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Politik

Neustart oder neuer Streit?

15. Februar 2018

Das deutsch-polnische Verhältnis ist derzeit angespannt. Der Antrittsbesuch des neuen polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki in Berlin soll die Atmosphäre verbessern. Und doch droht ein neuer Konflikt.

Polnischer Premier Mateusz Morawiecki
Bild: picture alliance/NurPhoto/M. Wlodarczyk

Der professionelle und durchaus sympathische Auftritt von Mateusz Morawiecki darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er in der Sache auf einer Linie mit dem eigentlichen Machthaber Polens liegt: dem Chef der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski. Morawiecki ist ein selbsbewusster Patriot und Katholik. Nicht zufällig sprach er in seinem ersten TV-Interview davon, dass er es sich zur Aufgabe gemacht habe, "Europa zu rechristianisieren".  

Bei seinem Antrittsbesuch in Berlin, zwei Monate nach der Ernennung zum Premierminister, wird Morawiecki jetzt wahrscheinlich nette Worte wählen, aber in der Sache hart bleiben.

Irritationen in der Geschichtspolitik

Bei den Gesprächen in Berlin dürfte es auch um die Geschichtspolitik gehen. Bereits erwartet worden war, dass er die Kriegsreparationsforderungen gegenüber Deutschland zum Thema machen könnte. Doch es vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht ein neues Gesprächsthema gibt. So tauchte kürzlich ein verstörender Brief in deutschen Medien auf. Der polnische Senatspräsident Stanislaw Karczewski wandte sich darin an alle Auslandspolen - der Senat ist in Polen für die Kontakte zur polnischen Diaspora weltweit zuständig.

Am 1. Februar verabschiedete der polnische Senat das umstrittene Holocaust-GesetzBild: picture-alliance/PAP/R. Pietruszka

Karczewski erklärt in dem Brief den Sinn des neuen polnischen Holocaust-Gesetzes und seine Hintergründe. Außerdem äußert er die Hoffnung auf eine dauerhafte Verständigung mit jüdischen Gemeinschaften in aller Welt. Er schreibt, dass es während des Kriegs "schändliche Taten gab, die keineswegs der Haltung des polnischen Volkes entsprechen". Gleichzeitig appelliert er an die Auslandspolen, sich für "Polens Ehre" einzusetzen, sowie "antipolnische Äußerungen, verletzende Formulierungen und Meinungen" zu dokumentieren. Darüber sollten dann die polnischen diplomatischen Vertretungen in Kenntnis gesetzt werden. Was der Politiker unter dem Begriff "verletzende Meinungen" versteht, ist nicht klar und kann willkürlich hineininterpretiert werden.

Ausländische Medien sehen in dem Brief eine Aufforderung an die im Ausland lebenden Landsleute zur Denunziation. Wer vermeintlich antipolnische Äußerungen sähe oder höre, solle sie melden - so die Interpretation im Ausland.

Schwierige Gespräche in Berlin

Kanzlerin Merkel dürfte Morawiecki ihrerseits über eine Passage des neuen Koalitionsvertrages informieren, in dem sich CDU, CSU und SPD verpflichten, mehr für das Gedenken an die "weniger bekannten Opfer" der deutschen Besatzung zu tun. Damit, so die Hoffnung, könnte zum Beispiel die Einrichtung eines Denkmals in Berlin für die polnischen Opfer der deutschen Barbarei während des Zweiten Weltkrieges gemeint sein.

Auch die Reparationen stehen auf der Liste der möglichen Themen, die für Polen Priorität haben. Tatsächlich hat der Nachbar im Osten aufgrund des deutschen Angriffskrieges und der anschließenden brutalen Besatzung ab 1939 enorme Verluste erlitten und dafür kaum Reparationen erhalten. Unter dem Druck der Sowjetunion verzichtete 1953 das kommunistische Regime in Warschau auf die Zahlungen, um den Aufbau der DDR nicht zu gefährden. Die national-konservativen Politiker argumentieren, der Verzicht war unfreiwillig, also ungültig. Diese Haltung kommt innenpolitisch beim PiS-Wahlvolk gut an; bilateral sorgt es für Irritationen, denn die Bundesregierung hält die Sache politisch und juristisch für längst abgeschlossen. 

Morawiecki wird sich aber sicherlich bei der Bundeskanzlerin für ihre Haltung in der zurückliegenden polnisch-israelischen Krise bedanken. Das polnische Parlament wollte mit dem erwähnten Holocaust-Gesetz Äußerungen, die den polnischen Staat oder das polnische Volk für den Holocaust verantwortlich oder mitverantwortlich machen, unter Strafe stellen. Das sorgte für Empörung in Israel. Die Kritiker des schwammig formulierten Gesetzes fürchten, dass damit die öffentliche Debatte um die Mittäterschaft mancher Polen während der Besatzungszeit unterbunden wird. Merkel sowie Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hatten unmissverständlich erklärt, dass die Deutschen die volle Verantwortung für den Holocaust tragen und die Taten der Kollaborateure daran nichts ändern. Diese klare Kante hat sogar in den sonst so Deutschland-kritischen regierungsnahen Medien positive Kommentare hervorgerufen.

Eine Pipeline an Polen vorbei - das sorgt für Unmut in WarschauBild: picture alliance/dpa/S. Sauer

Neben Geschichtsthemen wird es sicherlich auch um das umstrittene Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 gehen. Polen und die baltischen Staaten sehen darin eine Vertiefung der Abhängigkeit Europas von Energielieferungen aus Russland. Der Kreml, so die Befürchtung, könnte dies als politisches Druckmittel nutzen. Die Bundesregierung sieht in der Ostsee-Pipeline lediglich ein wirtschaftliches Projekt.

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