1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Masdar

Irene Quaile7. März 2013

Das Emirat Abu Dhabi fing 2008 an, eine umweltfreundliche Musterstadt der Zukunft zu bauen - in einer Region, die als Klimasünderin bekannt ist. Um Masdar ist es still geworden. Wie hat sich das Projekt entwickelt?

Das Masdar Institute in Masdar City (Foto: DW)
Masdar City Masdar InstitutBild: DW/I. Quaile

17 Kilometer außerhalb der staubigen Großstadt Abu Dhabi mit seinen Hochhäusern, breiten Straßen und regem Autoverkehr begrüßt Dr. Sultan Al Ali seine Gäste in einem luftigen Innenhof. Die anmutigen Gebäude, die den Schatten spenden, gehören zum Masdar Institute, "dem Geburtsort der Masdar-Vision", erklärt der amtierende Direktor von Masdar City. Die Fassaden sind in einem warmen Braunton des Wüstensands gehalten, sanft abgerundet und hübsch verziert. 40.000 Menschen sollen hier einmal leben und ein Beispiel für den nachhaltigen Umgang mit knappen Ressourcen geben. Der Weg bis dahin ist allerdings noch weit. Noch wohnen hier nur die 120 ausgewählten Studenten des Instituts. Sie entwickeln Technologien und erproben Innovationen für einen zukunftsfähigen nachhaltigen Lebensstil.

Masdar Institute: Forschung für die ZukunftBild: DW/ Irene Quaile

Vom Uni-Campus zur Großstadt

Ursprünglich sollte Masdar schon 2016 als funktionierende Stadt mit Wohnungen, Arbeitsplätzen und umweltfreundlicher Infrastruktur fertig sein. Der Zeitplan ist mächtig ins Stocken geraten, wie Simon Breuninger erklärt. Der deutsche Ingenieur arbeitet seit vier Jahren für Masdar City. Die Vision bleibt unverändert, sagt er. Was sich seit dem Baubeginn 2008 geändert hat,  sind die makroökonomischen Rahmenbedingungen. Im Zuge der globalen Finanzkrise fielen auch in der Golfregion die Immobilienpreise. "Masdar City musste umdenken", erklärt Breuninger. "Erst bauen, dann kommen schon die Interessenten" war die ursprüngliche Idee. "Wir haben aber gesehen, dass das nicht funktioniert, weil es ein sehr großes Überangebot im gesamten Markt gibt."

"Wir sind ein kommerzielles Unternehmen", ergänzt Strategiechef Steve Severance. "Ein erfolgreiches Projekt, das auch woanders realisiert werden kann, muss nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch nachhaltig sein." Jetzt sollen konkrete Vorhaben mit Firmen wie Siemens oder General Electric, die bald in Masdar einziehen werden, die Masdar-Vision vorantreiben und dafür sorgen, dass aus dem Campus der Elitehochschule bis 2025 eine richtige Stadt wird.

Traditionelle Kühlung mit High-tech KomponentenBild: DW/I. Quaile

Eine kühle Oase in der Wüstenhitze

Im Winter merke man den Temperaturunterschied noch nicht so stark, im Hochsommer herrsche aber in der Ökostadt ein wesentlich angenehmeres Mikroklima als woanders im Emirat, sagt Severance während eines Rundgangs durch Masdar. Durch eine Mischung aus traditionellen arabischen Bauweisen und modernster Technologie soll die Stadt einladen, viel Zeit im Freien zu verbringen. Enge Gassen werden zu Windtunnel, in denen man eine angenehme Brise spürt. "Das, was Sie vor uns sehen, ist ein Windturm", erklärt Severance. "Solche Strukturen sind traditionelle arabische Elemente, die seit Jahrhunderten gebaut werden. Wir haben etwas Technologie und Wissenschaft hinzugefügt. Der Wind wird oben eingesaugt und kommt als kühler Luftzug unten heraus".

Die Gebäude in Masdar City sind mit einer dicken Isolierschicht gegen die Wärme geschützt. Fensterflächen, die mehr Wärme durchlassen würden, sind auf ein Minimum reduziert. Auch wenn die Energie vom eigenen Solarkraftwerk erzeugt wird, ist Sparsamkeit angesagt, erklärt Chris Wan, der bei Masdar City für das Designmanagement zuständig ist. Wirtschaftlichkeit ist der Schlüssel zum Erfolg von "grünen" Gebäuden, sagt Wan. Früher habe Umweltfreundlichkeit eher als zusätzlicher teurer Luxus beim Bau gegolten. Heute plane man sie von vorne herein mit ein, so der Fachmann.

Die Ökostadt wächst langsam

Zurzeit wird in Masdar kräftig gebaut. Der zweite Teil des Instituts ist gerade fertig geworden. In diesen Tagen bezieht als erste die Firma Siemens ihre neue Zentrale in Masdar.  Das wird das energieeffizienteste Gebäude, das hier bisher gebaut wurde, sagt Wan. Es wird die strengsten amerikanischen Standards übertreffen und sogar  bis zu 65 Prozent weniger Energie verbrauchen als ein Durchschnittsgebäude in Abu Dhabi. Trotzdem habe das Team das Budget nicht überzogen, versichert Wan.

Noch ist im Café wenig losBild: DW/I. Quaile

Auch für die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) wird eine umwelt- und klimafreundliche Zentrale in Masdar gebaut. Das wird "ein symbolträchtiges Gebäude", sagt der stellvertretende Direktor Frank Wouters. "In Masdar City bewegt sich wieder etwas", meint er. Eine grüne Stadt in der Wüste zu bauen sei ein bedeutendes Unterfangen. "Wenn man hier so etwas schaffen kann, dann geht es im Prinzip überall", so der niederländische Experte.

Umdenken im Umgang mit knappen Ressourcen?

Skeptiker betonen den Mangel an Umwelt- und Klimaschutzprojekten in der Golfregion außerhalb des Vorzeigeprojekts Masdar. Simon Breuninger glaubt aber, dass Masdar als eine Art Leuchtturm das Bewusstsein für diese Themen gestärkt hat.

"Abu Dhabi, die Emirate, die ganze Region ist eher dafür bekannt, dass sie Energie in sehr großem Maßstab nutzt und einen sehr großen ökologischen Fußabdruck hat. Aber die Schaffung der Masdar-Initiative hat auch in anderen Teilen der Gesellschaft und der Industrie zu einem Umdenken geführt," meint Breuninger. Als Beispiele nennt er neue Bauvorschriften und Müllvermeidungsinitiativen in Abu Dhabi.

Mit der Ökostadt sowie mit dem Engagement des staatlichen Konzerns Masdar in innovativen Energieprojekten in anderen Teilen der Welt will der Ölexporteur Abu Dhabi seinen Wohlstand auch für die Zeit nach dem Öl sichern. Die Idee, Städte nachhaltig zu gestalten, ist nicht neu. Aber gerade aufgrund seiner Lage und der Finanzkraft der Gründer stößt Masdar weltweit auf Interesse. Laurence Tubiana, Leiterin des Pariser Instituts für Nachhaltige Entwicklung und Internationale Beziehungen (IDDRI) sieht Masdar als "nützliche Utopie". Während eines Besuchs im Rahmen ihres Vorsitzes des UN-Netzwerks für nachhaltige Entwicklungslösungen, betonte sie die Herausforderung, die Erkenntnisse des Projekts in bereits existierende Großstädte einzubringen. "Das hängt nicht nur von der Technologie ab, sondern vor allem auch von der Politik und dem Verhalten der Menschen", sagt die Professorin. Mit Masdar zeige man, was möglich ist. Dann müsse man das Ganze aber so umgestalten, dass die Veränderungen auch im Alltag stattfinden können.

EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard besuchte Masdar im Rahmen eines WeltenergiegipfelsBild: DW/I. Quaile

Auch EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard besuchte in diesem Jahr die Ökostadt. Man habe selbstverständlich auch in Europa vergleichbare Projekte, sagt Hedegaard. Der Versuch zu zeigen, dass grünes Bauen auch wirtschaftlich sinnvoll ist, sei aber sowohl für die Region bahnbrechend als auch für Europa bedeutend. "Wir können Höchstgrenzen und politische Ziele setzen, so viel wir wollen. Letzten Endes wird es aber die Veränderungen, die wir brauchen, nur in dem Maße und mit der notwendigen Geschwindigkeit geben, wenn die Wirtschaft feststellt, dass es auch ein gutes Geschäft ist", sagt Europas oberste Klimaschützerin. "Die Masdar-Initiative zeigt, dass es mit 'business as usual' einfach nicht mehr weiter geht."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen