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KonflikteNahost

Marsch der Angehörigen erreicht Jerusalem

Veröffentlicht 18. November 2023Zuletzt aktualisiert 18. November 2023

Seit Dienstag waren die Menschen von Tel Aviv aus unterwegs. Sie wollen den Druck auf die israelische Regierung erhöhen, die Geiseln der Hamas nach Hause zu bringen. Ein Überblick.

Israel Jerusalem | Protest-Marsch der Geisel-Angehörigen
Angehörige der Verschleppten in Jerusalem: "Jetzt, jetzt, jetzt", skandiert die Menge immer wiederBild: Mahmoud Illean/AP/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Marsch der Geisel-Angehörigen erreicht Jerusalem
  • Berichte: Zahlreiche Tote bei Einschlag in UN-Schule im Gazastreifen
  • Israels Armee weitet Einsatz zur Evakuierung der Al-Schifa-Klinik aus
  • Waffen in einem Kindergarten und einer Schule entdeckt 
  • Erste Treibstofflieferung erreicht Gaza

 

Zehntausende Teilnehmer eines Protestmarschs für die Geiseln in der Gewalt der Hamas haben Jerusalem erreicht. Dort zogen sie zu Netanjahus Amtssitz. Der Marsch hatte am Dienstag in der rund 70 Kilometer entfernten Küstenmetropole Tel Aviv begonnen. Die Demonstranten führten blau-weiße israelische Flaggen und gelbe Luftballons mit sich. Viele hielten Schilder mit Bildern der Entführten in die Höhe. Sie fordern von der Regierung einen sofortige Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln, die seit sechs Wochen im Gazastreifen festgehalten werden.

Die Farbe Gelb symbolisiert die Solidarität mit den verschleppten Kindern, Frauen, Männern und alten Menschen. Zahlreiche Israelis tragen seit Wochen gelbe Bänder an ihren Handgelenken und binden sie an gut sichtbaren Orten fest. Am 7. Oktober hatten Terroristen der militant-islamistischen Hamas und anderer Gruppen bei Massakern und Angriffen im israelischen Grenzgebiet mehr als 1400 Menschen getötet und rund 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Wie viele von ihnen noch am Leben sind, ist unklar. Vier Menschen wurden inzwischen freigelassen; eine Geisel konnte befreit werden. Zudem wurden in Gaza die Leichen zweier israelischer Frauen von israelischen Soldaten geborgen.

Berichte: Zahlreiche Tote bei Einschlag in UN-Schule im Gazastreifen

Beim Einschlag eines Geschosses in einer UN-Schule im nördlichen Gazastreifen soll es zahlreiche Tote gegeben haben. Ein Sprecher des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums in Gaza warf der israelischen Armee vor, das Gebäude angegriffen zu haben. Die Streitkräfte teilten mit, man prüfe die Berichte. Die israelische Nachrichtenseite "ynet" schrieb, es sei unklar, ob es sich um einen israelischen Angriff oder eine fehlgeleitete Rakete palästinensischer Terroristen gehandelt habe.

Bilder aus dem Flüchtlingsviertel Dschabalia zeigten mehrere Tote in Leichentüchern. Der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA), Philippe Lazzarini, schrieb im Onlinedienst X, er habe schreckliche Fotos und Videos erhalten, die Dutzende getötete und verletzte Menschen zeigten. "Diese Angriffe dürfen nicht alltäglich werden, sie müssen aufhören." Lazzarini forderte eine sofortige humanitäre Waffenruhe. Nach seinen Angaben hatten in dem Gebäude Tausende Binnenflüchtlinge Zuflucht gesucht.

Der Sprecher des Gesundheitsministeriums in Gaza sagte zudem, es habe einen zweiten Angriff auf eine Schule im nördlichen Beit Lahia gegeben, bei dem mehrere Menschen getötet worden seien. Die Streitkräfte teilten mit, auch hier würden die Berichte geprüft.

Aus dem Gazastreifen wurden nach israelischen Militärangaben erneut mehrere Raketen auf israelische Grenzorte sowie die Küstenstadt Aschkelon abgefeuert. Nach Darstellung der Armee geht etwa ein Fünftel der von militanten Palästinensern abgefeuerten Raketen im Gazastreifen nieder.

Scholz: Humanitäre Lage im Gazastreifen verbessern

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in einem Telefonat mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu für Feuerpausen im Israel-Hamas-Krieg eingesetzt. "Der Bundeskanzler betonte die dringende Notwendigkeit, die humanitäre Lage der Menschen im Gazastreifen zu verbessern", teilte eine Regierungssprecherin mit. "Humanitäre Feuerpausen könnten zu einer wesentlichen Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung beitragen." Scholz habe zugleich die volle Solidarität mit den Menschen in Israel erneuert und dabei unterstrichen, Deutschland stehe unverbrüchlich an der Seite Israels.

Bundeskanzler Olaf Scholz (links) und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bei einem Treffen im Oktober in Tel AvivBild: Maya Alleruzzo/Pool via REUTERS

Netanjahu habe die israelischen Bemühungen zum Schutz von Zivilisten im Gazastreifen erläutert, die jedoch weiterhin von der Hamas konterkariert würden. Die beiden Politiker hätten auch über die Bemühungen gesprochen, die Geiseln der Hamas so schnell wie möglich zu befreien, so die Sprecherin weiter.

Israels Armee weitet Einsatz zur Evakuierung der Al-Schifa-Klinik aus

Das israelische Militär will seinen Einsatz zur Evakuierung der größten Klinik im Gazastreifen nach eigenen Angaben ausweiten. Dies geschehe auf Wunsch des Direktors des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt, teilte die Armee mit. Die Soldaten boten laut eigenen Angaben an, auch die Evakuierung von Patienten zu ermöglichen. Medizinisches Personal werde im Krankenhaus bleiben, um sich um diejenigen Patienten zu kümmern, die die Klinik nicht verlassen könnten, hieß es weiter. Die Armee betonte zugleich, zu keinem Zeitpunkt die Evakuierung von Patienten oder medizinischem Personal angeordnet zu haben. 

Zuvor hatte es von palästinensischer Seite geheißen, Soldaten hätten über Lautsprecher die Evakuierung des Al-Schifa-Krankenhauses "binnen einer Stunde" angeordnet. Die Menschen sollten die Klinik in Richtung der nahe gelegenen Küstenstraße verlassen.

Blick auf das Gelände der Al-Schifa-Klinik mit provisorischen Zelten geflüchteter Palästinenser am vergangenen SonntagBild: Ahmed El Mokhallalati/REUTERS

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) hatten sich nach Beginn des Israel-Hamas-Kriegs rund 2300 Menschen - Patienten, Vertriebene und medizinisches Personal - auf dem Krankenhausgelände in Gaza-Stadt befunden. Wie viele Menschen aktuell noch dort sind, ist unklar. Augenzeugen schilderten, mehrere hundert Menschen hätten an diesem Samstag das Gebäude zu Fuß auf einer Straße Richtung Süden verlassen. 

Die israelische Armee hatte die Bewohner mehrerer Viertel in der umkämpften Stadt Gaza dazu aufgerufen, ihre Häuser zu verlassen und sich im südlichen Gazastreifen in Sicherheit zu bringen. Dies galt auch für die Bewohner von Dschabalia.

Israel: Hamas-Tunnel in Al-Schifa-Krankenhaus freigelegt

02:29

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Israelische Soldaten sind seit mehreren Tagen in und um die Klinik im Einsatz - ungeachtet internationaler Kritik an dem militärischen Vorgehen in einem Krankenhaus. Die Truppen haben nach den Worten von Regierungschef Netanjahu unter dem Al-Schifa-Krankenhaus eine unterirdische Zentrale der Terrororganisation Hamas entdeckt. Die Streitkräfte hätten im zweiten Untergeschoss der Klinik ein Kommando- und Kontrollzentrum gefunden, sagte er dem US-Radiosender NPR. Terroristen seien vor der Ankunft der Soldaten aus dem Gebäude geflüchtet. Die Armee habe dort auch Waffen und Bomben entdeckt. Die Hamas, die außer von Israel auch von den USA, der EU, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, bestreitet die Existenz eines solchen Stützpunkts unter der Klinik.

Ein israelischer Soldat in Gaza-Stadt am DienstagBild: Israel Defense Forces via AP/picture alliance

Waffen auch in einem Kindergarten entdeckt

Die israelischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben auch in einem Kindergarten und in einer Grundschule im Gazastreifen Waffen und Munition sichergestellt. Bei dem Einsatz im Norden des abgeriegelten Palästinensergebiets seien Panzerbüchsen, Mörsergranaten, Sturmgewehre und Munition entdeckt worden, teilte das Militär auf der Nachrichtenplattform X, ehemals Twitter, mit. "In Kindergärten sollten Spielsachen aufbewahrt werden, keine tödlichen Waffen", hieß es in der Mitteilung.

Israel: Raketen aus zivilen Gebäuden heraus abgefeuert

Der israelische Armeesprecher Arye Shalicar hat im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) darauf hingewiesen, die Hamas habe in vielen zivilen Gebäuden im Gazastreifen ihre militärischen Strukturen und Waffen. In den vergangenen Wochen seien aus dem Küstengebiet rund 10.000 Raketen auf Israel abgefeuert worden. "Von wo wurden diese Raketen abgeschossen? Es gibt im Gazastreifen nicht eine einzige Militärkaserne", sagte Shalicar.Die Geschosse würden nach wie vor aus zivilen Infrastrukturen wie Krankenhäusern, Moscheen und Schulen abgefeuert. "Würden sie Raketen aus Militärkasernen schießen, dann wäre die Hamas an einem Tag schon zerstört." Die Verantwortung für zivile Opfer trage daher allein die Terrororganisation, sagte Shalicar. 

Erste Treibstofflieferung in Gaza eingetroffen

Im abgeriegelten Gazastreifen ist eine erste Treibstofflieferung aus dem benachbarten Ägypten eingetroffen. Das israelische Kriegskabinett hatte am Freitag beschlossen, täglich zwei Tankwagen über den ägyptischen Grenzübergang Rafah ins Palästinensergebiet zu lassen, "um die Abwasseraufbereitungsanlagen zu betreiben, die aufgrund des Strommangels vom Zusammenbruch bedroht sind", wie der nationale Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi mitteilte. "Wir haben diese Entscheidung getroffen, um die Ausbreitung von Epidemien zu verhindern."

Bislang hatte Israel Treibstofflieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen mit der Begründung abgelehnt, die Hamas könnte diese umleiten und für militärische Zwecke nutzen.

USA üben Druck aus

Ein hochrangiger Beamter der USA erklärte, Washington habe Druck auf die israelische Führung ausgeübt, Treibstofflieferungen zuzulassen. Im Rahmen der Vereinbarung würden nun alle 48 Stunden 140.000 Liter Treibstoff in den Gazastreifen gelassen, von denen 20.000 Liter für Generatoren zur Wiederherstellung des Telefonnetzes bestimmt seien.

Ein zweitägiger durch den Treibstoffmangel verursachter Strom- und Kommunikationsausfall hatte zuvor die Hilfslieferungen für die rund 2,2 Millionen im Gazastreifen eingeschossenen Menschen stark behindert. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths erklärte, Treibstoff sei "entscheidend für die Weiterverteilung der Hilfsgüter im Gazastreifen und für das Funktionieren lebenswichtiger Dienste". Griffiths forderte nochmals eine "humanitäre Feuerpause" im Gazastreifen.

Nach Angaben des UNRWA haben 70 Prozent der Bewohner im Süden des Gazastreifens keinen Zugang zu sauberem Wasser, Abwässer würden bereits über die Straßen fließen.

Bas: Hamas-Terror muss lauter verurteilt werden

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat die Bevölkerung in Deutschland dazu aufgerufen, sich sichtbarer und häufiger Antisemitismus entgegenzustellen. Sie nehme die Enttäuschung der jüdischen Gemeinden wahr, dass an Solidaritätskundgebungen für Israel weniger Leute teilnehmen als an Pro-Palästinenser-Demos, sagte Bas der "Rheinischen Post" in Düsseldorf. "Ich werbe für mehr Differenzierungen in der Debatte. Im Grunde sollte jeder von uns sich hinter einer klaren Absage an jede Form von Antisemitismus versammeln können", sagte die SPD-Politikerin.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (Archivbild)Bild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Sie wies darauf hin, als Deutsche trügen "wir eine ganz besondere Verantwortung für den Schutz von Jüdinnen und Juden". Deshalb wünsche sie sich, dass der "fortdauernde Terror der Hamas, der sich gegen Israel, aber auch gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen richtet, bei uns in Deutschland noch viel häufiger und lauter verurteilt wird", sagte Bas. Auf der anderen Seite sei nicht jede Aufforderung, auf den Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu achten, automatisch Antisemitismus, betonte die Bundestagspräsidentin.

Bahrain ruft zu Gefangenenaustausch auf

Der Golfstaat Bahrain fordert Israel und die islamistische Hamas zu einem Gefangenenaustausch auf. Die Hamas solle sofort die aus Israel entführten Kinder und Frauen freilassen, verlangte Kronprinz und Ministerpräsident Salman bin Hamad al-Chalifa. Er glaube nicht, dass irgendeine arabische Führungspersönlichkeit die Hamas dazu bereits aufgefordert habe. Es sei deshalb Zeit für klare Worte, sagte er.

Zugleich verlangte der Kronprinz von der israelischen Führung, weibliche und minderjährige palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen zu entlassen. Dies sei notwendig, um den Konflikt und die "untragbare Situation" im Gazastreifen zu beenden. Bahrains Ministerpräsident verurteilte zugleich aufs Schärfste die "barbarischen" Anschläge der Hamas vom 7. Oktober auf Israel und die Luftangriffe auf den Gazastreifen, die zum Tod Tausender Menschen geführt hätten.

se/as/jj/rb/ack (afp, dpa, rtr, ap, kna, zdf)