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Politik

Marokko bekämpft die Burka

Siham Ouchtou KK
11. Januar 2017

Ein Regierungsbeschluss in Marokko verbietet die Herstellung und den Verkauf von Burkas - und löst hitzige Debatten aus. Viele Marokkaner protestieren. Doch noch mehr äußern sich zustimmend.

Kombibild Marokkanische Burka  Afghanische Burka
Bild: picture-alliance/dpa/ W.G. Allgoewer/J.Rezayee

Verbieten oder nicht? Der Beschluss der marokkanischen Regierung, der die Produktion und den Verkauf von Burkas mit nahezu sofortiger Wirkung untersagt, hat in dem Königreich heftige Diskussionen und offenen Streit ausgelöst. Dies umso mehr, als eine detaillierte Begründung dieses Schrittes seitens der Regierung noch aussteht. Einige marokkanische Zeitungen vermuten allerdings, dass der Beschluss auf Sicherheitserwägungen zurückgeht. Sie weisen auf mehrere Fälle, in denen sich Kriminelle bei Überfällen mit einer Burka getarnt hatten. Andere hingegen nehmen an, der Beschluss bereite ein Gesetz vor, dass das Tragen von Burkas in der Öffentlichkeit generell verbieten soll.

Bekannt wurde der Beschluss über entsprechende Mitteilungen kommunaler Behörden im Internet. Darin werden alle betroffenen Händler aufgefordert, Burkas binnen 48 Stunden aus dem Angebot zu streichen. Medien zitieren einen Händler aus Tanger, der berichtet, kommunale Beamte hätten die Händler der Stadt angewiesen, die Burkas in großen Plastiktaschen zu verstauen. Der Beschluss kam unerwartet. Entsprechenden Ärger löste er bei Salafisten und Islamisten aus.

Unklare Bestimmungen

Unklar ist noch, ob sich der Beschluss der Regierung ausschließlich auf die Produktion wie den Verkauf der ursprünglich aus Afghanistan stammenden Burka bezieht oder auch den in Marokko gebräuchlicheren Nikab betrifft. Der Nikab verdeckt ebenfalls das Gesicht der Trägerin, lässt aber einen Schlitz für die Augen frei. Mehreren Zeitungsberichten zufolge zielt die Regierung auch auf den Nikab. Die Zeitung "Al 3omk al maghribi" berichtete, in mehreren marokkanischen Großstädten seien Händler aufgefordert worden, auch den Nikab aus dem Angebot zu nehmen. 

In den sozialen Netzwerken wird der neue Beschluss kontrovers diskutiert. Viele Nutzer begrüßen den Vorstoß. Sie schließen sich der These an, die Regierung handele aufgrund von Sicherheitsbedenken. Andere wiederum erklären, weder die Burka noch der Nikab gehörten zum kulturellen Erbe Marokkos. "Bei uns gibt es lange Kleider und Gewänder, die die Würde der Frau achten", schreibt ein Nutzer. "Wir wollen den Kleidungsstil der Taliban nicht. Außerdem steht der Nikab im Widerspruch zur persönlichen Freiheit der Frau. Er steht für eine eindeutige soziale und politische Ideologie." Ein Verbot von Burka und Nikab habe gleichermaßen kulturelle wie sicherheitstechnische Gründe, schreibt ein anderer Nutzer. "Davon abgesehen unterstütze ich aber die Freiheit der Frauen, sich zu verschleiern, wie wir es von unseren Müttern, Schwestern und Bekannten kennen." Die marokkanische Zeitung "Al hadate" betitelt ihren Bericht zu diesem kontroversen Thema mit "Das Ende der Bekleidungsdiktatur".

Schwierige Identitätsfeststellung

Der Beschluss gehe auf die Sicherheitslage zurück, so Mokhtar Aziwi, Chefredakteur von "Al hadate" im Gespräch mit der Deutschen Welle. Einerseits missbrauchten Kriminelle die Vollverschleierung. "Andererseits sehen viele in der Burka eine Art Tarnung. Denn sie macht es sehr schwer, die Identität möglicher Terroristen festzustellen. Denn viele von denen, die eine solche Kleidung tragen, weigern sich, sie abzunehmen und ihr Gesicht zu zeigen."

Moschee As-Sounna in Rabat Bild: picture-alliance/maxppp/S. Assier

Einige Marokkaner wundern sich allerdings, dass die Regierung die Produktion und den Handel mit Burkas verbietet, nicht aber, diese zu tragen. Andere sehen in dem Verbot einen Versuch, die Stimmung in der Bevölkerung zu testen und in Erfahrung zu bringen, welche Auswirkungen ein künftiges vollständiges Verschleierungsverbot haben könnte.

"Das Problem ist, dass sich ein Kleidungsstück in ein politisches Symbol verwandelt - und zwar in eines, das dem marokkanischen Lebensstil eine Absage erteilt", gibt Mokhtar Aziwi zu bedenken. "Außerdem versucht es, uns als vom wahren Glauben Abgefallene erscheinen zu lassen - und das nach Maßstäben, die zwar in anderen Staaten, nicht aber in Marokko üblich sind." Darum würden die meisten Marokkaner diesen Beschluss begrüßen. "Dagegen sind nur die Anhänger obskurer Strömungen, die in dieser Kleidung einen Ausdruck ihrer Überzeugung sehen, dass Frauen für Fremde tabu sind." Tatsächlich finden sich viele kritische Kommentare gegen den neuen Beschluss auf salafistischen Internetseiten. 

"Burka steht für religiös totalitäre Positionen" 

Zu den Kritikern des neuen Beschlusses gehört auch die Nördliche Beobachtungsstelle für Menschenrechte (ONDH): "Er ist willkürlich und verletzt auf indirekte Weise die Rechte der Frauen auf Meinungsäußerung und ihre Freiheit bei der Kleidungswahl. Diese Wahl kann durchaus ihre Identität und ihre kulturellen, politischen und sozialen Überzeugungen ausdrücken." Die regierende gemäßigt islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, die derzeit in einem schwierigen Regierungsbildungsprozess steckt, hat sich zu diesem Thema nicht geäußert. Auch die ihr nahe stehende islamistische Haraka At-tawhid wal islah ("Bewegung für Monotheismus und Reform") schwieg dazu. 

Der Journalist Mokhtar Aziwi hingegen sieht in dem Entschluss keine Einschränkung der Persönlichkeitsrechte: "Wir müssen uns daran erinnern, dass die Strömung, die zum Tragen der afghanischen Burka aufruft, dieselbe ist, die es für erlaubt hält, Frauen zu schlagen. Außerdem steht sie für rassistische und religiös totalitäre Positionen, die mit modernen Persönlichkeitsrechten nicht zu vereinbaren sind." 

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