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Politik

Marine Le Pen verliert ihre Immunität

Barbara Wesel
2. März 2017

Die Aufhebung der Immunität ist eigentlich ein Routinevorgang. Aber das Europaparlament muss prüfen, ob juristische Vorwürfe gegen Abgeordnete stichhaltig sind. Im Fall Marine Le Pen gab es dem Antrag statt.

Frankreich Europäisches Parlament in Straßburg - Marine Le Pen
Bild: Reuters/V. Kessler

Im vergangenen Jahr bekam der Rechtsausschuss des Europaparlaments fünfzehn solcher Vorgänge auf den Tisch. Der Vorgang ist also nicht ganz ungewöhnlich. Im Fall Marine Le Pen hatte der französische Justizminister selbst den Antrag gestellt, die Immunität der Abgeordneten aufzuheben. Das Verfahren dauerte bis zur Abstimmung im Plenum immerhin fünf Monate. Das Europaparlament (EP) macht sich die Sache nicht leicht, denn es wird ein regelrechtes juristisches Gutachten verfasst, um den Antrag zu überprüfen. Dennoch ist das Ganze eine Routinesache.

Immunität schützt nur bedingt

Die Immunität der Europa-Abgeordneten soll sie vor ungerechtfertigter Verfolgung durch die heimische Justiz schützen. Vor allem wenn der Verdacht besteht, dass es darum geht, ihre politische Arbeit zu behindern. Im Fall von Marine Le Pen wurde also von den Brüsseler Juristen geprüft, ob die ihr vorgeworfene verbotene Veröffentlichung von IS-Gewaltvideos irgendwie im Zusammenhang mit ihrer parlamentarischen Tätigkeit stand. 

Mutmaßlicher Mörder des IS - Le Pen hatte Enthauptungsbilder verbreitetBild: Reuters

Aber der Gegenbeweis war relativ leicht zu führen: Denn die umstrittenen Tweets hatte die französische Politikerin abgesetzt, nachdem der Aufstieg des Front National in einem Streitgespräch in einem Radio-Sender mit dem des sogenannten "Islamischen Staates" verglichen worden war. Marine Le Pen hatte also als Parteiführerin gehandelt und nicht als Europaabgeordnete. Dabei entscheidet nicht das EP darüber, ob die Vorwürfe gegen einen Abgeordneten strafwürdig sind oder nicht. Es prüft lediglich, ob es tatsächlich Hinweise auf eine mögliche Straftat vorhanden sind. Der Rest ist Sache der französischen Justiz.

Die Aufhebung der Immunität gilt übrigens immer nur für einen einzelnen Strafvorwurf. Hätte Marine Le Pen sich etwa auch im Zusammenhang mit den Ermittlungen über die missbräuchliche Nutzung von Geldern des Europaparlaments strafbar gemacht, müsste ein neuer Antrag gestellt werden.

"Wiederholungstäter"

Die Immunität von Marine Le Pen war schon 2013 einmal aufgehoben worden, als sie wegen der Anstiftung zum Hass gegen eine Religionsgruppe angeklagt wurde. Der Vorwurf bezog sich auf eine Bemerkung, in der sie das öffentliche Gebet von Muslimen in französischen Städten mit der Besetzung Frankreichs durch deutsche Soldaten verglichen hatte. Am Ende stand allerdings ein Freispruch – die französischen Ermittler hatten sich zu weit aus dem Fenster gehängt.

Jean-Marie Le Pen neben ihrem Vater (r.) auf einer Demo des Front NationalBild: Getty Images/AFP/E. Feferberg

Aber solche Probleme mit der Justiz sind bei den Abgeordneten des Front National keine Einzelfälle: Die Immunität von Vater Jean-Marie Le Pen ist im Laufe der Jahre bereits dreimal aufgehoben worden. Unter anderem, weil er die Gaskammern in deutschen Vernichtungslagern als "Detail der Geschichte" bezeichnet hatte. Auch der FN Abgeordnete Bruno Gollnich fand sich schon im Licht der französischen Justiz. Es ging jeweils um provozierende Äußerungen, die die Abgeordneten jedoch nicht im Rahmen ihrer Tätigkeit in Brüssel gemacht haben.

Anders ist es, wenn ein Parlamentarier im Plenum aus der Rolle fällt: Parlamentspräsident Tajani ermittelt derzeit gegen einen polnischen Abgeordneten wegen grob sexistischer Äußerungen. Er kann deswegen eine Geldstrafe oder den vorübergehenden Ausschluss der Person verhängen. Solche Ausfälle zu ahnden liegt beim Parlament selbst.

Prominente und andere Fälle

Marine Le Pen ist nicht die einzige Prominente, die Gegenstand eines solchen Verfahrens wurde. Im Frühjahr 2015 hob das Parlament die Immunität des früheren bulgarischen Premierministers Sergei Stanishev auf, damaliger Vorsitzender der Sozialdemokraten im EP. Dahinter standen obskure Vorwürfe, er habe in seiner Amtszeit in Bulgarien eine Reihe geheimer Staats-Dokumente verloren. Der Sozialist nannte diese Strafverfolgung damals "ganz klar politisch" motiviert. Aber ebenso klar bezog sie sich nicht auf seine Arbeit als Abgeordneter in Brüssel. Und nur diese wird von der Immunität des EP geschützt.

Es gibt auch viel banalere Fälle: Ein deutscher Abgeordneter etwa verlor seine Immunität wegen eines mutmaßlichen Verkehrsvergehens. Und wer etwa an der Kasse im Supermarkt einen Kasten Bier zu bezahlen vergessen würde und ein Staatsanwalt käme ins Spiel, dann könnte denjenigen das gleiche Schicksal treffen.