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KatastropheMarokko

Marokko trauert um die vielen Erdbeben-Toten

10. September 2023

Die Behörden des nordafrikanischen Staates haben schon weit über 2000 Todesopfer gezählt. Erste Hilfe aus dem Ausland könnte bald eintreffen. Inzwischen gab es wieder ein Nachbeben.

Marokko | Mann vor schwer beschädigtem Haus in Marrakesch
Ein Marokkaner vor seinem schwer beschädigtem HausBild: Saouri Aissa/Xinhua/IMAGO

Nach dem verheerenden Erdbeben in Marokko hat Spanien die Entsendung von Such- und Rettungsmannschaften sowie weitere Hilfe angekündigt. Spaniens Außenminister José Manuel Albares sprach im Sender Catalunya Radio von einem "Zeichen spanischer Solidarität" und dem "Gefühl der Freundschaft", das die Menschen beider Länder verbinde. Demnach hatte Marokkos Außenminister zuvor in einem Telefonat um Hilfe gebeten. Auch Deutschland hatte dem nordafrikanischen Staat seine Hilfe angeboten. 

Bislang kein offizielles Gesuch eingegangen

Das Technische Hilfswerk (THW) teilte derweil mit, seine für einen möglichen Rettungseinsatz bereits versammelten Helfer würden vorerst wieder nach Hause geschickt. Da bisher kein internationales Hilfeersuchen von Marokko eingegangen sei, würden die THW-Kräfte an ihre Standorte zurückkehren, so das THW am Sonntagnachmittag.

Denn zwischenzeitlich habe sich das Zeitfenster, in dem die Wahrscheinlichkeit groß sei, Menschen lebend unter Trümmern zu retten, fast geschlossen. Seit Samstagabend hatten Einsatzkräfte für einen möglichen Rettungseinsatz bereitgestanden. Das Team bleibe aber einsatzbereit, unterstrich das THW zugleich. 

"Nun prüft das THW, ob und wie dem Land mit der Lieferung von Hilfsgütern geholfen werden kann", sagte  Präsidentin Sabine Lackner. "Auch für eine mögliche Unterstützung bei der Trinkwasserversorgung vor Ort sind THW-Einsatzkräfte vorbereitet." 

Auch Retter der Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany und des Bundesverbands Rettungshunde hatten sich bereitgehalten. Ungefähr 40 bis 50 Einsatzkräfte wie Bergungsspezialisten und medizinisches Personal seien seit Samstagnachmittag abfahrbereit gewesen, um bei einer Alarmierung direkt von zu Hause zum Flughafen zu starten. Auch sie würden die Vorbereitungen abbrechen, sagte ein Sprecher der beiden Organisationen am Sonntagnachmittag.

Ein Bild der Zerstörung: eine Straße in der Altstadt von MarrakeschBild: Fadel Senna/AFP/Getty Images

Beben mit geringer Tiefe sind gefährlich

Das Beben hatte sich in der Nacht zum Samstag (Ortszeit) ereignet. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8, laut Helmholtz-Zentrum Potsdam sogar von 6,9. Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dem USGS zufolge ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind laut Experten besonders gefährlich. Am Sonntagmorgen gab es ein Nachbeben, das laut USGS die Stärke 3,9 hatte. 

Nach jüngsten offiziellen Zahlen kamen mindestens 2122 Menschen ums Leben, mindestens 2421 erlitten demnach Verletzungen. Es wird damit gerechnet, dass die Zahl der Toten und Verletzten weiter steigt. Betroffen waren Gebiete des Atlasgebirges bis zur Altstadt von Marrakesch.

Marokko rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Nationalflaggen an öffentlichen Einrichtungen sollen dafür auf halbmast gesetzt werden, wie die staatliche Nachrichtenagentur (MAP) unter Berufung auf eine Mitteilung des Königshofs berichtete.

Das Epizentrum des Bebens lag unter dem AtlasgebirgeBild: xalevecchix/Pond5 Images/IMAGO

Große Not in den Bergdörfern

Vor allem in den Bergdörfern des Hohen Atlas ist die Lage dramatisch. Jan-Philipp Scholz, Afrika-Korrespondent der Deutschen Welle, ist aktuell in Reguregua, einem Viertel der Kleinstadt Amzmiz. Dort seien bislang 20 Tote geborgen worden, berichtet er. "Es ist so unbeschreiblich furchtbar. Meine Nachbarin war schwanger, jetzt liegt sie unter den Trümmern. Wir beten, dass sie noch lebt“, sagte Naima Oufkir aus dem Viertel im Gespräch mit Scholz.

In den umliegenden Dörfern von Amzmiz ist die Not noch größer. Lkw mit Hilfsgütern kommen oft nicht weiter, die Straßen sind eng und zudem liegt häufig Geröll auf der Fahrbahn. 

Zerstörtes Reguregua-Viertel der Kleinstadt Amzmiz im Hohen AtlasBild: Jan-Philipp Scholz/DW

Nezha ait Hmad Oubrahim wohnt in dem kleinen Dorf Tizui, seit dem Erdbeben lebt sie mit ihrer Familie auf der Straße. Ihr Haus ist fast komplett zerstört, der noch bewohnbare Bereich ist voller Risse. Bislang haben sie noch keine Hilfe erhalten. "Die Männer der Familie sind gerade auf dem Weg zurück ins Haus, um ein paar Gegenstände zu holen, vor allem ein paar Spielsachen für die Kinder, wenn sie noch brauchbar sind. Ich hoffe, dass ihnen nichts passiert."

Hicham ait Lahsen von der Lokalverwaltung ist sich sicher, dass die Zahl der Toten noch steigen wirdBild: Jan-Philipp Scholz/DW

Hicham ait Lahsen, Bewohner eines Nachbardorfes, arbeitet für die Lokalverwaltung: "Allein in unserem Dorf haben wir schon über hundert Tote gezählt. Kein Stein ist auf dem anderen. Ich bin mir sicher, dass die offiziellen Todeszahlen noch deutlich steigen werden.“

"Gedanken bei den Opfern"

International ist die Betroffenheit groß. Bundeskanzler Olaf Scholz drückte sein Mitgefühl aus. "In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens", schrieb der Kanzler auf der Plattform X (früher Twitter). UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, die Vereinten Nationen stünden bereit, die Regierung Marokkos zu unterstützen. EU-Ratspräsident Charles Michel sicherte die Hilfe der EU zu. 

Das Beben in Marokko war das tödlichste seit mehreren Jahrzehnten. 1960 gab es eines in der südmarokkanischen Küstenstadt Agadir mit der Stärke 5,8, bei dem Berichten zufolge mehr als 12.000 Menschen ums Leben kamen.

uh/nob/haz/wa (dpa, rtr, afp)

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