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Film

Start bei Netflix: Marilyn Monroe-Biopic "Blonde"

Brenda Haas
27. September 2022

Sie prangerte - Jahrzehnte vor #MeToo - sexuelle Belästigung in Hollywood an. Und sie kämpfte für Selbstbestimmung. Ein fiktionales Filmporträt beleuchtet das rätselhafte Leben von Marylin Monroe.

BG 100 Jahre Chanel Nr. 5 | Marilyn Monroe 1962
Marilyn Monroe (1962) in ihrem letzten Film "Something's got to give"Bild: STR/AFP

Selbstbestimmt und "woke". Derlei Adjektive wurden im Hollywood der 1950er-Jahre, zu Lebzeiten Marilyn Monroes, mit der Schauspielerin nicht in Verbindung gebracht. Doch die US-Amerikanerin, die eher als "blonde Sexbombe" oder "Sexsymbol" denn als "Vordenkerin" oder gar "Feministin" gezeigt wurde, hat sich gegen einige der gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit aufgelehnt. Am 5. August 1962 starb sie, vermutlich an einer Überdosis Schlafmittel.

Eine Netflix-Produktion über ihr wechselvolles Leben feierte bei den Filmfestspielen in Venedig (31. August bis 10. September) Premiere - und bekam langen Applaus. Am 28. September soll "Blonde" seinen Streaming-Start feiern. Mit platinblonden Haaren verkörpert die gebürtige Kubanerin Ana de Armas den Leinwandstar. Ihr Akzent ist in dem Trailer, den Netflix vorab online gestellt hat, nicht zu überhören. Noch bevor der Film in voller Länge zu sehen war, erntete die Schauspielerin dafür im Netz Kritik. 

Die Nachlassverwalter vom Marilyn Monroe Estate verteidigten das Casting von Ana de Armas als Hollywood-Legende in "Blonde". "Jeder Schauspieler, der in diese Rolle schlüpft, weiß, dass er große Fußstapfen zu füllen hat. Es sieht so aus, als wäre Ana eine großartige Besetzungswahl gewesen, da sie Marilyns Glamour, Menschlichkeit und Verletzlichkeit einfängt."

Der Trailer zeigt berühmte Filmszenen und den ikonischen Moment, als der Star mit wehendem weißen Kleid auf einem U-Bahn-Lüftungsschacht steht. Auch die Garderobe wurde originalgetreu nachempfunden. In den USA hat "Blonde" wegen expliziter Szenen die höchste Altersfreigabe erhalten, darf also nur von Erwachsenen angesehen werden.

"Blonde" ist kein Biopic, sondern Fiktion

Das fiktive Filmporträt basiert auf einem Roman von Joyce Carol Oates und soll die Kluft zwischen der Privatperson Norma Jeane Baker (Monroes bürgerlicher Name) und der Kunstfigur Marilyn darstellen. Drehbuch und Regie übernahm Andrew Dominik ("Killing Them Softly"). Stars wie Adrian Brody, der Marilyn Monroes Ehemann Arthur Miller spielt, sind ebenfalls zu sehen.

Da ihre Mutter mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte und die Identität ihres Vaters unbekannt war, wuchs das als Norma Jeane Mortenson geborene Mädchen in Pflegefamilien auf, wo sie sexuell missbraucht wurde. Monroes aufwühlendes Privatleben wurde im Laufe der Jahrzehnte gründlich seziert: zum Sex-Objekt degradiert, gescheiterte Ehen, Fehlgeburten und Abtreibungen, Drogenmissbrauch und angebliche Liaisons mit Filmstudiobossen sowie den Kennedy-Brüdern.

Schauspielerin Ana de Armas in einer Filmszene von "Blonde"Bild: Netflix/picture alliance/dpa

Beruflich bestimmten ihr aufreizendes Aussehen, ihre gehauchte Stimme - eine Strategie, die ihr ein Logopäde empfohlen hatte, um ihr Stottern zu überwinden - und ihre Sexualität die Rollen, die sie bekam. Sie reduzierten sie auf eine Person, die vor allem männliche Fantasien bediente. Heute jedoch wird sie durch eine andere Linse betrachtet: Frauen hatten in den 1950er-Jahren einfach nicht genug Einfluss, um ihre Bedingungen zu diktieren. Monroe wurde schließlich von unerwarteter Seite als Ikone gewählt: von Feministinnen. Ursprünglich als Beispiel dafür angeführt, warum der Feminismus notwendig war, um der sexuellen Ausbeutung und Objektifizierung von Frauen entgegenzuwirken, wird Marilyn seither dafür anerkannt, dass sie sich durchgesetzt hat und ihrer Zeit voraus war.

Marilyn Monroe forderte Mitspracherecht 

Lange bevor Facebook-CEO Sheryl Sandberg Frauen dazu aufforderte, sich einzubringen und ihren gebührenden Platz am Arbeitsplatz einzufordern, hatte Monroe das Jahrzehnte zuvor schon getan. Sie stand bei Twentieth Century Fox unter Vertrag, hatte genug von den "dummen Blondinen"-Rollen und wollte mehr Mitspracherecht bei den Drehbüchern und Rollen, für die sie besetzt wurde. "Eine Schauspielerin ist keine Maschine", sagte sie einmal dem "Life"-Magazin-Autor Richard Meryman, "aber sie behandeln dich wie eine." Deshalb gründete sie 1955 Marilyn Monroe Productions - und war damit nach Mary Pickford die zweite Frau in den USA, die eine eigene Produktionsfirma besaß. Pickford, genannt "America's Sweetheart", war eine legendäre Stummfilmschauspielerin; sie gründete die United Artists und war Gründungsmitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die die Oscars vergibt. Nach langem juristischem Gerangel einigten sich Monroe und Fox auf einen Deal, bei dem sie erfolgreich eine Lohnnachzahlung, höheres Gehalt und ein Mitspracherecht bei Drehbüchern, Regisseuren und Kameramännern aushandelte - ein damals unerhörter Sieg für eine Schauspielerin.

Sexappeal auf Knopfdruck - Monroe fühlte sich "wie eine Maschine" behandeltBild: Keystone/picture alliance

 #MeToo-Aktivistin: Monroe war ihrer Zeit voraus

In "Wolves I Have Known", einem Artikel, den sie 1953 für die Januarausgabe des "Motion Picture and Television Magazine" verfasste, prangerte Monroe die sexuelle Belästigung an, die damals in Hollywood weit verbreitet war. Über die Männer in der Branche schrieb die damals 27-Jährige: "Es gibt viele Arten von Wölfen. Einige sind unheimlich, andere sind nur gutmütige Charlies, die versuchen, etwas für nichts zu bekommen, und wieder andere machen ein Spiel daraus." Joan Collins, berühmt für ihre Rolle der Alexis Carrington-Colby in der erfolgreichen 80er-Jahre-TV-Soap "Dynasty" ("Denver-Clan"), erzählte 2017 im britischen Fernsehen, wie Monroe sie einst als angehende Schauspielerin in Amerika vor den Gefahren des Jobs gewarnt hatte: "Sie sagte: 'Nimm dich vor den Wölfen in Hollywood in Acht, Süße. Wenn sie nicht bekommen, was sie wollen, werden sie deinen Vertrag kündigen.'"

Eine Ikone der Body-Positivity-Bewegung

Monroe war das, was Modemagazine heute "Plus-size" nennen. Obwohl Kritiker und Experten noch immer über ihre tatsächliche Kleidergröße streiten, gibt es keinen Zweifel daran, dass das, was wir von ihr sahen, im Zeitalter vor der digitalen Bildbearbeitung ganz sie selbst war. Die unverhohlene Zurschaustellung ihrer Kurven und ihre offene Sexualität wurden einst als das Gegenteil von Feminismus angesehen, aber heutzutage wird Monroe von einigen als Ikone der Body-Positivity-Bewegung gefeiert: für ein positives, selbstbewusstes Verhältnis zum eigenen Körper. Bevor sie als Schauspielerin und Model entdeckt wurde, befand sie sich in den 1940er-Jahren in argen finanziellen Nöten. Später, im Jahr 1952, als ihre Popularität zunahm, tauchten Nacktfotos von einem Kalendershooting auf, für das sie angeblich nur 50 Dollar als Gage bekommen hatte. Ihre Chefs bei Twentieth Century Fox sagten ihr, sie solle alles leugnen, aber Monroe entschied sich stattdessen, zur Wahrheit zu stehen. Im Gespräch mit der United Press International-Reporterin Aline Mosby erklärte sie, dass sie pleite war und das Geld brauchte. "Warum es leugnen? Man kann es überall bekommen. Außerdem schäme ich mich nicht dafür. Ich habe nichts Falsches getan." Es erwies sich als PR-Coup für die Schauspielerin und machte sie bei ihren Fans noch beliebter.

Marilyn Monroe zeigt selbstbewusst ihre FigurBild: akg-images/picture alliance

Monroe war "woke"

Ihr scharfer Verstand und ihre fundierten Ansichten über Politik und soziale Gerechtigkeit wurden oft in den Hintergrund gedrängt. So nutzte sie ihre Berühmtheit zum Beispiel, um der Jazz-Sängerin Ella Fitzgerald einen Auftritt in einem Club zu ermöglichen, der zuvor abgelehnt hatte, sie zu engagieren. Dem Management des Mocambo-Clubs war die Sängerin nicht "glamourös genug" für den Hotspot in West-Hollywood. Monroe drängte den Clubbesitzer Charlie Morrison jedoch, Fitzgerald zu buchen, und versprach im Gegenzug, jede Show persönlich zu besuchen und in der ersten Reihe zu sitzen.

Marilyn Monroe und Ella FitzgeraldBild: AP Images/picture alliance

Die Jazzsängerin erinnerte sicher später in ihrer Biografie: "Der Besitzer sagte ja, und Marilyn war da, am ersten Tisch, jeden Abend. Die Presse stand Kopf. Danach musste ich nie wieder in einem kleinen Jazzclub spielen. Sie war eine außergewöhnliche Frau - ein wenig ihrer Zeit voraus. Und sie hat es nicht gewusst." 

In der #MeToo- und #BlackLivesMatter-Ära ist es daher passend, zu betonen, wie sehr dieser Star für Selbstbestimmung kämpfte und für Bürgerrechte eintrat.

Eine "ewige Gestaltwandlerin"

Wie Lois Banner, Professorin für Geschichte und Gender Studies an der USC und Monroe-Biografin, schrieb, fasziniert Monroe nach wie vor als "ewige Gestaltwandlerin", deren "mehrfache Verwandlungen es jeder Generation, ja sogar jedem Einzelnen erlauben, eine Marilyn nach eigenen Vorstellungen zu erschaffen". Und auch hier trägt die Fähigkeit der Kulturikone, ihre Zeit zu reflektieren, zu ihrer anhaltenden Legende bei.

Übersetzung aus dem Englischen: Sven Töniges

Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 4. August 2022.

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