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Politik

Matteo Salvini: Mit Selfies an die Macht?

22. Februar 2019

Die Rechtspopulisten werden aller Voraussicht nach am Sonntag die Regionalwahl auf Sardinien gewinnen. Die Wahl gilt als Testlauf für eine neue Koalition in Rom. Italien rückt nach rechts. Bernd Riegert aus Sardinien.

Wahlkampf Sardinien Matteo Salvini
Bild: DW/B. Riegert

Popmusik wummert über den Marktplatz von Sassari. Auf der grell erleuchteten Bühne steht der politische Popstar Italiens, Matteo Salvini, mit dem Rücken zum Publikum. Im Arm hält er gerade einen jungen Mann und macht mit ihm ein Selfie-Foto. In langer Reihe stehen die Anhänger des rechtsradikalen Politikers an, um auf die Bühne zu kommen. Darunter sogar eine dunkelhäutige Familie mit erkennbarem Migrationshintergrund. Alle 30 Sekunden knipst Salvini lächelnd ein Erinnerungsfoto. Zwei Stunden lang geht das so. Diese Selfie-Sessions sind das Markenzeichen seines Wahlkampfs. Zwischendurch zieht er kurz eine Zigarette durch oder gibt einem der anwesenden Fernsehjournalisten ein Interview. Aus seiner Hosentasche lugt ein kleiner Teddybär, den ihm eine Verehrerin geschenkt hat.

Der Innenminister hat sich mit seiner zupackenden Art und seiner harten Haltung gegen Migranten beliebt gemacht. In Meinungsumfragen liegt er vorne.  Würde er heute die acht Monate alte Koalition mit der populistischen "Bewegung 5 Sterne" in Rom aufkündigen, hätte er gute Chancen, nach Neuwahlen der nächste Regierungschef Italiens zu werden. Nach den Regionalwahlen in Sardinien am Sonntag und den Europawahlen Ende Mai, bei denen Salvini mit seiner "Lega"-Partei siegen könnte, wird er sich stark genug fühlen, diesen Schritt zu gehen, vermuten die politischen Kommentatoren in Italien. Eine Testwahl in der Region Abruzzen vor 14 Tagen hatte Salvini bereits gewonnen. Dort wurde ein Neo-Faschist der "Brüder Italiens" Präsident der Region.

Im Wahlkampf gibt sich Salvini solidarisch mit den "kleinen Leuten". Er verspricht niedrige Steuern, bessere RentenBild: DW/B. Riegert

Salvini hält sich bedeckt

Auf die Frage der DW, ob er denn bald Ministerpräsident werden wolle, lacht Salvini erst einmal kurz auf. Dann antwortet er: "Ich bin der Innenminister. Ich habe nicht die Absicht, Premier zu werden. Ich kümmere mich um die öffentliche Sicherheit, um die Mafia, Menschenschmuggel, Drogen, Terroristen. Es ist mir eine Ehre, diesen Job zu machen. Den werde ich noch lange Zeit behalten." Sechs Tage lange tourte der Innenminister zuvor durch Sardinien und stilisierte die am Sonntag stattfindende Regionalwahl zum Stimmungstest für ganz Italien. "Ihr habt nur die Wahl zwischen der Lega und der Linken, die Wahl zwischen Zukunft und Untergang. Befreien wir uns von der Linken!", ruft Salvini seinen jubelnden Fans auf dem Fisch- und Gemüsemarkt im Küstenstädtchen Alghero zu. Mit der Linken meint der rechte Parteichef nicht nur die mittlerweile am Rande der Bedeutungslosigkeit herumdümpelnden Sozialdemokraten und Kommunisten, sondern auch die populistische "5 Sterne-Bewegung", den ungeliebten Koalitionspartner in Rom.

In seinen kurzen Ansprachen wettert Salvini gegen Migration, verspricht eine Rücknahme der Rentenreform und mehr Respekt für die Nation. "Wir haben eine Flagge, es gibt eine Sprache, eine Identität, eine Geschichte, eine Tradition, eine Kultur, die wir leben müssen. Ein Baum, der keine Wurzeln hat, wird sterben."  Seinen Gegnern, von denen nur wenige auf dem Markt protestieren, ruft er unter dem Gejohle der Menge zu, Menschen, die "überall Faschisten und Marsmenschen sehen", könne er nicht ernst nehmen.

Donnatella Morittu: "Und dann sieht er auch noch gut aus!"Bild: DW/B. Riegert

Seine Anhänger wünschen sich Salvini als Premier

Donnatella Morittu, eine Gemüseverkäuferin in Alghero, wünscht sich Matteo Salvini als Regierungschef. "Das wäre großartig!" Und sie ist sicher, dass sich spätestens nach den Europawahlen in Italiens politischer Landschaft etwas ändern wird. "Das wird sehr bald passieren." Früher hat Donnatella Morittu auch mit den "5 Sternen" sympathisiert. "Aber sie haben viele Fehler gemacht. Bei Salvini dagegen sieht man, dass er die Dinge anpackt. Außerdem sieht er auch noch gut aus", schwärmt die Verkäuferin und packt beherzt Clementinen für eine Kundin ein, die zustimmend nickt. Derweil macht Salvini weiter unablässig Selfies auf einem kleinem Podium in der bröckelnden Markthalle von Alghero. Er nimmt sich viel Zeit, umarmt, scherzt, schwatzt. Auf die Frage, warum er stundenlang posiert, meint der Minister gelassen: "Ich höre den Leuten zu, weil die Leute mir auch zuhören."

Salvatore Manca: "Salvini sollte Regierungschef werden"Bild: DW/B. Riegert

Auch die Rentnerin Gavina ist von Salvini begeistert. Sie stellt ihre Einkaufstüten ab, hebt die Hände und unterstreicht mit ausladenden Gesten ihre Worte: "Er ist der Einzige, der etwas Konkretes macht und seine Versprechen hält. Der Einzige!" Der Lega-Chef hält sich vor allem die radikale Wende in der Migrationspolitik zugute. Er habe Häfen für Migranten geschlossen. Flüchtlingsschiffe dürften nicht mehr anlegen, ruft Salvini. Die Menschen jubeln.

Koalition mit Berlusconi und den Neo-Faschisten?

Der Fischhändler Salvatore Manca ist überzeugt, dass Matteo Salvini für Ordnung und Sicherheit sorgt. "Er liebt die Leute. Die Menschen und auch die Polizisten mögen ihn", sagt Salvatore Manca der DW. "Er sollte mit den 'Brüdern Italiens' zusammengehen und dann Ministerpräsident werden", wünscht sich der Fischhändler in der Markthalle. Die "Brüder Italiens" sind eine neo-faschistische Partei, die mit der Lega Salvinis und der Forza-Italia von Ex-Ministerpräsident und Medien-Milliardär Silvio Berlusconi eine rechtspopulistische Koalition formen könnte. Die extrem nationalistische Parteichefin der 'Brüder Italiens', Giorgia Meloni, hat sich in einem Interview für eventuelle Neuwahlen schon als möglicher Regierungspartner angeboten. Auch der 82 Jahre Silvio Berlusconi ist nicht abgeneigt, ein Bündnis mit der radikalen Rechten einzugehen.

Antonio Di Rosa: "In Italien herrscht totale Konfusion"Bild: DW/B. Riegert

"Salvini ist ein Stratege"

"Italien ist verwirrt und driftet nach rechts", sagt nach dem Wahlkampf in Sardinien der Redaktionsleiter der großen sardischen Zeitung "La Nouva Sardegna", Antonio Di Rosa, im Gespräch mit der DW. Di Rosa hat lange mit Matteo Salvini gesprochen und ist überzeugt, dass er sehr smart vorgeht und einen klaren Plan verfolgt. "Er ist durch und durch ein strategischer Politiker, aber er ist ohne Kultur und ohne tieferes Wissen. Er macht das, was ihm nützt, ohne Überzeugungen dahinter", warnt Di Rosa. Die Populisten der "5 Sterne" steckten in einer tiefen Krise, weil sie immer nur Nein zu allem sagten. "Ich glaube, Salvini wird nach der Europawahl nationale Neuwahlen herbeiführen und dann eine neue rechte Koalition schmieden. Nach diesen Wahlen werden wir eine neue Regierung haben."

Plakate kleben für die Testwahl: Umfragen sagen einen Sieg der rechten Koalition vorausBild: DW/B. Riegert

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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