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Politik

Martin Schulz, der Optimist

Nina Werkhäuser
3. September 2017

"Ich werde Bundeskanzler", sagt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Kann er das schaffen? In den Umfragen liegt Merkels CDU weit vorn. Wer ist der Mann, der die Bundeskanzlerin herausfordert?

Deutschland SPD-Bundesparteitag in Berlin
Bild: Reuters/A. Schmidt

Das Wahljahr 2017 begann für Martin Schulz mit einem Höhenflug: Nachdem SPD-Chef Sigmar Gabriel überraschend verzichtet hatte, wurde Schulz Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten - und verpasste der "alten Tante SPD" einen veritablen Adrenalinstoß. Die Umfragewerte schossen in die Höhe, die angestaubt wirkende SPD lag plötzlich wieder voll im Trend. Tausende Neumitglieder traten in die Partei ein. Demoskopen schrieben das der Tatsache zu, dass der Europapolitiker Schulz innenpolitisch "unverbraucht" war und die Hoffnung auf Veränderungen weckte. Der "Schulz-Effekt" machte schließlich auch die CDU nervös.

Begeisterung für Martin SchulzBild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Welchen Werdegang hat der Mann, der die SPD so beflügelt? Seine politische Karriere hat der 61-jährige Sozialdemokrat nicht in der Bundespolitik, sondern beim Europäischen Parlament in Straßburg gemacht. 2012 wurde er dessen Präsident - ein Posten, der ihm lag und den er liebte. Nur widerstrebend akzeptierte Schulz, dass er über den Januar 2017 hinaus keine weitere Verlängerung seiner Amtszeit heraushandeln konnte. Also streckte er seine Fühler nach Berlin aus, wo die SPD sich gerade neu sortierte - auch wegen der  anstehenden Wahl von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten.

Mit hundert Prozent an die Spitze

Zwar wurde Schulz nicht Außenminister - dieses Amt übernahm am Ende Sigmar Gabriel - aber dafür Kanzlerkandidat und neuer SPD-Chef. Ihm traute die Parteiführung am ehesten zu, Angela Merkel aus der Reserve zu locken. Schließlich war Schulz kein Mitglied der gemeinsamen Regierung von SPD und CDU/CSU.

Auch die Basis war begeistert: Ein Sonderparteitag wählte Schulz im März 2017 mit hundert Prozent der Stimmen zum neuen SPD-Vorsitzenden. In kürzester Zeit war Schulz zum Hoffnungsträger einer verunsicherten Partei geworden. Nicht nur seine engagierten Reden kamen gut an, sondern auch seine Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen, sie zu motivieren. Hätte es zu diesem Zeitpunkt eine Direktwahl des Bundeskanzlers gegeben, hätte Schulz gute Chancen auf einen Sieg gehabt: In den Umfragen der Monate Februar und März überholte er Angela Merkel als beliebteste deutsche Politikerin.

Kann das Ergebnis selbst kaum fassen: Martin Schulz, mit hundert Prozent der Stimmen zum neuen SPD-Chef gewählt Bild: Reuters/F. Bensch

"Ich war ganz unten"

Dass Martin Schulz einmal Vorsitzender und Kanzlerkandidat seiner Partei werden würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Seinen Start ins Berufsleben hatte Schulz, der in der Kleinstadt Würselen in der Nähe von Aachen aufwuchs, gründlich verpatzt: Mit 17 wollte er unbedingt Profifußballer werden und ließ dafür das Abitur sausen. Weil er sich eine schwere Verletzung zuzog, musste er mit dem heiß geliebten Fußball aufhören und begann zu trinken. Schließlich landete er als arbeitsloser Alkoholiker in der Gosse, aus der ihm sein Bruder und Parteifreunde wieder heraus halfen. "Ich war mal ganz unten", sagt Schulz über diese Zeit.

Nachdem er sich wieder hochgerappelt hatte, eröffnete er eine Buchhandlung in Würselen. "Lesen ist mein Lebenselixier", sagt Schulz, der verheiratet ist und zwei Kinder hat. Gerne empfiehlt er das Buch eines großen deutschen Historikers über den Zerfall der Weimarer Republik. Daraus könne man lernen, dass Angriffe auf die Demokratie so frühzeitig wie möglich abgewehrt werden müssten. 

Martin Schulz vor 30 Jahren als Bürgermeister von Würselen Bild: picture-alliance/dpa/W. Sevenich

Jüngster Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen 

Seine Buchhandlung vermisst der Rheinländer nach eigenem Bekunden heute noch. Er verkaufte sie, als seine politische Karriere Fahrt aufnahm: Mit nur 31 Jahren wurde er Bürgermeister von Würselen und 1994 ins Europaparlament gewählt, dessen Präsident er 2012 wurde. In jenem Jahr nahm er, zusammen mit den Spitzen von EU-Kommission und EU-Rat, in Oslo den Friedensnobelpreis für die Europäische Union entgegen. 2015 erhielt er den renommierten Aachener Karlspreis.

Seine profunde Kenntnis der Europapolitik halfen Schulz nach seinem Wechsel nach Berlin aber nur bedingt weiter: Zwar betonte er sein Verständnis für die Sorgen und Nöte der "kleinen Leute", sein innenpolitisches Profil blieb aber längere Zeit vage. Schulz vertrete "alles außer Inhalte", spotteten Kritiker im Frühjahr. Später legte er ein Programm vor, das unter anderem milliardenschwere Investitionen in das Bildungssystem in Aussicht stellt.

Angela Merkel strebt ihre vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin an. Kann Martin Schulz ihren Plan noch durchkreuzen? Bild: picture-alliance/dpa/C. Peters

Wo blieb der Schulz-Effekt? 

Wie stark die Zugkraft ihres Spitzenkandidaten sein würde, testete die SPD bei den Landtagswahlen - und erlitt gleich mehrere Dämpfer: Im Saarland verpasste die SPD den erhofften Machtwechsel, in Schleswig-Holstein und im wichtigen Bundesland Nordrhein-Westfalen verlor sie den Posten des Ministerpräsidenten an die CDU. Schulz' Hoffnung, sich über gute Wahlergebnisse in den Bundesländern an das Kanzleramt heranzuarbeiten, ging nicht auf. 

Inzwischen sind die Umfragewerte der SPD wieder auf das Niveau gesunken, auf dem sie vor dem Frühjahrshoch lagen - auf knapp über 20 Prozent. Martin Schulz spornt das nur an. Er setzt weiter auf Angriff und nimmt inzwischen auch die Kanzlerin selbst ins Visier: Sie sei "abgehoben" und "entrückt". Viele Wähler, sagt der Sozialdemokrat, seien noch unentschlossen - und um ihre Stimmen werde er bis zuletzt kämpfen. 

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