Bis 2030 könnte die Welt um eine Million Arten ärmer sein, warnt der Weltbiodiversitätsrat - mit fatalen Folgen. Rund 200 Staaten suchen nun auf der Weltnaturkonferenz nach Wegen aus der Artenkrise.
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Laut Wissenschaftlern steht die Welt am Anfang des sechsten Massensterbens in der Erdgeschichte. Etwa alle zehn Minuten sterbe eine Tier-, Pilz- oder Pflanzenart aus, heißt es. Knapp 200 Vertragsstaaten der UN-Konvention für die biologische Vielfalt (CBD) beraten auf der 15. Weltnaturkonferenz (Cop15), wie sich das rasante und gefährliche Artensterben stoppen lässt. Das einwöchige Treffen findet unter dem Vorsitz Chinas vor allem virtuell und mit örtlichen Vertretern in der südwestchinesischen Stadt Kunming statt.
Und die Uhr tickt: So warnt der Weltbiodiversitätsrat vor dem Aussterben von einer Million Arten schon in den kommenden zehn Jahren und dramatischen Folgen für die Lebensgrundlagen der Menschen.Gesunde Ökosysteme und biologische Vielfalt seien die Basis für Wohlstand, Wohlergehen, Ernährung und Gesundheit, mahnen Experten. Die Ökosysteme garantierten saubere Luft, Trinkwasser, ertragreiche Böden, ein stabiles Klima und Widerstandsfähigkeit gegen Naturkatastrophen.
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Artensterben bedroht Landwirtschaft und Medizin
Mehr als 75 Prozent der Feldfrüchte weltweit, darunter viele Obst- und Gemüsesorten, Kaffee und Kakao sind von natürlichen Bestäubern wie etwa Insekten abhängig. Und auch für den Fortschritt der Medizin wäre ein noch stärkerer Verlust der biologischen Vielfalt eine Katastrophe, denn viele Medikamente kommen aus der Natur - rund 70 Prozent sind es allein bei der Krebsbehandlung.
Auf der UN-Konferenz wollen die Staaten, ähnlich wie bei der Weltklimakonferenz von Paris, eine verpflichtende Rahmenvereinbarung zum Schutz der Artenvielfalt erarbeiten. Bisherige Versuche scheiterten. Vorgeschlagen ist, 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Derzeit sind es rund 15 Prozent an Land und sieben Prozent des Meeres. Gefordert werden zudem Vorgaben für weniger Düngemittel, Pestizide und Plastik. Deutschland und die EU haben sich hinter diese Vorgaben gestellt.
Kritik an umweltschädlichen Subventionen
Das Artensterben sei heute um ein Vielfaches höher als im Schnitt der letzten zehn Millionen Jahre, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Der Verlust habe längst auch wirtschaftlich "gravierende Folgen". In Deutschland sollen deswegen etwa Moore, Wälder und Auen wieder in einen naturnahen Zustand gebracht werden. Dafür müsse aber die Agrarpolitik verändert werden, so Schulze. "So wie wir im Moment Landwirtschaftspolitik betreiben, ist sie Teil des Problems und nicht Teil der Lösung." Neben dem Ausbau der Schutzgebiete drängt die Bundesregierung auch darauf, die Naturverschmutzung einzudämmen - etwa durch Überdüngung, Pestizide und Plastikmüll.
Umweltverbände kritisieren aber, dass Deutschland weiter 67 Milliarden Euro pro Jahr an "umwelt- und naturschädigenden Subventionen ausgibt". Sie fordern eine Erhöhung der deutschen Finanzhilfen für den Kampf gegen den Artenverlust auf zwei Milliarden Euro im Jahr. Aktuell beteiligt sich Deutschland jährlich mit 800 Millionen Euro.
Wie sich Klimakrise und Artenkrise befeuern
Trotz der Dringlichkeit, gegen die Artenkrise vorzugehen, wurden Erwartungen an die Weltnaturkonferenz heruntergeschraubt. Auf dem Treffen soll zunächst nur eine "Erklärung von Kunming" verabschiedet sowie weitere Verhandlungen im Januar vorbereitet werden. Eine konkrete Strategie gegen das Artensterben soll erst bei einem Präsenztreffen vom 25. April bis 8. Mai verabschiedet werden.
Auch hier dringen Umweltverbände auf schnelleres Handeln. "Eine bessere Chance, unsere natürliche Lebensgrundlage zu retten, wird es nicht mehr geben", sagte Thilo Maack von der Naturschutzorganisation Greenpeace. Denn "nur wenn wir die Ökosysteme erhalten, wird sich die Erderhitzung auf 1,5 Grad begrenzen lassen, und nur, wenn wir diese Grenze einhalten, lässt sich das Aussterben der Arten aufhalten."
cw/ml (afp, dpa, kna, rtr)
Afrikas Wildtiere: Eine Gefahr namens Mensch
Umweltorganisationen warnen vor einer Zuspitzung des Artensterbens - davon ist auch der Verursacher Mensch bedroht. Anlässlich der COP15-Artenschutzkonferenz der UN werfen wir einen Blick auf Afrikas Tierwelt.
Bild: Eugen Haag/Shotshop/imago images
Die mit dem langen Hals
Die Giraffe liebt Savannenlandschaften, doch der Verlust ihres Lebensraumes setzt ihnen zu. Auch 2021 steht das große, gefleckte Tier auf der Internationalen Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN): Es gilt als gefährdet. Immer öfter wird Savanne in Weideflächen und Felder umgewandelt und für Bergbau genutzt. Schätzungsweise gibt es weniger als 100.000 der einst weit verbreiteten Langhälse.
Bild: S. Meyers/blickwinkel/picture alliance
Feuchte Nasen
Die kleinen Lemuren - sie gehören zu den Feuchtnasenaffen - sind ausschließlich auf Madagaskar und vorgelagerten Inseln im Osten Afrikas beheimatet. Alle Vertreter dieser Art sind als gefährdet eingestuft worden, einige sogar stark vom Aussterben bedroht. Weniger als 1000 Lemuren leben noch in den Wäldern, besonders gern sind sie nachts unterwegs.
Bild: D. Moserblickwinkel/McPHOTO/imago images
Prunkvoll: Fellkleid mit Punkten
Schnell wie der Wind - so werden Geparden oft beschrieben. Die Raubkatzen sind hochbegabte Jäger: Sie können innerhalb von nur drei Sekunden auf bis zu 95 Kilometer beschleunigen. Wie Spikes setzen sie ihre Krallen beim Lauf ein, sie sind die schnellsten Landsäugetiere der Welt. Doch der Jäger Mensch bedroht ihre Existenz, es werden immer weniger.
Bild: Günter Lenz/imageBROKER/imago images
Löwenhunger: Wo ist die Beute?
Das Töten von Löwen und der schwindende Lebensraum machen dem König der Tiere zu schaffen. Einst waren sie die Herrscher der Savanne, inzwischen ist die Situation laut WWF (World Wide Fund for Nature) dramatisch: In Westafrika gibt es demnach nur noch 500 Löwen, auf dem Kontinent wohl noch 20.000. Meist leben sie isoliert in großen Nationalparks.
Bild: picture-alliance/dpa/Nilsen
Tief in den Wäldern
Alle vier Gorilla-Unterarten sind auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere zu finden. Der Berggorilla im Dschungel, meist in den Regenwäldern des Kongobeckens, ist auch durch höhere Temperaturen des Klimawandels in Gefahr, er gerät in Stress, sagen Umweltschützer. Aber auch Wilderei, Abholzung von Wäldern und das Ebola-Virus reduziert die Tierbestände.
Nashörner gehören zu den Überlebenden der Urzeit. Sie sind gefährdet, besonders das Spitzmaulnashorn ist stark vom Aussterben bedroht: Wilderer haben es auf das Horn aus Keratin abgesehen - töten aber meist das ganze Tier. Vom nördlichen Breitmaulnashorn existieren seit dem Tod der letzten Exemplare sogar nur noch eingefrorene Embryonen, die von einer Leihmutter ausgetragen werden sollen.
Bild: Jean-Francois Ducas/imago images
Bedrohte Paddler auf Langstrecke
Meeresschildkröten werden weniger - weltweit gibt es noch sieben Arten. Vor langer Zeit bevölkerten sie die Meere, sie überlebten Dinosaurier, Naturkatastrophen und Eiszeit. Heute ist die Zivilisation ihr Feind: Sie sind gefährdet, besonders wenn die Tiere zur Eiablage die Strände aufsuchen. Und sie können den im Meer treibenden Plastikmüll nicht von ihrer Lieblingsspeise unterscheiden: Quallen.
Bild: L. Steijn/blickwinkel/AGAMI/imago images
Mehr Thunfisch schwärmt aus
Thunfische sind im Aufwärtstrend - so lautet die gute Nachricht der jetzt aktualisierten Roten Liste der bedrohten Arten der IUCN. Vier kommerziell gefangene Thunfischarten haben sich dank der Durchsetzung regionaler Fangquoten in den letzten zehn Jahren erholt. Aber der Druck auf die Meeresarten steigt. 37 Prozent der Haie und Rochen sind vom Aussterben - vor allem durch Überfischung - bedroht.
Bild: Norbert Probst/imageBROKER/imago images
Dickhäuter im Dickicht unterwegs
Zwei der großen Verlierer auf der aktuellen Roten Liste sind der Afrikanische Wald- und der Savannenelefant. Die Dickhäuter des Waldes sind vom Aussterben bedroht, die in der Savanne gelten als stark gefährdet. Sie flüchten vor Wilderei, und wenn Menschen sich immer mehr in den angestammten Lebensräumen der Tiere ausbreiten, kommt sie häufiger in Konflikte mit den großen Pflanzenfressern.