Martin Schulz: "Wir wollen Griechenland nicht knechten"
9. Mai 2012"Wir brauchen Haushaltsdisziplin in Europa, sie ist zwingend erforderlich, aber sie ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck", sagte der sozialdemokratische EU-Parlamentspräsident Martin Schulz am Dienstag bei seinem Antrittsbesuch in Berlin im Anschluss an ein Gespräch mit Bundestagspräsident Norbert Lammert vor der Presse. "Wir brauchen aber auch eine Einnahmeverbesserung", sagte Schulz weiter. Deswegen hoffe er auf die Durchsetzung einer Finanztransaktionssteuer, wobei er einräumte, dass die Chancen dafür derzeit bei 50 Prozent lägen.
Auf die Frage nach dem Umgang mit Griechenland, kündigte der EU-Parlamentspräsident an, nach Athen reisen zu wollen. Er kenne den mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragten Chef der radikalen Linken, Alexis Tsipras, bisher nicht und wolle seine "Kompromissfähigkeit in einem persönlichen Gespräch ausloten". Wichtig sei es jetzt, nicht übereinander, sondern miteinander zu reden. Schulz betonte aber, dass grundsätzlich Verträge einzuhalten sind. Die EU habe in einem sehr schmerzhaften Prozess ein 130 Milliarden-Hilfspaket beschlossen für Griechenland unter der Bedingung von Strukturreformen. "Diese Vereinbarungen können und sollten nicht neu verhandelt werden", betonte Schulz.
Gespräche in Athen angekündigt
In diesen Zusammenhang sprach sich Schulz erneut dafür aus, den Fiskalspakt durch eine nachhaltige Wachstums- und Beschäftigungsstrategie zu begleiten. "Wenn diese konkrete Maßnahmen auch für Griechenland beinhalten, dann könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass wir auch im Athener Parlament eine Mehrheit finden, die eine dauerhafte Kooperation im Rahmen der beschlossenen Verträge befürworten."
Schulz wolle die griechischen Parteien davon überzeugen, dass es ein Trugschluss sei zu glauben, die Europäische Union wolle Griechenland knechten. "Die Durchsetzung der Hilfspakete bedurfte einer großen Mobilisierung fast der Gesamtheit der Europapolitiker auf nationaler und europäischer Ebene", sagte Schulz. "Das geschieht nicht, um Griechenland zu unterjochen, sondern um zu helfen." Nichtsdestotrotz zeige das Wahlergebnis in Griechenland, dass diese Botschaft beim griechischen Volk nicht wahrgenommen wird. Darüber müsse nun in Griechenland geredet werden.