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Politik

Massive Streikwelle lähmt Großbritannien

20. Dezember 2022

Bei den Briten vergeht derzeit kaum ein Tag ohne Streiks. Am Dienstag ruhte die Arbeit des Klinikpersonals, an diesem Mittwoch streiken die Rettungswagenfahrer. Und für die Weihnachtstage bahnt sich Gröberes an.

Streik der Pflegekräfte in London
Streikende Krankenschwestern in London Bild: Maja Smiejkowska/REUTERS

Zum zweiten Mal binnen einer Woche ruht bei zehntausenden britischen Pflegekräften des Gesundheitswesens die Arbeit. Nach dem ersten Streik in ihrer 106-jährigen Geschichte am vergangenen Donnerstag will die Gewerkschaft für Pflegeberufe RCN den Druck auf die Regierung kurz vor Weihnachten steigern. Sie fordert inflationsbedingte Lohnerhöhungen und verbesserte Arbeitsbedingungen. Bis zu 100.000 Pflegerinnen und Pfleger in England, Wales und Nordirland beteiligten sich an dem erneuten Arbeitsausstand an diesem Dienstag.

Die Branche will damit auch ein Bewusstsein für die katastrophale Lage schaffen: Mehr als sieben Millionen Menschen in Großbritannien warten auf Routineeingriffe. Notärzte brauchen deutlich länger als geplant, und vor den Notaufnahmen stauen sich die Krankenwagen.

Krankenpflegerin Lucy Savage von der Aintree-Universitätsklinik in Liverpool im Nordwesten Englands sagte: "Wir brauchen mehr Geld, wir brauchen mehr Personal, wir brauchen die Sicherheit der Patienten." Das Personal sei "überarbeitet und unterbezahlt", den nationalen Gesundheitsdienst NHS bezeichnete sie als "einzigen Scherbenhaufen". Krankenpfleger Suni George wies darauf hin, sein Gehalt habe sich in den 17 Jahren seiner Arbeit kaum verändert. "Selbst wenn es so aussieht, als ob das Jahreseinkommen gestiegen ist, haben wir nicht mehr Geld", sagte er vor demselben Krankenhaus.

Schätzungen zufolge ist das reale Lohnniveau von Krankenschwestern und Krankenpflegern in Großbritannien seit 2010 um 20 Prozent gesunken, was vor allem auf den Anstieg der Lebenshaltungskosten zurückzuführen ist. Derzeit liegt die Inflationsrate in Großbritannien bei elf Prozent und ist damit so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Angesichts der massiven Kaufkraftverluste legten zuletzt bereits Hafenarbeiter, Flughafenangestellte und Müllleute die Arbeit nieder. Immer wieder Streiks gibt es auch bei der Royal Mail. Ganze Straßenzüge erhalten derzeit höchstens einmal die Woche Post. Bergeweise liegen Briefe und Päckchen in den Depots.

Für diesen Mittwoch kündigten Mitarbeiter von Rettungsdiensten an, aus Protest gegen niedrige Löhne und schlechte Bedingungen nicht zu arbeiten.

Auch Touristen sind betroffen

Von Freitag an sind dann die Grenzbeamten in Großbritannien im Streik. Bis zum Jahreswechsel dürfte es deswegen lange Warteschlagen bei der Einreise geben, teilweise werden wohl auch Flüge gestrichen werden müssen.

Von Heiligabend an wollen zudem die Beschäftigen bei der Bahn die Arbeit ruhen lassen. Auch beim Eurostar zwischen London und der EU könnte es zu Problemen kommen.

Weltweit hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine schwere Folgen ausgelöst. Auch in Deutschland rechnen Volkswirte mit einer Rezession. Doch Großbritannien scheint noch stärker getroffen zu werden. Experten weisen darauf hin, dies liege auch am Brexit. Der Warenaustausch mit dem wichtigsten Handelspartner, der Europäischen Union, ist eingebrochen. Der Fachkräftemangel hat sich ohne Arbeiter aus der EU noch verstärkt.

se/kle (dpa, afp, rtr)