Der US-Amerikaner gehört zu den Besten seines Fachs. 2023 startet sein nächster Film in den Kinos. Ein Rückblick auf seine filmische Karriere und fünf Gründe, warum er zurecht eine Legende ist.
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Regie-Legende Martin Scorsese wird 80
Martin Scorsese gilt als einer der wichtigsten US-Regisseure der Nachkriegsgeschichte. Unzweifelhaft hat der New Yorker das Kino geprägt wie kaum ein anderer. Nun wird er 80 und hat noch einiges vor.
Bild: Getty Images/AFP/F. Dufour
Der Herr der Bilder: Martin Scorsese
Geboren 1942 in Queens, New York, steht Martin Scorsese für ein amerikanisches Kino jenseits von Hollywood. Der Italo-Amerikaner wuchs in Little Italy in seiner geliebten Heimatstadt auf und hatte keine einfache Kindheit. Zunächst wollte er Priester werden, entschied sich dann aber doch für ein Filmstudium. Zum Glück für das amerikanische Kino - und die Zuschauer in aller Welt!
Bild: Getty Images/AFP/F. Dufour
Bilder einer Stadt: Hexenkessel
Nach seinem Debütfilm "Wer klopft denn da an meine Tür?" von 1967 brachte "Hexenkessel" (1973) Scorsese den Durchbruch. Erstmals zeigte er auf der Leinwand, was ihn berühmt machen sollte: die New Yorker Unterwelt, Kleinkriminelle, Mafia-Milieu. Dazu ein rauer Blick auf die Wirklichkeit, furios montiert zu einem filmischen Crescendo und kongenial besetzt mit Schauspielern wie Robert De Niro (r.).
Bild: United Archives/dpa/picture alliance
Ikonografische Bilder: Taxi Driver
Seinen trotz zahlreicher späterer Meisterwerke heute berühmtesten Film drehte Scorsese 1976: "Taxi Driver". Das Drama um einen frustrierten Vietnam-Veteranen, der sein Geld in New York als Taxifahrer verdient, ist eine verstörende Meditation über Liebe und Gewalt. Mit De Niro in der Hauptrolle, Michael Chapman hinter der Kamera und der Musik von Bernard Hermann schuf Scorsese ein Meisterwerk.
Bild: Ronald Grant/IMAGO
Musikalisch: New York, New York
Manchen Kritikern gingen die obsessiv eingesetzten Gewaltszenen in "Taxi Driver" zu weit. Das ein Jahr später produzierte "New York, New York" war eine Art Besänftigung - ein Ausstattungsfilm mit musikalischem Ausrufezeichen und Liza Minnelli (r.) und Robert De Niro in den Hauptrollen. "New York, New York" zeigte auch ein weiteres starkes Interessenfeld Scorseses auf: die Musik.
Bild: picture alliance/dpa/Everett Collection
Gewalt im Boxring: Wie ein wilder Stier
Als einer der besten Filme aller Zeiten gilt Scorseses Boxer-Biografie "Wie ein wilder Stier" aus dem Jahre 1980. Der Regisseur widmete sich der Karriere des Boxers Jake LaMotta, zeigt dessen Aufstieg und Niedergang. Legendär bis heute: die schauspielerische Leistung von Robert De Niro, der zur möglichst realistischen Darstellung der einzelnen Lebensphasen de Mottas etliche Kilos zulegte.
Bild: United Archives/IMAGO
Stalking: The King of Comedy
Nach Gangsterdramen, Musik- und Sportfilmen zeigte der Regisseur 1982 eine weitere Facette seines Könnens. "The King of Comedy" ist eine brillante Satire auf Starkult und Medienhype. An der Kasse recht erfolglos, gilt der Film heute aber als einer von Scorseses besten Werken. Zumal er mit De Niro und Jerry Lewis eine Traumkombination vor die Kameras holte.
Bild: Mary Evans Picture Library/picture alliance
Filmgeschichte: Die Farbe des Geldes
Martin Scorsese ist nicht nur ein herausragender Regisseur, sondern auch einer des besten Kenner der Filmgeschichte. Das zeigen seine dokumentarischen Werke über einzelne Kinoepochen - und sein Billard-Drama "Die Farbe des Geldes" mit Paul Newman und Tom Cruise. Der Film knüpft an Robert Rossens "Haie der Großstadt" von 1961 an, in dem Newman als Poolbillardspieler "Fast Eddie" brilliert.
Bild: Glasshouse Images/picture alliance
Religiös: Die letzte Versuchung Christi
Scorsese wollte als junger Mann Priester werden. Daraus wurde nichts, der Amerikaner entschied sich für den Beruf des Filmregisseurs. Doch immer wieder kam er später auf das Thema Religion zurück - in zahlreichen Nebenhandlungen seiner Gangsterfilme, aber auch - ganz zentral - in seinem Jesus-Film "Die letzte Versuchung Christi". In der Hauptrolle: ein überzeugender Willem Dafoe.
Bild: dpa-Film/picture alliance
Thema Mafia: Goodfellas
Im Jahre 1990 fand Martin Scorsese dann zu seinem Leib-und-Magen-Thema zurück, exzessiver, ausführlicher und auch brutaler als jemals zuvor. "Goodfellas" blickt tief in die Strukturen der Mafia, hier der Cosa Nostra in New York. In den Hauptrollen: Ray Liotta (l.), Joe Pesci (M.) und natürlich - Robert De Niro (r.). Hinter der Kamera, inzwischen zum vierten Mal, der Deutsche Michael Ballhaus.
Bild: picture-alliance
Historisch: Zeit der Unschuld
Als wollte er sich nicht auf das ewige Thema Mafia festlegen lassen, wandte sich Martin Scorsese 1993 wieder einem ganz anderen Genre zu. Auch sein Historienfilm "Zeit der Unschuld" nach einem berühmten Roman der New Yorker Autorin Edith Wharton war ein künstlerischer Erfolg. Scorsese beherrschte auch dieses Genre scheinbar mühelos - zumal mit Schauspielern wie Daniel Day-Lewis und Winona Ryder.
Bild: dpa/picture alliance
Monumental: Gangs of New York
Beides, das Thema Bandenkriminalität und Historienfilm, verknüpfte der Regisseur dann im Jahre 2002. Sein bisher teuerstes Projekt, das mehr als 100 Millionen Euro kostete, entstand mit Hilfe einer Kölner Produktionsfirma. "Gangs of New York" stieß auf ein geteiltes Echo - auch weil man Produzent Harvey Weinstein vorwarf, er habe seine Macht gegenüber dem Regisseur zu sehr ausgereizt.
Bild: picture-alliance/United Archives/Impress
Glamourös: The Aviator
Was Robert De Niro in der ersten Karrierehälfte für Martin Scorsese war, das wurde Leonardo DiCaprio in dessen zweiter Arbeitsphase: sein Lieblingsschauspieler. Hier zeigt sich DiCaprio an der Seite von Cate Blanchett als legendärer Milliardär Howard Hughes in dem Film "Aviator" - ein brillantes Porträt des exzentrischen Flugpioniers, Filmproduzenten und Verführungskünstlers.
Bild: Entertainment Pictures/IMAGO
Kinoliebe: Hugo Cabret
Wieder einmal eine Liebeserklärung an das Medium Kino war 2011 Scorseses "Hugo Cabret", der ins Paris der 1920er-Jahre zurückblendet und die Geschichte eines zwölfjährigen Jungen erzählt, der die Welt entdeckt. "Hugo Cabret" war vieles: ein Jugendfilm und eine digitale 3-D-Ausstattungsoper, ein Film über Paris (im Studio gedreht) und vor allem eine Hommage an die Geburtsstunde der Cinematografie.
Bild: Entertainment Pictures/IMAGO
Die Macht des Geldes: The Wolf of Wall Street
Dem Thema Finanzwelt wandte sich der Regisseur 2012 zu - in seiner unnachahmlichen Art. "The Wolf of Wall Street" bietet einerseits einen ernstgemeinten Blick hinter die Kulissen der Wall Street und spießt die Mentalität der Börsenmakler auf - und ist doch ein "echter" Scorsese: weder moralisch noch bieder, furios inszeniert und voller skurriler und auch humoristischer Szenen.
Bild: picture alliance/dpa/abaca/C. Guerin
Rückkehr zum Mafiafilm: The Irishman
Von Netflix finanziert ist "The Irishman" von 2019 Martin Scorseses vorerst letzter Spielfilm. Darin zu sehen: Robert De Niro, Joe Pesci und Al Pacino in den Hauptrollen. Der Film, ein Epos, wie ihn sich nur ein Regisseur wie Scorsese selbst leisten kann, verlangt mit sagenhaften dreieinhalb Stunden Laufzeit einiges an Sitzfleisch ab. Bei den Oscars kam er auf zehn Nominierungen.
Bild: Netflix/dpa/picture alliance
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Eine Regielegende fällt nicht vom Himmel. Und so hat auch Martin Scorsese sich seinen Weg nach ganz oben erarbeiten müssen. Mit großartigen Filmen voller ikonografischer Bilder, die sich ins Gedächtnis des Kinopublikums eingebrannt haben. Der US-Amerikaner Martin Scorsese hat seinen Platz schon lange und verdientermaßen inne. Am 17. November feiert er seinen 80. Geburtstag - und arbeitet unermüdlich weiter. Fünf Gründe, warum Scorsese zu den Großen der Filmgeschichte gehört.
1. Martin Scorsese hat etwas zu erzählen
Auch andere Regisseure des neuen amerikanischen Kinos verstehen es, spannende und unterhaltsame, manchmal interessante und oft spektakuläre Filme auf die Leinwand zu bringen. Doch bei Scorsese fällt besonders auf, wie tief er in seine Geschichten eintaucht. Das hat viel mit seiner Herkunft zu tun, seiner tiefen Verwurzelung in "Little Italy", dem italienisch geprägten Viertel New Yorks. Mit seiner frühen religiösen Prägung. Mit seinen vielfältigen Interessen.
Neben seinem stets wachen Blick auf die moderne US-amerikanische Gesellschaft mit ihren sozialen Verwerfungen, Kriminalität und Gewalt im Besonderen, hat der Regisseur ein paar "Hobbys", denen er sich auch noch widmet. Für Film- und Musikgeschichte interessiert sich der 1942 in New York geborene Amerikaner seit jeher. Und Scorsese bringt seine Themen beständig in seinen Filmen unter: das kriminelle Amerika im Großen und im Kleinen in seinen Mafia-Epen, die Suche nach dem Sinn des Lebens in seinen Religionsfilmen, sein Interesse für Musik und Film in seinen Dokumentationen. Als Zuschauer spürt man dieses dringende Bedürfnis des Regisseurs, seine Geschichten dem Zuschauer mitzuteilen.
2. Martin Scorsese versteht sein Handwerk
Interessante Geschichten im Kino zu erzählen, ist eine Sache. Aber natürlich kommt es auch auf die Art und Weise an, auf die filmische Umsetzung. Da ist Scorsese ein Meister, ein echter Profi eben, man könnte auch sagen: ein begnadeter Handwerker. Wie er die Mittel des Kinos einsetzt, ist bei diesem Regisseur fast immer bestechend und überzeugend. In seinen brutalen Mafia-Filmen stockt einem der Atem ob der gewalttätigen Szenerie, seine Musikfilme bringen das Publikum zum Schwelgen, seine eher komödiantischen zum Schmunzeln, seine religiös orientierten zum Nachdenken.
Und Scorsese kann delegieren. Er lässt den an seinen Filmen beteiligten Künstlerinnen und Künstlern viel Freiraum. Mit Hollywood-Stars kann er umgehen, einige Auftritte von Robert De Niro oder die späteren von Leonardo DiCaprio sind legendär. Zu Kameraleuten wie dem Deutschen Michael Ballhaus pflegte er eine jahrelange fruchtbare künstlerische Partnerschaft. Ebenso zu Filmkomponisten. Und zu seinen Schnittleuten. Weil Scorsese akzeptiert, dass er nicht alles gleichzeitig beherrschen kann, sind viele seiner Filme ausgereift und perfekt.
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3. Martin Scorsese hat vielfältige Interessen
Martin Scorsese lässt sich nicht festlegen. Nachdem er früh in seiner Karriere mit Filmen wie "Hexenkessel" und "Taxi Driver" als Chronist der gewalttätigen amerikanischen Gesellschaft auf sich aufmerksam gemacht hat, überraschte er sein Publikum mit einem Musikfilm wie "New York, New York". Dann präsentierte er auch komödiantisch orientierte Werke wie "King of Comedy" und "Die Zeit nach Mitternacht". 1988 verblüffte er mit dem Bibeldrama "Die letzte Versuchung Christi" und 2016 mit "Silence". Scorsese wollte schließlich einmal Priester werden.
Neben seinen inzwischen 27 Spielfilmen hat Scorsese auch immer wieder Dokumentarfilme gedreht, vor allem solche, die sich seiner Leidenschaft für die Musik gewidmet haben. Bereits 1978 dokumentierte er das Abschiedskonzert der Bob-Dylan-Begleitcombo in "The Band", später folgten Filme über Dylan, die Rolling Stones und George Harrison. Auch die Kunst des Dokumentarfilms beherrscht der Italo-Amerikaner.
4. Martin Scorsese kennt die Filmgeschichte
Es ist ja kein Fehler, wenn ein Filmregisseur sich auskennt in der Geschichte seines Mediums. Manche Filmemacher, die viel wissen über Tradition und Filmkunst, über Kinogeschichte und große Regisseure, verlieren sich aber nicht selten in ihren Werken - durch zu viele Anspielungen und Verweise auf Früheres. Nicht so Scorsese. Er ist sich seiner Herkunft bewusst, kennt das amerikanische wie das europäische und auch das asiatische Kino - doch er demonstriert sein Kinowissen nicht in seinen Filmen. Scorsese pflegt seinen eigenen Stil.
Seine enormen Kenntnisse der Filmgeschichte lagert er quasi aus. Seine beiden umfassenden Dokumentationen über das US-amerikanische ("Eine Reise durch den amerikanischen Film", 1995) und das italienische Kino ("Meine italienische Reise", 1999) sind herausragende Beispiele dafür, wie man sich seiner Kinoliebe nähern kann: mit Detailwissen und Emotion, mit Hingabe und klugen Analysen.
5. Martin Scorsese ist fleißig
Wo andere Regisseure sich im Alter zurückziehen, da arbeitet Scorsese unermüdlich weiter. Dieser enorme Fleiß deutete sich schon früh an. Wie besessen arbeitet Scorsese für jedes seiner einzelnen Projekte. 27 zum Teil sehr aufwendige Spielfilme sind ja keine schlechte Ausbeute. Dazu kommen neun Dokumentation sowie Fernsehproduktionen, Kurzfilme, die Entwicklungen von TV-Serien.
Hinzu kommt sein unermüdliches Engagement für verblichene Schätze der Filmgeschichte. Weil er früh erkannt hatte, dass analoges Filmmaterial vom Verfall bedroht ist, gründete er verschiedene Institutionen, die ältere Kinofilme vor der Zerstörung retten. Er setzte sich insbesondere für den Farbfilm ein - was die Industrie mit der Entwicklung neuer Verfahren aufgriff. Er gründete 1980 mit anderen Regisseuren die "Film Foundation" und 2007 die "World Cinema Foundation", zwei Institutionen, die sich der Restaurierung und der Wiederentdeckung von Filmklassikern widmen.
Und: ein nächster Martin-Scorsese-Film ist auch in Aussicht. Mit seinem alten Partner Robert De Niro und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen plant der Regisseur eine Western-Verfilmung. "Killers of the Flower Moon " soll 2023 in Cannes Premiere feiern.