Maria Callas zum 100. Geburtstag: Primadonna assoluta
1. Dezember 2023Vor genau einem Jahrhundert, am 2. Dezember 1923, erblickte in der griechischen Einwandererfamilie Kalogeropoulou in Manhattan ein Mädchen das Licht der Welt. Sie wurde auf den Namen Maria Anna Cecilia Sofia getauft.
Als Maria Callas sollte sie nur siebzehn Jahre später die große Bühne betreten und innerhalb weniger Jahre zur wohl größten Sängerin aller Zeiten werden. Heute ist Maria Callas präsenter denn je.
Callas 100: ein Grund zum Jubeln
Die Welt feiert "die Callas": Große und kleine Opernhäuser laden zu Callas-Galaabenden, der Buchmarkt wartet mit Dutzenden von Neuerscheinungen auf, Schallplattenproduzenten graben ihre Archivschätze aus. Die Performance-Künstlerin Marina Abramović mimt die Diva in ihrer jüngsten Arbeit "7 Death of Maria Callas", es geht allerdings um das effektvolle Bühnensterben der Callas-Heroinen.
Der chilenische Regisseur Pablo Larraín hingegen rekonstruiert in seinem Biopic "Maria" die realen letzten Tage im Leben des vereinsamten Stars, kurz vor ihrem Tod 1977 mit nur 53 Jahren in Paris. Für die Titelrolle konnte Larraín die Hollywood-Diva Angelina Jolie gewinnen.
Der Film startet erst 2024. In Athen, wo die frühreife Sängerin mit 14 Jahren am Konservatorium aufgenommen wurde, ist pünktlich zum Jubiläum ein Callas-Museum eröffnet worden. Die UNESCO hat den 100. Geburtstag von Maria Callas in ihre Jubiläumsliste aufgenommen, denn das klingende Erbe der Maria Callas gehört zweifellos zum Weltkulturerbe. Außerdem wurde bereits im Sommer 2023 eine Zwei-Euro-Münze mit dem ikonischen Konterfei der Callas in Umlauf gebracht.
Stimmzauberin und Bühnentier
"Warum ist Maria Callas die einzige Sängerpersönlichkeit der Vergangenheit, die heute nicht nur in der Musik, sondern auch im Theater, im Film, in der bildenden Kunst und sogar in den Feuilletons präsent ist?" - Diese Frage stellt Eva Gesine Baur, Münchner Sachbuchautorin und Verfasserin einer virtuos recherchierten Biographie der Sängerin mit dem Titel "Maria Callas. Die Stimme der Leidenschaft".
Baur ist nicht die erste, die nach der Einzigartigkeit von Maria Callas fragt. Über das Phänomen zerbrachen sich schon viele Menschen die Köpfe. Zumindest einen zentralen Aspekt brachte schon ein Zeitgenosse auf den Punkt: Bei der Callas verschmolzen "Instinkt und Temperament zu einer beispiellosen Vortragskunst", schrieb 1958 der italienische Musikkritiker und Journalist Teodore Celli. Schon 1953 hatte der Regisseur Franco Zefirelli, der die Callas als Medea an der Mailänder Scala erlebt hatte, festgestellt: "Die Welt der Oper hatte sich verändert. Es gab nun so etwas wie eine neue Zeitzählung: v.C. und n.C. - vor Callas und nach Callas".
47 Rollen hat die Unermüdliche in ihren nicht einmal 30 Bühnenjahren gesungen und damit die Opernkunst nachhaltig revolutioniert. Drei davon dürften besonders bekannt sein: Donizettis "Lucia di Lammermoor", Puccinis "Tosca" und natürlich "Norma" - von der die Callas behauptete, Bellini habe sie für sie, Maria Callas, geschrieben, obwohl sie erst ein knappes Jahrhundert nach seinem Tod zur Welt kam.
Auf der Bühne sah sich die Callas vor allem als singende Schauspielerin. Damit konnte sie, so die Biografin Eva Gesine Baur, "die Oper von dem allmählichen Verenden in der Gleichgültigkeit retten". Denn für die Callas selbst war nichts gleichgültig: "Keine Note, kein Atemzug, keine Geste, kein Charakterzug der Frauen, die sie darstellte."
Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn mindestens ebenso groß wie das Interesse an der Künstlerin ist die Neugier auf Maria Callas als Frau.
Das Leben der Maria C.
Das Leben der Maria Callas lässt sich gut in Anekdoten und Skandalen erzählen, zumal diese in der Klatschpresse der Welt bestens dokumentiert sind: stürmische Auseinandersetzungen mit Intendanten, Nickeligkeiten mit Sängerkollegen, vor allem mit der Hauptrivalin Renata Tebaldi (Callas fand den Vergleich zwischen sich und Tebaldi so passend wie den zwischen Champagner und Coca-Cola, wobei sie selbst natürlich für den edlen Schaumwein stand).
Der chronische Streit mit der dominanten Mutter beschäftigte die Presse ebenso wie die Ehe mit dem doppelt so alten Ziegelfabrikanten Giovanni Battista Meneghini. Jetset und gescheiterte Auftritte, Wutausbrüche und starke Kurzsichtigkeit. Da die Callas zu eitel war, eine dicke Hornbrille zu tragen, suchten die Regisseure nach anderen Möglichkeiten, ihre Solistin im Bühnenraum zu verorten: Luchino Visconti etwa, der mit ihr in Mailand "La Traviata" inszenierte, legte parfümgetränkte Taschentücher auf die Bühne, damit sich die Sängerin am Geruch orientieren konnte.
Toxische Beziehungen und parfumgetränkte Taschentücher
Die langjährige und, wie man heute sagen würde, toxische Beziehung mit dem Reeder Aristoteles "Ari" Onassis endete, als sie von dessen Heirat mit der Präsidentenwitwe Jackie Kennedy Callas erfuhr - aus der Zeitung. Und natürlich die extreme Gewichtsreduktion von über 90 auf knapp 60 Kilogramm innerhalb weniger Monate erregt bis heute die Gemüter. Nein, es waren keine Bandwurmeier, die die Sängerin zum Frühstück mit dem bereits erwähnten Champagner zu sich nahm, sondern eine Hormontherapie - das Modernste, was sie finden konnte, hochwirksam und ebenso gesundheitsschädlich.
Maria Callas starb vereinsamt in ihrer Pariser Wohnung an Herzversagen. Als Erbmasse hinterließ sie an die vierzig Nerzmäntel, 250 Kaschmirpullover, unzählige Handtaschen, mehrere Schubladen mit langen Samthandschuhen, vieles davon hat sie nie getragen.
"Die modernste aller Frauen"
Aber kommt man dem Phänomen Callas auch mit der umfangreichsten Anekdotensammlung näher? "Nein", sagt die Biografin Eva Gesine Baur. Denn all die Gerüchte und Mythen würden Callas immer wieder als Opfer darstellen - einer übermächtigen Mutter, sensationslüsterner Journalisten, eines untreuen Liebhabers. Und genau das verzerre das Bild dieser Frau. Denn sie war nie ein Opfer - weder auf der Bühne noch außerhalb. Sie bestimmte ihr Leben, wie sie ihr Singen bestimmte - entschlossen und sicher in jeder noch so kleinen Tonlage.
"Sie ist in gewisser Weise die modernste aller Frauen", schrieb der italienische Kultregisseur Pier Paolo Pasolini über die Callas. "Aber in ihr lebt eine Frau der Antike, fremd, geheimnisvoll und magisch, was in ihr furchtbare Konflikte auslöst."
Das Wilde, Unvollkommene, Gebrochene reißt die Callas aus der Enge ihres Privatlebens und ihrer Zeit und macht sie zu dem, was sie war und bleibt - eine der größten Künstlerinnen aller Zeiten.