Schulz will Globalisierung erneuern
13. März 2017Auf der ganzen Welt sind autoritäre Kräfte auf dem Vormarsch. Sei es in der Türkei unter Recep Tayyip Erdogan, in Ungarn unter Victor Orban oder auch in den USA unter Donald Trump, In den Niederlanden greift der Rechtspopulist Geert Wilders in dieser Woche nach der Macht, in Frankreich im Mai Marine Le Pen. Nationale Abschottung gehört bei allen zum Programm. "Wir gegen die anderen ist ihr politisches Geschäftsmodell", nennt das Martin Schulz.
Der designierte SPD-Parteivorsitzende und sozialdemokratische Kanzlerkandidat ist Gastgeber einer Tagung der "Progressive Alliance" in Berlin. Mehr als 120 sozialdemokratische und sozialistische Parteien sind in dem Bündnis zusammengeschlossen, das sich 2013 auf Initiative der SPD und Sigmar Gabriels als Ergänzung zur Sozialistischen Internationalen gegründet hat.
Gabriel fällt aus
Eigentlich wollte der noch amtierende SPD-Chef und Bundesaußenminister bei dem Treffen der Allianz im Willy-Brandt-Haus dabei sein und eine Rede halten. Doch Gabriels Familie ist erkrankt und so muss Schulz seinen Parteifreund entschuldigen. "Sigmar Gabriel ist ein junger Vater und wie das im Leben von jungen Vätern so ist, die ganze Familie ist krank - nur der Vizekanzler und das Baby sind gesund." Deswegen sei Gabriel zuhause in Goslar geblieben und lasse schön grüßen.
Auch Katharina Barley, die SPD-Generalsekretärin fehlt. Ihr Kommen wurde durch den Streik auf den Berliner Flughäfen vereitelt. Schulz muss die Konferenz also alleine eröffnen - er hat damit sichtbar keine Probleme und tut das in gleich fünf verschiedenen Sprachen. 25 Minuten dauert seine Rede, die sich im Kern mit der Frage beschäftigt, wie der weltweite Vormarsch der Nationalisten und Populisten aufgehalten werden kann. Was derzeit stattfinde, sei eine "Konterrevolution gegen die Ausbreitung des Liberalismus", zitiert Schulz den britischen Historiker Timothy Garton Ash. Die Welt erlebe eine Rolle rückwärts zu den "vermeintlichen Gewissheiten von Nation und Volk".
Die Globalisierung ist schuld ….
Eine Entwicklung, der Schulz aber auch etwas Gutes abgewinnen kann. Der neue Nationalismus zwinge alle zu einem neuen Blick auf die Globalisierung. "Ich halte diese Auseinandersetzung mit der Globalisierung gerade angesichts der Propaganda einer illiberalen Gesellschaft, wie sie in manchen Ländern geradezu regierungsamtlich vorgeschlagen wird, für überfällig."
Über Jahrzehnte hinweg sei ein einseitig euphorisches Bild von der Globalisierung gezeichnet worden. Soziale, ökologische und demokratische Ziele hätten sich dem unterordnen müssen. "Wachsende soziale und ökonomische Ungleichheit sollten als Preis der Freiheit in Zeiten der Globalisierung akzeptiert werden", erklärt Schulz.
… auch wenn sie nicht nur Nachteile hat
Die Globalisierung habe durchaus auch ihre guten Seiten. Errungenschaften seien, dass Menschen grundsätzlich nicht mehr nach ihrer Hautfarbe, Religion oder Nation bewertet würden, Grenzen sowohl physisch als auch intellektuell geöffnet, Freizügigkeit und Wissen der Menschheit erweitert worden seien. Die Globalisierung sei zudem ein starker Motor der wirtschaftlichen Entwicklung, gerade auch außerhalb Europas.
Gleichzeitig sei es aber weltweit zu harten Gegensätzen zwischen Gewinnern und Verlierern gekommen. Mit entsprechenden Folgen: "Der globalisierte Finanzkapitalismus unserer Tage kassiert die Unabhängigkeitserklärungen der großen demokratischen Revolutionen." Die autoritären Nationalisten würden sich mit diesen Widersprüchen aber nicht auseinandersetzen, sondern einfach Sündenböcke suchen. "Die erkennbaren Ungerechtigkeiten werden den Flüchtlingen, den Ausländern, notfalls schlicht dem Nachbarn zugeschrieben."
Fairer und gerechter
Als Konsequenz fordert Schulz eine grundsätzliche Neubewertung und politische Neuausrichtung der Globalisierung. Durch praktisches Handeln müsse unter Beweis gestellt werden, "dass wir unsere Grundwerte und Prinzipien zum Maßstab einer neuen Globalisierung machen wollen". Unternehmen müssten ihre Geschäfte transparenter machen, Löhne müssten das Leben wieder sichern, die sozialen Sicherungssysteme wieder tragfähig gemacht werden. Globalisierung sei kein Schicksal."Wir können Globalisierung im Interesse der Menschen gestalten, wenn wir stark genug dafür sind."
Als Bundeskanzler werde er sich dafür einsetzen, die Globalisierungsprozesse gerecht zu gestalten, sagt Martin Schulz. "Wir müssen deutlich machen, dass Abschottung keine Lösung ist, denn keine Mauer kann hoch genug sein, um uns gegen globale Probleme abzuschirmen."