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KonflikteUkraine

Massive russische Attacken auf Energieanlagen in der Ukraine

22. März 2024

Viele Städte wurden getroffen, am Atomkraftwerk Saporischschja etwa wurde eine Hochspannungsleitung durchtrennt. Die Führung in Kiew spricht von den schwersten Angriffen gegen die Energie-Infrastruktur seit Kriegsbeginn.

Feuer in einem Umspannwerk  in Charkiw nach dem Raketenangriff
Feuer in einem Umspannwerk in Charkiw nach dem RaketenangriffBild: Sergey Bobok/AFP

In einer massiven Angriffswelle hat Russland die Ukraine in der Nacht zum Freitag nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit rund 90 Raketen und 60 Kampfdrohnen attackiert. Laut den ukrainischen Behörden wurden dabei mindestens fünf Menschen getötet und 14 weitere verletzt. Die Luftwaffe teilte mit, sie habe bei den massiven Angriffen in der Nacht 92 Raketen und Drohnen abgeschossen.

Rettungskräfte in Saporischschja suchen in den Trümmern eines Hauses nach Überlebenden Bild: REUTERS

Bei den russischen Attacken wurden Energieanlagen in zahlreichen Städten getroffen, darunter in Charkiw, Saporischschja, Winnyzja, Chmelnytzky und Krywy Rig. Russland versuche, "wie im vergangenen Jahr ein umfassendes Versagen des Energiesystems" der Ukraine zu verursachen, erklärte Energieminister German Galuschtschenko. Er sprach beim Onlinedienst Facebook von den schwersten Attacken auf die Energie-Infrastruktur seit Kriegsbeginn im Februar 2022.

"Gefahr eines Reaktor- und Strahlenunfalls"

Seinem Ministerium zufolge wurde auch eine von zwei Hochspannungsleitungen durchtrennt, die das Atomkraftwerk Saporischschja mit Strom versorgen. Dabei wurden nach ukrainischen Behördenangaben sechs Menschen verletzt. "Die Situation ist extrem gefährlich und droht einen Notfall auszulösen", erklärte der ukrainische Betreiber Energoatom. Wenn die letzte Stromleitung unterbrochen werde, stehe die Anlage "kurz vor einem erneuten Stromausfall, wodurch die Bedingungen für einen sicheren Betrieb ernsthaft verletzt werden". 

Blick auf die Reaktorblöcke drei und vier des Atomkraftwerks in Saporischschja (Archivfoto von März 2023)Bild: Andrei Rubtsov/TASS/dpa/picture alliance

Das AKW in Saporischschja ist das größte Europas. Es war kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine von russischen Truppen besetzt worden, wird aber von ukrainischen Leitungen mit Strom versorgt. Seit Kriegsbeginn gab es zahlreiche Stromausfälle in dem Kraftwerk, bei denen auf Notfallgeneratoren und Sicherheitssysteme zurückgegriffen wurde. "Sollten diese versagen, wird die Gefahr eines Reaktor- und Strahlenunfalls auftreten", erklärte Energoatom.

In der Region Saporischschja starben bei den Angriffen drei Menschen, sieben Häuser wurden zerstört und 35 weitere beschädigt. Zwei Todesopfer wurden aus der westukrainischen Region Chmelnyzkyj gemeldet. 

Raketen auf Wasserkraftwerk Dnipro

Nach Auskunft eines Beraters des ukrainischen Bürgermeisters der Stadt Mariupol, die seit 2022 unter russischer Kontrolle steht, traf eine russische Rakete auch einen Bus auf dem Gelände des Wasserkraftwerks Dnipro in Saporischschja.

Blick auf den Damm des Wasserkraftwerks Dnipro - aufgrund von Beschädigungen durch Angriffe ist dort der Wasserstand der Stauseen bereits erheblich abgesunken (Archivbild) Bild: Andre Luis Alves/Andalou/picture alliance

In Charkiw im Nordosten der Ukraine gab es nach Angaben des Bürgermeisters am frühen Morgen etwa 15 Explosionen wegen russischer Raketenangriffe. Ihor Terechow zufolge waren auch diese Attacken darauf angelegt, die Stromversorgung der Großstadt zu zerstören. Teilweise sei es zu Stromausfällen in der ganzen Stadt gekommen.

Bei einem Angriff auf die russische Region Belgorod an der Grenze zur Ukraine wurden nach Auskunft der Behörden eine Frau getötet und mehrere Menschen verletzt. Drei medizinische Einrichtungen und mehrere Häuser seien beschädigt worden. Laut dem russischen Verteidigungsministerium wurden über der Region Belgorod acht Raketen abgefangen, die in der Ukraine von einem Raketenwerfersystem des Typs Vampire abgefeuert worden seien.

Kremlsprecher: "Es für uns ein Krieg geworden"

Unterdessen kam es in Moskau zu einer bemerkenswerten Wende in der Sprachregelung zum Konflikt mit der Ukraine: Mehr als zwei Jahre nach Beginn der russischen Invasion räumte der Kreml ein, dass sich Russland "im Kriegszustand" mit der Ukraine befindet. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte in einem Interview der russischen Wochenzeitung "Argumenty i Fakty": "Wir befinden uns im Kriegszustand. Ja, das hat als militärische Spezialoperation begonnen, aber seit (...) der gesamte Westen auf Seiten der Ukraine beteiligt ist, ist es für uns ein Krieg geworden."

Dmitri Peskow ist schon seit langen Jahren der Sprecher des russischen Staatschefs Wladimir PutinBild: Sergei Savostyanov/TASS/dpa/picture alliance

Bisher hatte die russische Führung es abgelehnt, den Ukraine-Konflikt als "Krieg" zu bezeichnen. Stattdessen nannte der Kreml die Offensive stets eine "militärische Spezialoperation". Präsident Wladimir Putin beschuldigte den Westen zuletzt, einen "hybriden Krieg" gegen Moskau zu führen. Aber auch er hielt bisher weitgehend daran fest, den Konflikt als "Spezialoperation" zu bezeichnen.

Kritik an dem Ukraine-Einsatz der russischen Armee und die Verwendung des Wortes "Krieg" in diesem Zusammenhang werden in Russland bislang mit Geld- und Gefängnisstrafen geahndet. Seit dem Beginn der Offensive wurden nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD-Info mehr als 900 Strafverfahren deshalb eingeleitet.

sti/se (afp, dpa, rtr)

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