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Politik

Mauerfall als Symbol

Robert Schwartz 8. November 2014

Das Jahr 1989 brachte für eine ganze Reihe von Staaten in Osteuropa den entscheidenden Wendepunkt nach Jahrzehnten der kommunistischen Willkürherrschaft. Der Widerstand aber begann viel früher.

Deutschland Mauerfall Grenzöffnung Berlin Mauer
Bild: picture-alliance/dpa

"Vor der Einheit kam die Freiheit": Dieser Satz des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck ist erst wenige Wochen alt, doch er gehört schon jetzt in die Sammlung berühmter Zitate rund um die politische Wende in Osteuropa vor 25 Jahren. Gauck bezog sich auf die Freiheitsbestrebungen in der ehemaligen DDR und die spätere Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Doch der Satz hat durchaus Gültigkeit für die Entwicklungen im gesamten früheren kommunistischen Ostblock und im europäischen Einigungsprozess.

Der Fall der Berliner Mauer gilt als Höhepunkt des Freiheitskampfes osteuropäischer Völker gegen die kommunistische Diktatur. Doch der Weg dorthin war ein langwieriger, oft blutgetränkter Kampf für Freiheit und Demokratie in allen Staaten des kommunistischen Lagers. Eine Chronologie der Eckpfeiler des Widerstands gegen die Diktatur und gegen die Allmacht des "großen Bruders" Sowjetunion:

Berlin, 17. Juni 1953 - Volksaufstand in der DDR

Anfangs als Protestaktion gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen und die wirtschaftliche Misere gedacht, weiten sich die Demonstrationen zu einem landesweiten Arbeiteraufstand aus. Es sind die ersten anti-kommunistischen Massenproteste im Machtbereich der Sowjetunion. Freie Wahlen, die Absetzung der damaligen DDR-Führung unter Walter Ulbricht und die Einheit des geteilten Deutschland - so lauten die Forderungen. Ulbricht lässt den Aufstand von der ostdeutschen Volkspolizei und sowjetischen Panzern niederschlagen. Der Eiserne Vorhang bekommt seinen ersten sichtbaren Riss.

Budapest, 23. Oktober 1956 - Volksaufstand in Ungarn

Auch hier beginnt alles mit einer friedlichen Großdemonstration. Vor allem Studenten gehen in Budapest auf die Straße, um für demokratische Veränderungen zu demonstrieren. Nachdem die Regierung auf die Demonstranten schießen lässt, überschlagen sich die Ereignisse. Soldaten treten zu den Demonstranten über und es beginnt ein bewaffneter Kampf, der die Auflösung der Einparteien-Herrschaft und die Ernennung einer Mehrparteien-Regierung unter Imre Nagy zur Folge hat. Ungarn tritt aus dem Warschauer Pakt, dem kommunistischen Militärbündnis, aus und fordert die sowjetische Armee auf, das Land zu verlassen. Das demokratische Wunder von Budapest dauert keine zehn Tage: Sowjetische Panzer beenden - wie drei Jahre vorher in Ost-Berlin - auch in Budapest den Traum von Freiheit und Demokratie. Und auch diesmal interveniert der Westen nicht - aus Angst vor einer Eskalation. Genauso wenig wie 1961, als Walter Ulbricht in einer Nacht- und Nebelaktion die Berliner Mauer hochziehen ließ.

Prag, 21. August 1968 - Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die damalige CSSR

Russische Panzer setzten dem "Prager Frühling" ein EndeBild: picture-alliance/dpa

Voller Hoffnung ist 1968 in der Tschechoslowakei ein Reformprozess in Gang gesetzt worden, der unter dem Namen "Prager Frühling" in die Geschichte eingeht. Kommunistische Reformpolitiker unter Alexander Dubcek krempeln das Land politisch und wirtschaftlich um, Gewerkschaften erhalten mehr Freiheiten, die Allmacht der Zensur wird aufgehoben. Dubceks "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" ist den meisten Bruderstaaten, allen voran der Sowjetunion, ein Dorn im Auge. Zu groß ist die Angst vor einer Ausbreitung des Reformkommunismus. In der Nacht zum 21. August 1968 marschieren die Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR ein und schlagen den "Prager Frühling" brutal nieder. Eine Intervention aus dem Westen bleibt aus. Doch der militärische Einmarsch der Bruderstaaten zeigt einen weiteren Riss im Eisernen Vorhang. Ein "Genosse", der neue rumänische Staats- und Parteichef Nicolae Ceausescu, weigert sich, an der Aktion teilzunehmen und verurteilt die Invasion öffentlich auf einer Massenkundgebung in Bukarest. Aufkeimende Hoffnungen auf Reformen in Rumänien erhalten aber 1971 einen endgültigen Dämpfer: Nach einer Reise durch China und Nordkorea führt Ceausescu eine Kulturrevolution nach ostasiatischem Vorbild durch. Das Ergebnis: eine der bittersten Diktaturen, geprägt von Personenkult, Vetternwirtschaft, Korruption, Misswirtschaft und einer allmächtigen Geheimpolizei, der Securitate.

Danzig, 17. September 1980 - Gründung der unabhängigen polnischen Gewerkschaft Solidarnosc

Polen ist das erste Land im kommunistischen Ostblock, in dem freie Arbeitervertretungen zugelassen werden. Die Gründung der Solidarnosc ist der vorläufige Schlusspunkt einer Streikwelle im ganzen Land, die in der Besetzung der Danziger Werft durch protestierende Arbeiter gipfelt. Ihre Forderungen an die Regierung in Warschau sind unter anderem Redefreiheit, Streikrecht und das Recht auf die Gründung freier Gewerkschaften. Der Führer der Streikenden, Lech Walesa, unterzeichnet am 31. August 1980 ein Abkommen mit der Regierung, die den Forderungen nachgegeben hat. Unterstützung bekommen die Streikenden von ihrem Landsmann Papst Johannes Paul II. und der katholischen Kirche in Polen. Diesmal marschieren die sowjetischen Truppen nicht ein, doch Moskau fordert Warschau schon ein Jahr später auf, Solidarnosc zu verbieten. Im Dezember 1981 verhängt der polnische Regierungschef, General Wojciech Jaruzelski, das Kriegsrecht. Die Gewerkschaft mit inzwischen rund 10 Millionen Mitgliedern wird verboten und operiert zum Teil aus dem Untergrund. Es dauert noch acht Jahre, bis Walesa und die Solidarnosc den Kampf mit den kommunistischen Machthabern gewinnen können.

27. Juni 1989 - Die Durchtrennung des Stacheldrahtzauns an der ungarisch-österreichischen Grenze

Diese symbolische Aktion der Außenminister der beiden Länder, Gyula Horn und Alois Mock - der Abbau der Grenzanlagen zwischen Ungarn und Österreich hatte bereits vorher begonnen - gilt als erste große Bresche im Eisernen Vorhang. Tausende DDR-Urlauber nutzen die Gunst der Stunde und fliehen in den Westen.

Sofia, 10. November 1989 - Interner Putsch in Bulgarien

Todor Schiwkow wird nach 35 Jahren an der Spitze Bulgariens durch einen internen Putsch in seiner Kommunistischen Partei abgesetzt. Er ist der vorletzte "Dinosaurier" der kommunistischen Ära. Der letzte, der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu, hält sich noch bis Ende des Jahres an der Macht.

Bukarest, 22. Dezember 1989 - Sturz von Nicolae Ceausescu

Der rumänische Diktator Ceausescu wurde zusammen mit seiner Frau hingerichtetBild: picture-alliance/dpa

Nicolae Ceausescu, der jegliche Reform nach dem Modell des Kreml-Chefs Michail Gorbatschow ablehnt, wird durch eine interne Palastrevolte abgesetzt. Vorangegangen sind Mitte Dezember Proteste in der westrumänischen Stadt Timisoara, die Ceausescu blutig niederschlagen ließ. Am 21. Dezember brechen in Bukarest und anderen Städten des Landes Straßenkämpfe aus, Teile des Militärs solidarisieren sich mit den Demonstranten. Am 22. Dezember wird Ceausescu gestürzt und noch am selben Tag zusammen mit seiner Frau Elena auf der Flucht festgenommen. Am 25. Dezember werden beide von einem eilig einberufenen Militärtribunal zum Tode verurteilt und standrechtlich erschossen.

Unterschiedliche Wege, gleiche Sehnsucht nach Freiheit

Rückblickend muss festgehalten werden: Die Menschen in den Ländern des Ostblocks haben unterschiedliche Wege gefunden, sich ihrer kommunistischen Machthaber zu entledigen. In einigen Ländern - wie Polen, Ungarn oder der CSSR - war eine stufenweise Lockerung der Willkürherrschaft durchaus möglich und es gab die Hoffnung auf einen Wechsel. In anderen, wie Bulgarien oder Rumänien, schienen die Menschen auf lange Sicht keine Alternative zur bestehenden Diktatur zu erkennen.

Und dennoch, die Gründe, weshalb das System letztendlich im gesamten Ostblock implodierte, waren die gleichen. Einerseits war es die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit und Demokratie, andererseits die wirtschaftspolitische Pleite der Regierungen. Und die Entwicklungen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion lassen erkennen, dass dieser Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist.

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