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Politik

Rumänien: Schluss mit der Korruption!

Cristian Stefanescu das
21. Januar 2018

Bei Kälte und Schneeregen demonstrierten bis zu 100.000 Rumänen für die Unabhängigkeit der Justiz - und gegen die regierende PSD. Cristian Stefanescu berichtet aus Bukarest.

Rumänien Proteste in Bukarest
Demonstranten vor dem "Palast des Volkes", den einst der Diktator Ceausescu erbauen ließBild: DW/C. Stefanescu

AC/DC und Andre Rieu haben es schon geschafft, bei Open Air Konzerten den riesigen Platz "Piata Constitutiei" in Bukarest zu füllen. Ob sich die Fans vor die Bühne drängten oder brav auf ihren Stühlen saßen - es waren jedes Mal rund 60.000.

Der Massenprotest am Samstag brachte noch mehr Menschen auf diesen Platz und den riesigen Boulevard, der zum sogenannten "Palast des Volkes", dem heutigen Parlamentsgebäude, führt. Die ehemalige kommunistische Prachtmeile sollte während der Diktatur den Rumänen das Gefühl vermitteln, klein und demütig vor den allmächtigen Herrschern zu stehen. Viele Rumänen müssen sich zusammentun, um diese monströsen Symbole der alten Ceausescu-Diktatur zu ertragen - und es waren bis zu 100.000, die in Bukarest und anderen Städten auf die Straße gingen.

450 Kilometer zu Fuß zur Massendemonstration

Zehn von ihnen waren zwar am Samstagabend weniger sichtbar - dafür haben sie elf Tage lang für Schlagzeilen gesorgt. Sie sind zu Fuß aus der Stadt Cluj in Transylvanien in die Hauptstadt marschiert, um zu zeigen, dass sie es ernst meinen. Sorin Bobis, der diesen Marsch organisiert hat, sagte am Vorabend der Massenproteste: "Wenn Menschen 450 Kilometer zu Fuß zurücklegen können, damit ihre Stimme gehört wird und sie ihre Unzufriedenheit mit der Regierung ausdrücken, wird es bestimmt auch ein paar Tausend Bukarester geben, die ihre üblichen Wochenend-Aktivitäten unterbrechen und wenigsten ein paar Stockwerke aus ihrem Hochhaus hinuntersteigen, um mitzuprotestieren."

Sorin Bobis (vorne, in gelb) will mit seinem Marsch ein Zeichen setzen Bild: DW/C. Stefanescu

Sorin Bobis ist am Samstagvormittag in Bukarest angekommen, begleitet von viel mehr Menschen als am Anfang des Protestmarsches. Unter ihnen sind sogar zwei Blinde, die aus einer kleineren Stadt in Transylvanien zu Fuß nach Bukarest gekommen sind, um an dem schon im Dezember geplanten Massenprotest teilzunehmen. Damals hatte die von der PSD dominierte Parlamentsmehrheit im Rekordtempo Gesetzesänderungen durchgepeitscht, die die Unabhängigkeit der Justiz in Frage stellen. Unter anderem sollen Verdächtige bei der Vernehmung der Opfer anwesend sein, Durchsuchungen können nur nach der vorherigen Benachrichtigung des Betroffenen durchgeführt werden, Videobeweise sollen ungültig werden und die Untersuchungshaft soll bei Korruptionsvorwürfen wegfallen. Außerdem wird sogar über die Absicht einiger Parlamentarier mit juristischen Problemen diskutiert, dass Amtsmissbrauch nicht strafbar sein sollte, wenn eine bestimmte finanzielle Grenze nicht überschritten wird. All das hat die Wut der Menschen ausgelöst.

Die EU-Flagge als Symbol des Kampfes für den Rechtsstaat bei den Massendemonstrationen in Bukarest Bild: Getty Images/AFP/D. Mihailescu

Banner in zwei Sprachen

Einige sind auch aus den Bezirken gekommen, in denen die ungarische Minderheit besonders stark vertreten ist. Obwohl es wegen der Autonomiebestrebungen in dieser Region Spannungen gibt, spielten sprachliche und kulturelle Barrieren bei den Massenprotesten keine Rolle. Das war auch klar für Peter Eckstein-Kovacs, einen Vertreter der Partei der Ungarischen Minderheit in Rumänien (UDMR), der früher die Rechtskommission im rumänischen Senat leitete. Er hat alle nach Bukarest mitgenommen, die kommen wollten - und seine Gruppe hat Banner in beiden Sprachen, Rumänisch und Ungarisch, mitgebracht: "Wir wollen Gerechtigkeit, die Lügner sollen nicht an den Hebeln der Macht sitzen", sagt Eckstein-Kovacs. Gleichzeitig widerspricht er der gängigen Meinung der ungarischen Regierung und der Partei UDMR, dass Politiker aus der ungarischen Minderheit wegen ethnischer Ressentiments häufiger zum Ziel von Gerichtsverfahren werden: "Es gibt keine Jagd auf Ungarn in der rumänischen Justiz."

Eckstein-Kovacs ist einer der wenigen Politiker, die am Samstag in der Menschenmenge anzutreffen waren. Die Demonstranten, die den ganzen Weg aus Cluj in die Hauptstadt zurückgelegt haben, stießen auf verschlossene Türen: Sowohl aus dem Hauptgebäude der PSD, als auch aus dem des Koalitionspartners, der pseudo-liberalen Splitterpartei ALDE, schauten nur die Pförtner besorgt hinaus. Verschlossene Türen: So sah das Dialogangebot der beiden Parteien aus.

Siegfried Muresan: "Das Amt des Politikers ist vergänglich"

"In so einer Situation ist der Platz eines Politikers unter den Menschen", sagt der Europaabgeordnete Siegfried Muresan, Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP). "Das Amt des Politikers ist vergänglich, in erster Linie bist du Bürger." Der aus Rumänien stammende Politiker Muresan ist wegen des Massenprotests nach Bukarest geflogen, nachdem er ein halbes Jahr lang in Brüssel das EU-Budget für die nächsten Jahre verhandelt hat.Vor wenigen Tagen hat ihn der ehemalige rumänische Präsident Traian Basescu als möglichen Premier empfohlen, nachdem schon zum zweiten Mal in weniger als einem Jahr ein PSD-Premier zurücktreten musste: Die Partei hatte Mihai Tudose das Vertrauen entzogen, daraufhin kündigte er am Montag seinen Rücktritt an.

Der Europa-Abgeordnete Siegfried Muresan unterstützt die Demonstranten Bild: DW/C. Stefanescu

Siegfried Mureșan versteht den Unmut der Demonstranten: "Im letzten Jahr ging es um Amnestie-Gesetze. Jetzt geht es um die Beschneidung der Unabhängigkeit der Staatsanwälte und Richter und um die Schwächung der Antikorruptionsbehörde DNA. Die Menschen gehen auf die Straße, um ein klares Signal an die Politik zu senden: Wir akzeptieren das nicht."

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