Chile zu ihrer Tochter Sonja. Den Aufenthalt der Honeckers in Chile hatte das Land als humanitären Akt gebilligt.

Die Ex-Ministerin, die sich mit Spaziergängen fit hielt und täglich über Stunden im Internet unterwegs war, verteidigte bis zum Schluss ihre sozialistischen Überzeugungen ohne Wenn und Aber. Kritisches kam nicht über ihre Lippen. Sie stehe zur DDR und lege ihre Sicht nicht auf dem Altar der Zeitgeschichte nieder, auch wenn man sie als "Unbelehrbare" verleumden würde, beharrte sie.

Die "Westpresse"

Über Jahre hielt sich Margot Honecker die "Westpresse" vom Hals und schwieg eisern. Doch 2012 machte die glühende Verteidigerin des Sozialismus ihr Vermächtnis öffentlich. In einem Dokumentarfilm des NDR meinte sie zu den erschossenen DDR-Flüchtlingen, es sei dumm gewesen, über die Mauer zu klettern. Politische Häftlinge seien kriminell, die Stasi legitim gewesen. Traumatisierte Opfer, die in geschlossenen Jugendwerkhöfen litten, seien "bezahlte Banditen" gewesen, ereiferte sie sich.

Bei ihrem Gespräch mit dem NDR 2012Bild: picture-alliance/dpa/NDR

In Lateinamerika gern gesehen

Bei den Alt-Revolutionären Lateinamerikas war Margot Honecker gern gesehen. So zeigte sie sich im Frühjahr 2011 bei einer Gedenkfeier in Kuba an der Seite von Präsident Raúl Castro. Mit erhobener geballter Faust nahm Margot Honecker 2008 in Nicaragua einen Orden für ihren toten Mann entgegen. Die DDR-Führung hatte dem mittelamerikanischen Land nicht nur Schulbücher und Lehrer geschickt, sondern auch Waffen.

ml/cw (mit dpa)