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Politik

Der Deutsche in "Putins Palast"

Roman Goncharenko
23. Januar 2021

Im Video des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny über "Putins Palast" wird auch ein Deutscher erwähnt: Matthias Warnig. Welche Rolle spielt der Ex-Stasi-Agent?

St. Petersburg International Economic Forum Matthias Warnig
Matthias Warnig beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg (2018)Bild: picture-alliance/dpa/TASS/V. Smirnov

Matthias Warnig ist in vielerlei Hinsicht eine besondere Person. Der 65-Jährige ist der älteste und in der russischen Geschäftswelt aktivste deutsche Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er ist ein ehemaliger Stasi-Agent, der in den 1990er Jahren zum Bankier wurde. Seitdem saß er in zahlreichen Aufsichtsräten deutsch-russischer Unternehmen und Banken.

Aktuell leitet er die Nord Stream 2 AG. Und er spielt auch eine Rolle im aktuellen Youtube-Video von Alexej Nawalnys Fonds zur Bekämpfung der Korruption (FBK), in dem der russische Oppositionelle ein weit verzweigtes Korruptionsnetzwerk rund um den Bau eines palastartigen Anwesens für den russischen Präsidenten an der Schwarzmeerküste aufdeckt.

Nawalny erwähnt Warnig in seinem Video, als er über den Briefwechsel zwischen Putins Ex-Frau Ljudmila und einer deutschen Freundin Mitte der 1990er Jahre berichtet. Einer dieser Briefe wurde von Warnigs Faxgerät versendet. Der russische Oppositionelle zitiert einen DW-Artikel und sagt, Warnig habe Putin, einem ehemaligen KGB-Offizier in Dresden, und seiner Familie finanziell geholfen. Es gibt Vermutungen, dass sich die beiden über die Geheimdienste der damaligen DDR kennengelernt haben könnten, aber offiziell begann ihr Kontakt erst in St. Petersburg, nachdem beide ihren Beruf gewechselt hatten.

"Kein Problem, Putin zu treffen"

Der 65-jährige Matthias Warnig meidet die Öffentlichkeit und agiert lieber im Hintergrund. Im Jahr 2018 veröffentlichte die österreichische Zeitung Die Presse ein Interview mit ihm. Auf die Frage, wie oft er sich mit Putin treffe, antwortete der Geschäftsmann, der russische Präsident habe kein Handy, fügte jedoch hinzu: "Aber wenn ich was möchte und das Bedürfnis habe, ihn zu sehen, kriegen wir das schon auf die Reihe."

Wladimir Putins Stasi-AusweisBild: BStU, MfS, BV Dresden, Abt.KuSch, Nr 7216

In den 20 Jahren von Putins Herrschaft in Russland ist Warnig zum einflussreichsten deutschen Manager in der russischen Wirtschaft geworden. Er sitzt in den Aufsichtsräten führender russischer Unternehmen und Banken.

Im Interview für Die Presse erklärte Warnig, diese Mandate habe er aus zwei Gründen angenommen, die zufällig und voneinander unabhängig seien: "Ich habe die meisten Aufsichtsratsmandate ja 2012 übernommen. 2012 war Nord Stream 1 fertig, und mein Vertrag war am Auslaufen. Da war ich auch offen für neue Aufgaben. Parallel kam dazu ein Konflikt zwischen dem damaligen Präsidenten, Dmitri Medwedew, und der Regierung. Medwedew hat verfügt, dass alle Minister und Top-Beamte ihre Aufsichtsratsposten aufgeben müssen. Und dann brauchte man Leute, um diese Positionen zu besetzen."

Die Vermutung, er solle als Putins Vertrauensmann eine gewisse Kontrolle über die Konzernführung ausführen, wies er zurück: "Nein, überhaupt nicht. Ich bin nicht das Sprachrohr des Kremls. Und ich berichte auch nicht im Kreml und erzähle auch nicht am Kamin, was da vorgeht."

Von Rosneft bis hin zu Schalke 04

Unter den Arbeitgebern von Matthias Warnig befinden sich einige der größten russischen Unternehmen. Seit 2011 sitzt er im Aufsichtsrat der staatlichen Erdöl-Unternehmen Transneft und Rosneft. Bei Rosneft arbeitet er dabei eng mit Gerhard Schröder zusammen. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler, ebenfalls ein Freund Putins, ist seit 2017 dort Aufsichtsratsvorsitzender. Schröder erwähnt Nawalny in seinem Film jedoch mit keinem Wort.

Darüber hinaus sitzt Warnig im Aufsichtsrat der russischen VTB-Bank. Und bis 2015 war er in gleicher Funktion bei der St. Petersburger Bank "Rossija" (Russland) tätig, die Navalnys Enthüllungsvideo sowie Medienberichten zufolge mit dem engsten Umfeld von Präsident Putin verbunden ist.

Warnig (zweiter v. r.) beim Start der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 im November 2011Bild: picture-alliance/dpa/S. Sauer

Von 2012 bis 2018 leitete Warnig den Aufsichtsrat des Aluminiumherstellers RUSAL, doch er musste den Posten unter dem Druck von US-Sanktionen aufgeben. Der deutsche Manager bekam aber schnell einen anderen, und zwar in seiner Heimat. 2019 wurde er in den Aufsichtsrat des FC Schalke 04 aufgenommen, dessen Hauptsponsor der russische Energiekonzern Gazprom ist. Einige Fans hatten gegen seine Ernennung protestiert.

Hauptprojekt Nord Stream 2

Warnigs wichtigstes Projekt ist derzeit der Bau von Nord Stream 2, einer Gaspipeline von Russland nach Deutschland, die auf dem Grund der Ostsee verlegt wird. Er ist Geschäftsführer der in der Schweiz ansässigen Nord Stream 2 AG, deren wichtigster Miteigentümer Gazprom ist. Zuvor hatte er zehn Jahre lang die Vorgängerorganisation Nord Stream AG geleitet, von der die erste zweisträngige Pipeline durch die Ostsee verlegt wurde. Für Warnig sind beide Projekte, die vor allem den ostdeutschen Bundesländern Vorteile bringen sollen, ein Heimspiel: Er stammt selbst aus dem ostdeutschen Brandenburg.

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Warnigs wichtigstes Projekt in Gefahr geriet, als der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny im August 2020 nach einem schweren Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok auf russischem Boden zur Behandlung nach Deutschland gebracht wurde. Die Rufe, das Projekt Nord Stream 2, gegen das ohnehin schon US-Sanktionen laufen, zu stoppen oder einzufrieren, wurden immer lauter. Gemessen an der Tatsache, dass Deutschland und Russland trotz aller Widerstände an der Fortsetzung des umstrittenen Projektes festhalten wollen, hat Warnig seine Rolle als Lobbyist in Deutschland erfolgreich erfüllt.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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