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Mit Power für den Frauenfußball im Iran

Julia Dorny
2. August 2019

Sie hat eine Vision und einen starken Willen: die iranische Frauen-Nationaltrainerin Maryam Irandoost wird nicht müde, sich in ihrem Heimatland für die Gleichberechtigung von Fußballerinnen einzusetzen.

Deutschland Discover Football, Berlin Maryam Irandoost
Bild: DW/J. Dorny

Der Himmel ist bedeckt, aber alles schimmert pink - in den Farben von "Discover Football", eines Fußball-Kulturfestivals von Frauen für Frauen, das in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag feiert. Im Willy-Kressmann-Stadion im Berliner Stadtteil Kreuzberg wird in den nächsten Tagen viel Fußball gespielt. Genauer gesagt wird Frauenfußball gespielt und zelebriert. Maryam Irandoost strahlt, als sie den Platz betritt. Sie ist für das Festival mit ihrem Team aus dem Iran angereist. Die 40-Jährige trägt über ihrem blonden Haar ein weißes Kopftuch, aus dem der Pony frech herausguckt.

"Wie Gefangene hinter Betonmauern"

Auf dem Feld hat das Spiel begonnen. Irandoost war selbst Fußballerin im Iran, jetzt ist sie Cheftrainerin der Frauen-Nationalmannschaft und setzt sich für Chancengleichheit von Fußballerinnen und Fußballern in ihrem Heimatland ein. 2016 hatte es in ihrem Verein Malavan in der Stadt Bandar Anzali am Kaspischen Meer Streit gegeben. Der Geschäftsführer des Klubs hatte sich abfällig über die Frauenmannschaft geäußert: "Wir müssen viele Münder füttern. Wenn ein sturmgepeitschtes Schiff sinkt, beginnt es, überflüssige Lasten abzuwerfen." Das Frauenteam wurde aufgelöst. Zwei Jahre später gab es bei Malavan wieder einen Frauenkader - an der Spitze, wie zuvor auch schon, Maryam Irandoost.

Eine Zeit lang habe es im Iran gar keinen Frauenfußball gegeben, erzählt Irandoost: "In der Zeit habe ich Piano gelernt und Sport studiert, aber das hat mich alles nicht zufrieden gestellt. Etwas hat gefehlt. Es war ein unglaublich harter Kampf. Wir waren wie Gefangene, umgeben von Betonmauern. Jetzt spielen wir wieder - das gibt uns eine großartige Energie."

Irans Spielerinnen: Nie ohne Kopftuch und LeggingsBild: ffiri.ir

Und das spürt man auch auf dem Feld. Die iranischen Spielerinnen sind extrem motiviert, wollen alles besonders gut machen, auch wenn sie hier nicht als ein iranisches Team spielen, sondern wie alle anderen Spielerinnen aus mehr als 20 Ländern in gemischten Teams antreten. Irandoosts Blick wandert zu ihren Spielerinnen: "Das macht den Frauenfußball im Iran besonders." Ihr Lächeln weicht einer ernsteren Miene. Ihre Augen, die eben noch strahlten, füllen sich mit Tränen. "Es ist jetzt nicht mehr so, dass Männer sagen, Frauen gehören nicht auf den Fußballplatz. Aber auch hier in Deutschland wird ja noch für die Gleichberechtigung des Frauenfußballs gekämpft. Im Iran ist es genauso. Es entwickelt sich vorwärts. Es gibt jetzt viel mehr Möglichkeiten und eine bessere Förderung. Aber es gibt eben auch Frauen wie mich, die schon älter sind, für die es diese Chancen nicht gab. Wir werden unsere Stärke immer im Herzen tragen und das Beste für alle künftigen Spielerinnen tun."

Seit fast 40 Jahren Stadionverbot für Frauen

Trotz einiger Fortschritte bleibt noch viel zu tun. Das seit fast 40 Jahren bestehende Verbot für Frauen, Fußballstadien zu besuchen, hat die iranische Regierung noch nicht aufgehoben. Ähnliche Verbote gelten für Volleyball- und Basketball-Veranstaltungen. Frauenfußballspiele werden meist in Hallen ausgetragen, das Kopftuch ist für die Spielerinnen Pflicht. Arme, Beine, Hals und Ohren müssen im Spiel bedeckt sein. Irandoost zeigt auf ihre Armstulpen und die Leggings, die unter den kurzen Hosen getragen werden müssen. "Bei den Olympischen Spielen 2010 verlangte die FIFA von den Iranerinnen, dass ihre Ohren und ihr Hals unbedeckt sein sollten. Weil der iranische Verband dies nicht gestattete, konnten sie dann nicht an den Spielen teilnehmen. Ein Teufelskreis. Die Spielerinnen sind gezwungen, Kopftücher zu tragen, weil sie das Land als offizielles Team vertreten. Sollten sie jemals ohne Kopftücher spielen, riskieren sie ein Spielverbot durch den Verband."

Strikte Ausnahme: iranische Frauen jubeln im Stadion während eines Länderspiels gegen BolivienBild: picture-alliance/dpa/S. Zareian

Der Weltverband FIFA, der bei allen internationalen Männer-Wettbewerben für gegenseitigen Respekt wirbt - mit Slogans wie "Why do we love football? Because out there we are all the same!" (Warum lieben wir Fußball? Weil wir alle gleich sind!) - äußert sich nur selten zur Unterdrückung von Frauen in Ländern wie dem Iran, im Sudan, in Ägypten oder Libyen.

Die Proteste gegen das Stadionverbot für Frauen im Iran haben während der Frauen-WM im Sommer in Frankreich zugenommen. Als FIFA-Präsident Gianni Infantino im November 2018 ein Fußballspiel im Iran besucht hatte, hatte das Regime demonstrativ rund 1000 Frauen ins Stadion eingeladen. Sie waren die ersten Frauen seit Beginn der 1980er-Jahre, die legal ein Männerspiel sehen duften. Seitdem ist jedoch nichts weiter passiert. 

Die Mutter des Teams

"Als ich noch ein Kind war, bin ich immer mit meinem Vater ins Stadion gegangen. Mein Team heute ist schon in einer besseren Situation als wir damals", sagt Maryam Irandoost. "Es fühlt sich für mich fast so an an, als hätte ich durch meinen Einsatz für den Frauenfußball die ganzen Schwierigkeiten einer Schwangerschaft durchlebt. Mein Team ist für mich meine Familie, die Spielerinnen sind meine Kinder, und ich bin die Mutter. Und Mütter haben den schwersten Job auf der Welt." Irandoost weiß, wovon sie spricht. Sie hat einen 17-jährigen Sohn.

Die Iranerinnen schießen an diesem Tag viele Tore. Die Spielerinnen, die nicht im Einsatz sind, jubeln mit. Irandoost wendet sich ihrem Team zu und feuert es mit an. Dann ein durchdringender Blick, in Richtung eines pinkfarbenen Banners am Seitenrand mit der Aufschrift "daretofight" (Wage zu kämpfen). Sie beginnt wieder zu erzählen. Davon, dass sie im Iran fast jedes Wochenende ein Spiel haben: "Wir würden auch gerne - wie die Männer - zum Spiel fliegen und nicht mit dem Bus stundenlang fahren, um dort anzukommen. Manchmal sind wir 40 Stunden unterwegs, 20 Stunden hin, 20 Stunden zurück."

Busfahren sei eben günstiger als Fliegen, die Männerligen hätten das nötige Geld, die Frauen nicht. Irandoost weist auf die ungleiche Bezahlung von Fußballerinnen und Fußballern weltweit hin: "Vergleiche doch einmal die Verträge von Cristiano Ronaldo mit denen von Martha oder Alex Morgan! Schaue dir die Möglichkeiten an, die Männern gegeben werden! Das gibt es nicht nur im Iran, das müssen wir überall ändern und zusammen daran arbeiten."

Fußballerinnen aus zahlreichen Ländern treffen sich bei "Discover Football", u.a. aus Iran, Libanon, Kenia und NepalBild: Dana Rösiger/Discover Football

Es beginnt zu regnen, Irandoost zieht sich eine bunte Regenjacke über und wird nachdenklich. "Fußball macht mich glücklich und traurig zugleich" sagt die Nationaltrainerin und erinnert sich: "Weil ich im Alter von zehn Jahren weiter Fußball spielen wollte, habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich ein Junge werden will. Dass ich mein Geschlecht ändern will. Meine Mutter war total geschockt. Ich sagte zu ihr: Wenn du nicht willst, dass ich mein Geschlecht ändere, dann überrede bitte die Leute, dass ich mit meinem Vater weiter ins Stadion gehen kann! Und dass ich weiter Fußball spielen kann."

Mit breiter Brust rein, unter Tränen raus

Dieser Wunsch habe sie stets angetrieben: eines Tages in ein Stadion einzulaufen, den Rasen zu riechen, die Atmosphäre zu fühlen. "Dafür bin ich in die Büros der Verantwortlichen gegangen. Ständig musste ich mit irgendwelchen Männern diskutieren, um den Weg zu ebnen. Sechs Monate lang bin ich mit breiter Brust in die Büros marschiert und weinend wieder herausgekommen. Aber am Ende habe ich es geschafft. Wir sind wieder da."

Die erste Halbzeit des Spiels in Berlin-Kreuzfeld ist vorüber. Irandoost lächelt zufrieden: "Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Frauen in die Stadien kommen und Fußballspiele sehen dürfen. Ich bin froh und stolz, dass ich Fußballspielerin geworden bin."

"Discover Football" ist ein gemeinnütziger Verein, der 2009 von 20 Frauen aus Berlin gegründet wurde. Sie setzen sich ehrenamtlich für Gleichberechtigung, Emanzipation und Frauenrechte weltweit ein. Fußball ist dabei eine verbindende Leidenschaft, aber auch Mittel und Symbol. Seit zehn Jahren organisiert der Verein weltweit Festivals mit Freundschaftsturnieren, Diskussionsrunden und Netzwerktreffen, dieses Mal in Berlin.

 

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