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Marokko König

26. November 2011

Aus den vorgezogenen Wahlen in Marokko ist die gemäßigt islamistische Partei PJD als stärkste Kraft hervorgegangen. Vor allem die niedrige Wahlbeteiligung muss jedoch zu denken geben, meint Rainer Sollich.

Themenbild Kommentar Grafik SymbolbildBild: DW

Marokkos König unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht positiv von anderen arabischen Machthabern. Im Vergleich zu den Ex-Diktatoren Hosni Mubarak, Ben Ali und Muammar Al-Ghaddafi ist Mohamed VI. weitgehend respektiert in seinem Volk. Er ist moderner als sein königlicher Amtskollege in Saudi-Arabien. Und er ist vor allem klüger als der syrische Machthaber Bashar Al-Assad, denn er hat frühzeitig erkannt, dass nur Reformen den Fortbestand seines Herrschaftssystems sichern können.

Rainer Sollich ist Leiter der Arabischen Redaktion der DWBild: DW

Damit beschreitet Marokko einen bemerkenswerten Sonderweg innerhalb des "arabischen Frühlings". Proteste werden weder im großen Ausmaß blutig niedergewalzt wie in Syrien, Jemen oder Bahrain, noch gibt sich der König die Blöße, die Gunst seines Volkes vorderhand mit Geldgeschenken zu erkaufen, wie in Saudi-Arabien. Er hat auf eine ernstzunehmende soziale Herausforderung eine politische Antwort gefunden, indem er demonstrativ die Verfassung nachbesserte, die Änderungen per Referendum absegnen ließ und vorzeitige Neuwahlen ausrief.

Seine Majestät hat wählen lassen

Eine echte Demokratie ist das noch lange nicht. Aber immerhin, seine Majestät hat die Zeichen der Zeit erkannt und reagiert: Der König hat sein Volk wählen lassen. Dreierlei muss jedoch zu denken geben. Erstens fehlt dem König bisher leider der Mut, sich auf weitergehende demokratische Reformen einzulassen. Er bleibt der unangefochtene und nicht gewählte Herrscher über Armee, Justiz und Außenpolitik. Zudem hatte es vor den Wahlen zahlreiche Verhaftungen von Demokratie-Aktivisten gegeben.

Zweitens hat mit der "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (PJD), ähnlich wie in Tunesien, eine islamistische Strömung die meisten Stimmen auf sich vereinigen können. Sie gilt zwar als königstreu und relativ gemäßigt. Doch Marokko ist ein weiteres Beispiel dafür, dass der Einfluss der "Facebook-Generation" schwindet und zunehmend konservativ-religiöse Kräfte von den arabischen Umbrüchen profitieren.

Und drittens lässt die abermals peinlich geringe Wahlbeteiligung darauf schließen, dass ein Großteil der Bevölkerung bewusst oder unbewusst den Boykottaufrufen demokratischer und konkurrierender islamistischer Gruppen gefolgt ist. Dies beweist, dass viele Menschen nicht daran glauben, dass solche Wahlen etwas ändern an Korruption, Armut, hoher Jugendarbeitslosigkeit und fehlenden Lebensperspektiven.

Druck dürfte weiter zunehmen

Bisher hatte es Mohamed VI. immer geschickt vermocht, den Unmut der Bevölkerung von seiner eigenen Person auf die gewählten Politiker umzulenken. Ob ihm dies auch mit den Islamisten gelingen wird, bleibt abzuwarten. Weder ihr zuletzt betont moderates Auftreten noch ihre königstreue Gesinnung sind über alle Zweifel erhaben. Aber sie wurden gewählt. Nicht nur der marokkanische König, auch das benachbarte Europa wird sich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzen müssen. Sie haben viel versprochen im Wahlkampf. Nun haben sie die Chance, sich zu beweisen.

Der gesellschaftliche Druck und Frust in der marokkanischen Bevölkerung dürfte aber angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Rahmendaten weiter anwachsen, ebenso die Auswanderung nach Europa. Langfristig wird der König dies nicht mehr allein mit Mini-Reformen abfangen können. Er muss mutiger werden.

Autor: Rainer Sollich
Redaktion: Hans Spross

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