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Gesellschaft

Massensterben durch Waffengewalt

Daniel Heinrich
18. März 2019

Der Tod durch Handfeuerwaffen zählt weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Neben den jüngsten Attacken in den Niederlanden und Neuseeland sind vor allem die USA betroffen. Oft im Zentrum der Debatte: Waffengesetze.

USA Texas - nach dem Amoklauf an der Santa Fe Highschool
Bild: Reuters/J. Bachman

Weltweit sterben jedes Jahr mehr als eine Viertelmillion Menschen an den Folgen von Schusswaffenverletzungen. Laut einer Studie des renommierten amerikanischen Forschungsinstituts "Institute for Health Metrics and Evaluation" an der University of Washington in Seattle sind in den Jahren 1996 bis 2016 mehr Menschen im zivilen Bereich durch Schusswaffen getötet worden als durch militärische Konflikte oder terroristische Anschläge. Angesichts der dramatischen Zahlen scheint sich weltweit langsam ein Trend zu schärferen Waffengesetzen abzuzeichnen.

Neuseeland: Schock nach den Attentaten in Christchurch

Auch die Regierung in Neuseeland hat sich in den vergangenen Tagen klar für eine Verschärfung der Waffengesetze ausgesprochen. Am Montag versammelte Premierministerin Jacinda Ardern ihr Kabinett zu einer Krisensitzung, um schärfere Waffengesetze vorzubereiten. Zwar gibt es in Neuseeland restriktivere Regelungen als beispielsweise in den USA, allerdings gibt es bisher in den meisten Fällen keine Vorschrift zu verpflichtenden Waffenregistrierung. Gesetzesvorstöße in diese Richtung hatte bislang der nationalpopulistische Koalitionspartner New Zealand First (NZF), auf den Ardern zusammen mit den Grünen angewiesen ist, blockiert.

Allerdings deutet sich bei der NZF ein Umdenken an. Vize-Regierungschef Winston Peters lässt sich mit den Worten zitieren: "Unsere Welt hat sich für immer geändert. Deshalb werden sich auch unsere Gesetze ändern." Von heute auf morgen soll dies allerdings nicht geschehen. Bei allem Entsetzen will sich die neuseeländische Regierung erst einmal zehn Tage Zeit nehmen, um die Details zu klären. Premierministerin Ardern: "Wir wollen uns die Zeit lassen, das richtig zu machen." Ein zynischer Nebeneffekt der angekündigten Gesetzesvorhaben ist schon erkennbar. Neuseeländische Medien berichteten, dass der Verkauf von Waffen am Wochenende sprunghaft angestiegen sei.

USA: Traurige Nummer 1

Trotz der vielen Toten verläuft die Diskussion über eine schärfere Waffengesetzgebung in den USA schleppend

Weltweit sterben nirgendwo sonst so viele Menschen an den Folgen von Waffengewalt wie in den Vereinigten Staaten. Alleine im Jahr 2018 wurden in den USA laut "Gun Violence Archive" insgesamt 14.717 Menschen durch Schusswaffen getötet. Im Jahr 2019 gab es bis Anfang März schon 2.248 erfasste Todesopfer durch Schusswaffen. Doch die politische Landschaft ist in Bewegung geraten. Ende Februar stimmte das US-Repräsentantenhaus für eine Verschärfung des Waffenrechts. Die von den oppositionellen Demokraten kontrollierte Kongresskammer votierte für ein Gesetz, das bei nahezu allen Waffenverkäufen eine Hintergrundüberprüfung des Käufers vorschreibt. Bislang müssen Käufer laut Bundesrecht lediglich auf mögliche Vorstrafen hin überprüft werden, wenn sie ihre Schusswaffe in einem Waffengeschäft erwerben. Das gilt aber nicht bei privaten Online-Waffenverkäufen oder auf Waffenmessen.  Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass das Gesetz auch im republikanisch kontrollierten Senat eine Mehrheit bekommt. Viele Republikaner sowie einflussreiche Waffenlobbygruppen wie die National Rifle Association (NRA) berufen sich bei ihrer Verteidigung der laxen Regelungen regelmäßig auf die Verfassung. Der zweite Verfassungszusatz garantiert das Recht auf privaten Waffenbesitz.

Deutschland: Umdenken seit Winnenden

Seit dem Amoklauf in Winnenden im März 2009, bei dem ein 17-jähriger Täter 15 Menschen und zuletzt sich selbst erschoss, sind die deutschen Waffengesetze mehrfach verschärft worden. Seit Ende Juli 2009 müssen Waffenbesitzer zum Beispiel mit unangekündigten Kontrollen rechnen. Ohne konkreten Verdacht kann geprüft werden, ob Pistolen, Revolver oder Gewehre sicher vor fremden Zugriff aufbewahrt sind. Ist das nicht der Fall, drohen bis zu drei Jahren Gefängnis. Ebenso stieg für den Umgang mit Großkaliberwaffen die Altersgrenze von 14 auf 18 Jahre. Im Jahr 2013 wurde zudem ein "Nationales Waffenregister" ins Leben gerufen, das private Waffen und Waffenteile sowie deren Besitzer erfasst. Mit Blick auf die sogenannten Reichsbürger und die rechtsextreme NSU-Terrorzelle bemüht sich der Bundesrat seit Jahren, dass bei der Überprüfung von Waffenbesitzern auch beim Verfassungsschutz angefragt werden darf - bisher vergeblich.

März 2019: Im Gedenkraum der Albertville-Realschule wird am zehnten Jahrestag des Amoklaufs den Opfern gedacht Bild: picture-alliance/Keystone/M. Murat

Mitte 2017 verschärfte der Gesetzgeber das Waffenrecht erneut. Dabei wurden etwa die Sicherheitsstandards bei der Aufbewahrung neuen technischen Entwicklungen angepasst. Derzeit prüft die Bundesregierung, ob die EU-Richtlinie vom Mai 2017 Änderungen in deutschen Gesetzen erfordert. Als Reaktion auf die Pariser Terroranschläge im November 2015 hatte die Europäische Union verboten, dass Privatleute bestimmte halbautomatische Waffen besitzen dürfen.

Australien: Vorbild für die Welt 

Dass es möglich ist, eine waffenverliebte Gesellschaft von strengeren Waffengesetzen zu überzeugen, zeigt das Beispiel Australien. Ähnlich wie die Attentate von Christchurch erschütterte vor mehr als 20 Jahren die Tat eines 28-Jährigen im tasmanischen Port Arthur den "großen Bruder" Neuseelands. Der Täter hatte das Feuer in einem Cafe eröffnet, im Kugelhagel seines halbautomatischen Gewehrs starben 35 Menschen. Der konservative Premier John Howard brachte im Anschluss gegen massiven Widerstand aus Politik und Gesellschaft ein verschärftes Waffenrecht durchs Parlament.

Nicht einmal zwei Wochen nach dem Massaker wurden landesweit einheitliche Regeln erlassen, die ein vollständiges Verbot von vollautomatischen und halbautomatischen Schnellfeuergewehren, Schrotflinten und "Pumpguns" und strenge Kontrollen für alle anderen Waffen einführten. Jede Waffe muss einzeln registriert und in einem Safe aufbewahrt werden. Die Gesetzesverschärfung alleine war der Regierung nicht genug. Um die Zahl der Waffen in privater Hand zu senken, kaufte der Staat etwa 650.000 Waffen von ihren Besitzern, weitere Zehntausende wurden freiwillig abgegeben und verschrottet. Das Ergebnis ist beachtlich: Die Zahl der Schusswaffen-Toten ist seitdem in Australien um die Hälfte gesunken. 

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