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Erfolgreiche Pionierinnen aus Marokko

John Duerden
31. August 2022

Die Euro 2022 war ein Wendepunkt im Fußball der Frauen. Auch der Afrika-Cup der Frauen in diesem Jahr war ein voller Erfolg - und soll erst der Anfang für das Team des Gastgeberlandes Marokko gewesen sein.

Marokkos Fußball-Nationalspielerin geht nach dem gewonnenen Halbfinale im Afrika-Cup 2022 mit einer riesigen marokkanischen Fahne durch das Stadion
Großes Ziel erreicht: Gizlane Chebbak und die marokkanische Mannschaft sind 2023 bei der WM dabeiBild: Gavin Barker/empics/picture alliance

Das Interesse am Fußball der Frauen ist in der letzten Zeit weltweit gestiegen. Die Euro 2022 war ein voller Erfolg: sportlich, medial und auch was die Zuschauerzahlen in den englischen Stadien angeht. Auch der Afrika-Cup der Frauen, der in Marokko zeitgleich mit der EM in England stattfand, verzeichnete ein Rekordpublikum. Die Gastgeberinnen aus Marokko konnten sportlich überzeugen, erreichten das Finale und lösten Begeisterung aus.

Bislang hat es noch keine arabische Nation geschafft, im internationalen Fußball nachhaltig Fuß zu fassen. Das könnte sich jedoch bald ändern, denn dank des guten Abschneidens beim Afrika-Cup ist Marokko als erstes arabisches Team der Geschichte für eine Weltmeisterschaft qualifiziert und beim Turnier im Juli 2023 in Australien und Neuseeland dabei.

Kulturelle Hürden

"Das ist erst der Anfang für den Fußball der Frauen hier", sagte Marokkos Starstürmerin Ghizlane Chebbak kurz nachdem sie mit ihrem Team durch den Halbfinal-Einzug beim Afrika-Cup auch die WM-Qualifikation unter Dach und Fach gebracht hatte. "Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns."

Das Turnier im eigenen Land war ein Durchbruch für Marokko - aber auch für einen ganzen Kulturkreis, in dem Regierungen und nationale Verbände bei der Förderung des Fußballs für Frauen sehr zurückhaltend waren und es vielerorts immer noch sind. "Das hat mit dem soziokulturellen Kontext der arabischen Welt und den akzeptierten Normen, innerhalb derer Frauen funktionieren sollen, zu tun", sagte Susan Shalabi, Vizepräsidentin des Palästinensischen Fußballverbands, der DW.

Sie ist eine der wenigen Frauen in der arabischen Welt, die eine leitende Position im Fußball bekleidet. "Fußball wurde bis vor kurzem immer als rauer, männlicher Sport angesehen. Mädchen wurden nicht ermutigt, Fußball zu spielen", sagt Shalabi.

Steiniger Weg

Das haben auch viele der marokkanischen Nationalspielerinnen so erlebt. Anders als Ghizlane Chebbak, deren Vater Larbi ein gefeierter Nationalspieler war, und der der Einstieg in den Fußball damit leicht fiel, war der Weg für ihre Teamkolleginnen oft sehr viel steiniger. Zum Beispiel für Rania Harrara. Obwohl es an ihrer Schule kein Mädchenprogramm im Fußball gab, war Harrara fest entschlossen, zu spielen und drängte sich mit aller Macht in die Jungenmannschaft.

"Dass ich trotz der ganzen frauenfeindlichen Beleidigungen durchgehalten und mir einen Platz in der Fußballmannschaft meiner Schule erkämpft habe, das ist eine meiner stolzesten und wertvollsten Leistungen", sagt die 18-Jährige. "Ich habe zwar Spiele gewonnen und mir meinen Platz durch sportliche Leistung verdient, aber die Beleidigungen haben dennoch nie aufgehört."

Harrara setzt sich dafür ein, dass Mädchen in ihrer Heimat es leichter haben, wenn sie Fußball spielen wollen. Schon vor sechs Jahren gründete sie die "Association de Football Feminin Casablancais", eine Organisation, die jungen Marokkanerinnen die Möglichkeit gibt, das Spiel zu spielen, das sie lieben.

Fehlende Investitionen

Eines der größten Hindernisse für Fußballerinnen im arabischsprachigen Raum war oft das Desinteresse der Verbände und die mangelnde Bereitschaft, Geld für den Fußball der Frauen zu investieren. Selbst für talentierte Spielerinnen war es so sehr schwierig, eine Karriere zu starten. "Mangelnde Unterstützung durch die Verbände bedeutet Inaktivität in den heimischen Ligen", sagte Agnes Amondi, Autorin bei "Her Football Hub" und "Africa New Media Group", der DW.

Selbst wenn es Anzeichen von Erfolg gab, habe stets die Grundlage, auf der man weiter hätte aufbauen können gefehlt, erklärt Amondi und gibt ein Beispiel: "2016 qualifizierte sich Ägypten zum ersten Mal seit 1998 für den Afrika-Cup, aber nach dem Ausscheiden in der Vorrunde kam alles zum Stillstand." Seitdem waren die Ägypterinnen bei keinem Turnier mehr dabei und haben so selten überhaupt ein Spiel gespielt, dass sie derzeit gar nicht mehr in der FIFA-Weltrangliste geführt werden.

50.000 im Stadion und Grüße vom König

In diesem Sommer machte Marokko mit der Ausrichtung des Afrika-Cups vor, was möglich ist: Als Vorbereitung auf das Turnier investierte der marokkanische Verband in seine Infrastruktur und die heimische Liga. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: In 13 vorangegangenen Turnieren hatte noch nie eine Mannschaft aus dem arabischsprachigen Raum überhaupt die K.o.-Phase erreicht, diesmal stürmte Marokko sogar bis ins Endspiel und besiegte auf dem Weg dorthin sogar den elfmaligen Champion Nigeria. Obwohl die Marokkanerinnen das Heimturnier mit der Finalniederlage gegen Südafrika beendeten, wurde klar, dass sich etwas Grundlegendes geändert hatte.

Neuer Trend: Fußballbegeisterung in Marokko - auch wenn die Frauen spielenBild: AP/picture alliance

Beim Halbfinalsieg gegen die Nigerianerinnen waren 45.000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Stadion mit dabei, beim Finale sogar über 50.000. Zum ersten Mal war der Fußball der Frauen größer und wichtiger als der der Männer. Ghizlane Chebbak und ihre Teamkameradinnen bekamen sogar eine Glückwunschbotschaft von Marokkos König Mohamed VI. "Ich habe etwas erlebt, was ich noch nie erlebt habe: ein Stadion voller Fans und Fußballliebhaber", freute sich Chebbak, die zur Spielerin des Turniers gewählt wurde. "Ich lebe einen Traum."

Marokko als Vorreiter

Auch im Rest der arabischsprachigen Welt blieb Marokkos Erfolg nicht unbemerkt. "Es war eine Augenweide", schwärmt Susan Shalabi. "Es ist herzerwärmend, diese Begeisterung und Unterstützung für ein Frauen-Spiel zu sehen. Es muss nur in einem arabischen Land gelingen und die anderen werden es nachmachen und sich ebenfalls verbessern wollen. Das wird dazu beitragen, dass ein freundlicheres Umfeld für fußballspielende Frauen entsteht."

Auch Fußballjournalistin Agnes Amondi hofft, dass andere Länder sich ein Beispiel an Marokko nehmen. "Für Ägypten, Tunesien und Algerien ist Marokko ein Vorbild", sagt sie. "Wenn sie wollen, dass ihre Frauenmannschaften gut abschneiden, müssen sie investieren, sich engagieren und gut planen."

Es gibt Anzeichen dafür, dass tatsächlich allmählich etwas in Bewegung gerät. In diesem Jahr hat Saudi-Arabien, eines der konservativsten arabischen Länder, eine nationale Liga eingeführt. Außerdem hat die saudische Frauen-Nationalmannschaft ihre ersten internationalen Spiele bestritten. Im August gab der saudische Verband zudem seine Absicht bekannt, sich um die Ausrichtung des Asien-Cups der Frauen 2026 zu bewerben - vor wenigen Jahren noch undenkbar.

Marokkos Torjägerin Ghizlane Chebbak: beim Afrika-Cup ausgezeichnet als "Beste Spielerin des Turniers" Bild: Weam Mostafa/empics/picture alliance

"Wir haben große Ambitionen für die Entwicklung des Fußballs der Frauen in Saudi-Arabien, die jüngsten Fortschritte sind unglaublich", sagt Lamia bin Bahian, Vorstandsmitglied des saudischen Fußballverbands. "Wir stehen wirklich am Beginn einer neuen und aufregenden Ära."

Die WM als größte Bühne

In Marokko ist man nicht nur wegen der gelungenen WM-Qualifikation bereits einen Schritt weiter. Auch der Afrika-Cup 2024 wird wieder in Marokko stattfinden. Vorher dürfen die marokkanischen Fußballerinnen im nächsten Sommer die arabische Welt auf der größten Bühne des Fußballs bei der WM vertreten und gegen die Top-Mannschaften aus Europa sowie Nord- und Südamerika antreten. 

"Was kann man sich mehr wünschen?", fragt Agnes Amondi. "Es ist eine Gelegenheit zu sehen, wie weit sie gekommen sind und was ihnen noch fehlt, um mit den Besten der Welt mithalten zu können. Kann das ein Wendepunkt im Spiel sein? Langfristig ja, aber es gibt keine Abkürzung."

Aus dem Englischen adaptiert von Andreas Sten-Ziemons

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