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Materialist trifft Möchtegern

Johanna Schmeller2. Februar 2014

Alt-68er, Babyboomer, Generation Y: Mehr-Generationen-Teams sind eher die Regel als die Ausnahme. Wie's mit der bunten Büro-WG klappt, verraten Experten.

Ätere und jüngere Kollegen. Foto: dpa
Bild: Jasmin Merdan/Fotolia

Die Energiewende zur "Energiesparwende" machen, politisches Engagement noch vor dem Wahlrecht, den Kindern (irgendwann mal) eine gerechtere Erde hinterlassen - so sehen die Forderungen an die eigenen Altersgenossen aus, die die Facebook-Gruppe "Das Generationenmanifest" vorgibt.

Vor 20 Jahren klang das noch ganz anders. In seinem namensstiftenden Roman "Generation X" aus den Neunzigern beschreibt Douglas Coupland sich und seine Altersgenossen melancholisch als "starved for affection, terrified of abandonment" - kurz: als reichlich egozentrisch.

Büros als Lehrstätte und Nahkampfarena

Dem regelmäßigen Zeitungsleser bietet sich da ein ausreichend düsteres Bild der gegenwärtigen Berufswelt: Sinnverliebte Mittzwanziger, selbstverlorene Thirtysomethings, hedonistische Golffahrer um die vierzig treffen in deutschen Unternehmen auf eine (mittlerweile knapp vor der Rente stehende) Mischung aus materialistischen Nachkriegskindern und Alt-68ern, die sich - wenngleich zu einer Alterskohorte gehörig - noch nie besonders gut verstanden haben. Kann das gut gehen?

„Generation“ als Kunstbegriff und Wertgemeinschaft

Um es vorwegzunehmen: Ja, es kann. Der Terminus "Generation" sei hilfreich, um Gesinnungsgruppen und Gruppenkonflikte herauszuarbeiten, erklärt Jugendforscher Klaus Hurrelmann.

Hurrelmann: "Gut ausgebildet, aber hochgestochen" sei die Generation YBild: picture-alliance/dpa

Seine Definition: "Das Konstrukt 'Generation' macht Sinn, sofern es Alterskohorten bündelt, die gemeinsame Werte teilen, weil sie in einer sehr ähnlichen politischen und historischen Lage groß geworden sind." Entscheidend ist dabei die Jugend: "Diese zehn, fünfzehn Jahre sind in ökonomischer, politischer und kultureller Gestalt so prägend, dass sie einen bestimmten Persönlichkeitstyp hervorbringen - und zwar massenhaft."

Innerhalb je einer Dekade verändern sich Musikgeschmack, Essgewohnheiten und Turnschuhmarke eines ganzen Jahrgangs. Wer heute "Sambas" trägt und wenig Kohlehydrate konsumiert, bekennt sich sichtbar zu einer Jugend im Gestern, Grunge, Golf und Barbourjacke gehören in die Neunziger - und der urban bedruckte Jutebeutel zu veganen Tretern ist gerade so noch hip.

Deutsche Büros als Lehrstätte und Nahkampfarena

In jedem Fall schafft der "generation gap" in deutschen Büros neue Beschäftigungsfelder - zum Beispiel im Bereich des intergenerationellen Coachings. Da es immer weniger Großfamilien gibt, sei die Firma inzwischen der einzige Ort, in dem die verschiedenen Generationen täglich mehrere Stunden eng miteinander zu tun hätten, erklärt Coach Ralf Overbeck, der sich auf Mehrgenerationenteams spezialisiert hat: "Die älteste und die ganz junge Generation sind sich dabei meist etwas näher in ihrer pragmatischen Art zu arbeiten und zu denken."

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Heraus falle die mittlere Generation, die "verhältnismäßig verwöhnt gestartet" sei. Ältere Kollegen hätten - als Nachkriegskinder - oft mehr Verständnis für jene materiellen Sorgen, die die von prekären Arbeitsverträgen betroffenen Berufsanfänger umtreiben - während die Zwischengeneration (Golf) zum Karrierestart noch den wirtschaftlichen Aufschwung und glänzende Berufsaussichten mitgenommen habe.

Generation Y: heiter bis nervig

Und doch: Auch jene "dynamische und gut ausgebildete Generation Y" (Overbeck), die in der Presse so viel Beachtung erfährt, stelle ältere Kollegen manchmal auf eine Geduldsprobe, meint der Experte: "Wenn eine Generation so in den Fokus gerückt wird, ist sie natürlich auch im Brennpunkt der anderen."

Wer junge Kollegen hofiere, beleidige die älteren, "weil diese Menschen natürlich realisieren, dass sie ja zur Zeit das Unternehmen nach vorn bringen und die Entwicklung und den Fortbestand wesentlich mit sichern. Was sie wollen, ist eine gegenseitige Wertschätzung."

Intergenerationelles Arbeiten klappt - wenn das Bauchgefühl stimmtBild: imago/CHROMORANGE

Bildungsforscher Hurrelmann begründet den Aktivismus heutiger Berufseinsteiger wiederum mit den unsicheren Zeiten: Einen Arbeitsplatz zu haben, sei für die Endzwanziger nicht mehr selbstverständlich - "also kommen in die Unternehmen jetzt junge Leute, die glücklich sind, wenn sie es überhaupt geschafft haben".

Der Vorteil: Die Generation Y sei zur Anpassung bereit. Der Nachteil: "Viele haben eine ausgezeichnete Ausbildung und wissen, was sie können", so Hurrelmann, "ihre Vorstellungen von Beruf sind sehr hochgestochen und auf Selbstverwirklichung gepolt."

„Shadowing“: Vom Schattenmann zum Möchtegern?

Für geradezu schädlich hält Overbeck deshalb auch so genannte "Shadowing"-Initiativen in Unternehmen, bei denen zwar nicht Berufsanfänger, aber Mittdreißiger Unternehmenschefs und Vorstandsmitglieder zu Terminen begleiten dürfen, um in die Unternehmensführung hineinzuschnuppern.

Overbeck: "Nicht den Marschallstab schwingen"Bild: Ralf Overbeck

Die Hierarchie werde hier auf ungesunde Weise nicht gewahrt. "Die Bedürfnisse, die dann vielleicht fälschlicherweise geweckt werden, führen zu suboptimalen Ergebnissen", so Overbeck.

Denn: "Wenn ein junger Mensch auf einmal glaubt, dass er den Marschallstab schon aus dem Rucksack nehmen und damit schwingen kann, wird er schnell feststellen, dass in Organisationen Vieles passiert, das nicht in seinem Sinne ist - sondern erst einmal im Sinne der anderen."

Die Folge sei Frustration auf allen Ebenen. Sein Tipp: Je näher sich erfahrener und jüngerer Kollege in der Hierarchie stünden und je besser das spontane "Bauchgefühl" der beiden miteinander sei, umso besser klappt es dann auch als Büronachbarn.

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