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Mario Draghi: Europas Wirtschaft vor "existenzieller" Krise

9. September 2024

Werden die Unternehmen in Europa durch Konkurrenz aus Nordamerika und Asien abgehängt? Der frühere EZB-Chef Draghi kommt in seiner Analyse zu einem eindeutigen Schluss.

Mario Draghi
Mario Draghi bei der Vorstellung seines Berichts in Brüssel Bild: Yves Herman/REUTERS

"Europa hat die durch das Internet ausgelöste digitale Revolution und die damit verbundenen Produktivitätsgewinne weitgehend verpasst", hält der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, in einem Bericht fest. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den 77-Jährigen mit einer Analyse der europäischen Wettbewerbsfähigkeit beauftragt. Darin weist Draghi darauf hin, die Europäische Union sei schwach bei neuen Technologien, die das künftige Wachstum antreiben würden. Nur vier der 50 größten Technologieunternehmen seien europäische Firmen.

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Angesichts der Konkurrenz aus den USA und China mahnt der frühere italienische Regierungschef, die Europäer stünden vor einer "existenziellen Herausforderung". Ohne höhere Produktivität könne Europa nicht "führend bei neuen Technologien, Leuchtturm der Klimaverantwortung und unabhängiger Akteur auf der Weltbühne" sein. Auch das europäische Sozialmodell sei dann nicht mehr finanzierbar, schreibt der Italiener in seinem Strategiepapier. 

"Massive Investitionen zwingend erforderlich"

Draghi ruft die EU zu massiven Investitionen in Wirtschaft, Verteidigung und Klimaschutz auf. Nötig seien "zusätzlich jährliche Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro", rät er. Zu dem Zweck empfiehlt der Ex-EZB-Chef die Aufnahme neuer Gemeinschaftsschulden wie zuletzt in der Corona-Pandemie.

So richtig zum Lachen sind die Ergebnisse seiner Analyse nicht: Mario Draghi und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in BrüsselBild: NICOLAS TUCAT/AFP

Auch von der Leyen bezeichnet Instrumente zur Gemeinschaftsfinanzierung als wichtig. Möglich sei aber auch der Einsatz von Eigenmitteln, zu denen Einfuhrzölle und die EU-Plastikabgabe zählten, sagte die Deutsche auf die Frage, wie sie den Widerstand der Bundesregierung gegen neue Gemeinschaftsschulden überwinden wolle. Darüber müssten die EU-Mitgliedsländer entscheiden.

In der Corona-Pandemie hatte die EU ein kreditfinanziertes Hilfspaket von 750 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Länder wie Italien und Frankreich fordern seitdem ein neues Paket und berufen sich auf die gestiegenen Ausgaben für Verteidigung und Klimaschutz. Für Deutschland oder auch die Niederlande sind neue Gemeinschaftsschulden eine rote Linie.

"Klimapolitik muss besser abgestimmt werden"

Mit Blick auf Bereiche mit hohem, klimaschädlichem Treibhausgasausstoß wie Schwerindustrie und Verkehr empfiehlt Draghi der EU, ihre Klimapolitik besser zu justieren. Wenn alle politischen Maßnahmen mit den Klimazielen übereinstimmten, sei es "sehr wahrscheinlich, dass die Dekarbonisierung - also die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes in die Atmosphäre - eine Wachstumschance ist", sagte er vor Journalisten.

Von der Leyen will die EU mit ihrem Programm Green Deal bis zum Jahr 2050 klimaneutral machen - das heißt, Europa soll nicht mehr Treibhausgase ausstoßen als es einsparen kann. Vor den Europawahlen im Juni hatte die CDU-Politikerin unter Druck aus dem konservativen und liberalen Lager allerdings Abstriche an Umweltauflagen angekündigt.

se/fab (afp, dpa, rtr)

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