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Politik

Kobler: "Rettungsoperationen ziehen Schleuser an"

29. November 2016

1400 Flüchtlinge wurden Anfang der Woche vor Libyens Küste gerettet. Im DW-Interview spricht der UN-Sondergesandte für Libyen über die negative Seite von Rettungsaktionen - und Milliarden möglicher neuer Flüchtlinge.

Mittelmeer gerettete Bootsflüchtlinge
Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Malavolta

Deutsche Welle: Rettungsaktionen in internationalen Gewässern, wie sie im Rahmen der europäischen Operation Sophia gegen Schleusernetzwerke im Mittelmeer oder von humanitären Organisationen durchgeführt werden, haben laut Kritikern einen negativen Effekt: Schleuserbanden sollen davon profitieren. Wie sehen Sie das?

Martin Kobler: Sie haben in der Tat diesen ungewollten Effekt. Die europäischen Schiffe sind ja nur außerhalb der 12-Meilen-Zone (die zum Staatsgebiet der Küstenstaaten gehört, Anm. d. Red.) unterwegs. Deswegen bringen die Schleuser die Menschen an die Grenze der 12-Meilen-Zone und rufen sogar die italienische Küstenwache an: Holt diese Menschen jetzt dort ab! Natürlich haben diese Operationen diesen "Pull-Faktor", dass sie die Leute anziehen, deshalb können sie auch nur ein Teil der Lösung sein. Und solange die Staatlichkeit in Libyen nicht wiederhergestellt wird, wird auch der Menschenschmuggel nicht aufhören.

Wie kann man denn diesen Menschenhandel bekämpfen?

Man braucht einerseits repressive Maßnahmen. Das ist ein Verbrechen und diese Leute müssen vor Richter geführt und bestraft werden. Dafür braucht man natürlich unabhängige Gerichte, auch das ist bisher nicht der Fall. Die Menschenschmuggler bringen die Menschen quer durch die Sahara hier ins Land. Dann werden sie in Lagern gehalten - zum Teil auch in staatlich geführten Lagern. Es ist eine große Sorge von uns, dass die Menschenrechte dort nicht respektiert werden. 

Sie sind jetzt seit einem Jahr in Libyen und leiten dort die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen. Was konnten Sie bisher erreichen und was möchten Sie noch schaffen?

Martin Kobler, UN-Sondergesandter für LibyenBild: picture-alliance/dpa/M. Messara

Am Ende meines Mandats wird es jetzt nicht die große Libyen-Lösung geben. Das ist eine Generationenaufgabe. Ich bin nicht zufrieden damit, was wir in diesem Jahr geleistet haben, zum Beispiel, wenn es darum geht, die Migrationsfrage in den Griff zu bekommen.

Es gibt Positives und Negatives. Der Kampf gegen den Terror ist ein positives Element, die Migration ist ein eher negatives Element. Ich würde mir wünschen, dass die internationale Gemeinschaft hier beherzter herangeht. Libyen ist immerhin ein Nachbarland. Es liegt 30 Flugminuten von Malta, also von der Europäischen Union, entfernt. Es ist nicht auf einem anderen Stern!

Gestatten Sie mir einen Blick in die Zukunft, weg von den Jahresrhythmen, in denen wir ja hier denken: Afrika wird im Jahr 2050 2,2 Milliarden Einwohner haben, Ägypten wird 150 Millionen Einwohner haben, Europa wird 73 Millionen Einwohner weniger haben. Die 2,2 Milliarden Menschen aus Afrika werden nach Norden drängen. Es ist wichtig, dass wir heute, im Jahre 2016 schon anfangen, an das Szenario 2050 zu denken. Man muss viel intensiver in den Ursprungsländern anfangen.

Ist Libyen in seinem jetzigen Zustand ein gescheiterter Staat?

Libyen ist sicherlich ein schwieriger Staat, der noch nicht zu seiner Staatlichkeit gefunden hat. Aber wir sind dabei, das zu lösen. Libyen hatte ja nie starke Institutionen. Nach 42 Jahren Gaddhafi-Diktatur ist es natürlich schwierig, das Land wieder zusammenzuführen. Das geht nicht von heute auf morgen.

Nun ist ja schon lange die Rede davon, eine einheitliche Armee in Libyen aufzubauen. Haben Sie die Hoffnung eigentlich inzwischen fast aufgegeben?

Nein, überhaupt nicht. Sie werden sehen, früher oder später wird es diese einheitliche Armee geben. Wir haben das von der UN vermittelte Libyen-Abkommen abgeschlossen, aber wie schon Nelson Mandela gesagt hat: Das Verhandeln eines Abkommens ist die eine Sache. Viel schwieriger ist Umsetzung.

Einige libysche Quellen behaupten, dass trotz des UN-Embargos wieder Waffen nach Libyen geliefert werden - angeblich auch aus einigen westlichen Ländern. Wissen Sie etwas darüber?

Ich glaube nicht, dass der Westen Waffen nach Libyen exportiert. Ich gehe davon aus, dass sich jeder Mitgliedsstaat daran hält, die libyschen Kräfte nicht mit Waffen zu unterstützen. Es gibt allerdings amerikanische Luftschläge. Das ist aber kein Waffenexport nach Libyen, sondern der Präsidentschaftsrat hat diese Luftschläge bei den Amerikanern angefordert. Das finde ich auch gut. Im letzten Jahr ist der Islamische Staat in Libyen praktisch aufgelöst worden. Er hat heute im Golf von Sirte kein zusammenhängendes Gebiet mehr.

Martin Kobler ist seit November 2015 Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen in Libyen. Davor leitete der Diplomat mehrere Jahre die UN-Friedensmission im Ostkongo.

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